In der Reihe von Krisen (Corona, Hochwasser, Krieg in der Ukraine, Energiepreiskrise, Inflation ...) hätten Regierung und Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft "bewiesen, dass sie Krise können", erklärte Ministerpräsident Oliver Paasch. "Unsere Autonomie hat sich in Krisenzeiten bewährt. Sie hat uns handlungsfähig gemacht. Ohne Autonomie hätten wir niemandem helfen können."
300-Millionen-Euro-Hilfspakete
Die Hilfspakete hätten aber ihren Preis, so Paasch: auf 10 Jahre berechnet würden mehr als 300 Millionen Euro darin investiert. Hinzu kämen die Mindereinnahmen, die von den Krisen verursacht wurden. Und die gestiegenen Lohnkosten im öffentlichen Dienst: Alleine die Indexierung der Gehälter im Unterrichtswesen (siebenmal in nur 15 Monaten) koste die DG mehr als 15 Millionen Euro pro Jahr.
Gleichzeitig habe die Regierung der DG die Investitionskapazität der Gemeinschaft erhöht und Investitionen in Infrastruktur vorgezogen. Dabei habe sie von der krisenbedingten Ausweichklausel und vom europäischen Wiederaufbauplan profitiert, räumte Paasch ein: "Ohne diese Krisen wäre die Investitionskapazität kleiner gewesen."
Angesichts der Preissteigerungen gelte aber auch, dass bei der Bewertung von Infrastrukturvorhaben "mit Augenmaß" gehandelt werden müsse, d.h. priorisiert, gestreckt und abgespeckt.
Ernennungs- und Einstellungsstopp
Dazu brauche es eine "an die Krisen angepasste, tragfähige finanzpolitische Strategie": Schon 2025 wolle die Regierung den laufenden Haushalt wieder ins Gleichgewicht bringen. Und ab 2028 auf die Technik der Neutralisierung von Investitionen in Infrastruktur, wie sie von allen Gliedstaaten in Belgien seit Jahren angewendet werde, verzichten können.
Neben steigenden Einnahmen ab 2024 trage dazu auch "sozialverträgliches Sparen" bei: So werde in der öffentlichen Verwaltung der Gemeinschaft niemand mehr verbeamtet, weder im Ministerium noch beim Arbeitsamt, der Dienststelle für Selbstbestimmtes Leben (DSL) und neuerdings auch beim BRF. Ein solcher Verbeamtungsstopp sei "einzigartig in Belgien".
Außerdem sei die Regierung dabei, das Rechtsstatut von Arbeitsamt und DSL abzuändern.
Wegen des schon für den Ursprungshaushalt angekündigten Einstellungsstopps wiederum werden ausscheidende Personalmitglieder im Ministerium außer in besonders begründeten Ausnahmefällen nicht ersetzt.
Paasch: Anpassung "unspektakulär"
Die erste Haushaltsanpassung bezeichnete Oliver Paasch als "unspektakulär". Das Wirtschaftswachstum falle in diesem Jahr "offensichtlich etwas besser aus als befürchtet". Ursprünglich war das Planbüro für Belgien von einem geringen Wachstum in Höhe von 0,5 Prozent ausgegangen. Jetzt gehe man gemeinhin von einem immer noch schwachen, aber etwas verbesserten Wachstum von 1 Prozent aus. Für die Folgejahre prognostiziere das Planbüro Wachstumsraten von 1,7 Prozent.
Die DG wolle bei ihrer Einschätzung aber vorsichtig bleiben, um böse Überraschungen zu vermeiden.
Das Planbüro sage aktuell für dieses Jahr eine Inflation von 4,5 Prozent voraus. Das sei immer noch eine sehr hohe Rate. Sie liege aber um zwei Prozent niedriger als befürchtet.
Insgesamt werden die Einnahmen der DG für 2023 dafür um 3,7 Millionen Euro höher eingeschätzt.
Einmalzahlung an BRF-Pensionsfonds
Die Gehaltsausgaben für das Unterrichtswesen werden um 1,2 Millionen Euro angehoben, um der Indexentwicklung Rechnung zu tragen. Gleichzeitig halte man aber "an allen angestrebten Verbesserungen im Bildungswesen" fest, auch an dem neuen Stipendiensystem (2 Mio. Euro), mit dem Fachkräfte für eine Arbeit in der Deutschsprachigen Gemeinschaft gewonnen bzw. gehalten werden sollen.
In den Bereichen Jugend, Sport, Kultur und Medien würden nur geringfügige Anpassungen vorgenommen, abgesehen von einer Einmalzahlung an den Pensionsfonds des BRF, mit der die Regierung ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachkomme, den Pensionsfonds zu stabilisieren.
Im Gegenzug hat der BRF-Verwaltungsrat einstimmig einige Maßnahmen beschlossen, die den Pensionsfonds finanziell entlasten: neben dem erwähnten Verbeamtungsstopp auch eine neue Formel zur Berechnung der Pensionsansprüche.
Für den Denkmalschutz sieht der Anpassungshaushalt eine Erhöhung vor, um die dritte Ausgrabung an der Burg St. Vith vornehmen zu können.
Erneut mehr Geld für Kinderbetreuung
Zusätzliche Mittel wurden auch eingetragen für die Eltern-Kind-Kurse von Kaleido, die Blutspendenkampagnen des Roten Kreuzes, die Jugendhilfe und für das Kindergeld.
Erhöht würden auch die Zuschüsse an soziale Einrichtungen wie die SOS Hilfe, die Telefonhilfe, Prisma, Dabei, Patchwork, Ephata, Viertelhaus Cardijn, das Haus der Familie, das Dorfhaus Eynatten und die deutschsprachige Berufsvereinigung für Krankenpflege und Pflegehilfe in Belgien (KPVDB).
Mehr Geld gebe es erneut für die Kinderbetreuung, vorwiegend, um auf dem Gebiet der Gemeinde Raeren eine Übergangskrippe genehmigen zu können.
Für das neue Pflegegeld würden ebenfalls zusätzliche Finanzmittel vorgesehen.
42 neue Projekte im Infrastrukturplan
Die größten Verschiebungen beträfen auch diesmal den Infrastrukturplan. Das habe mit dem zeitlichen Fortschritt der Bauarbeiten und den Preisentwicklungen zu tun.
Es seien aber auch 42 Projekte neu in den Plan aufgenommen worden, wie zum Beispiel die Sanierung der Grundschule in Aldringen, die Kletterwand am Königlichen Athenäum Eupen, Brandschutzmaßnahmen am Triangel St.Vith, die Umstellung der Fluchtlichtanlage von Rapid Oudler auf LED, die Erneuerung des Kunstrasenplatzes für den RFC St.Vith oder auch die Instandsetzung von Spielplätzen in der Gemeinde Büllingen.
Insgesamt stehen im Infrastrukturplan 2023 jetzt 201 Projekte mit einem Zuschussvolumen von 141,5 Millionen Euro.
Alleine für das Schulbauprogramm werden in diesem Jahr Zuschüsse in Höhe von 43,6 Millionen Euro genehmigt. Das sind 30 Prozent aller Infrastrukturzuschüsse.
Weitere 24,4 Millionen Euro (17,26 Prozent an den Gesamtzuschüssen) fließen in den Seniorenbereich. Dazu gehören der Bau einer Immobilie mit 28 betreuten Wohnungen und der Ankauf der Residenz Leoni in Kelmis.
Erhöht wurden auch die Finanzmittel für das neue, vereinfachte Energieprämiensystem (von vier auf fünf Millionen Euro).
Die Ausrüstungssubventionen werden um knapp 500.000 Euro auf 37,9 Millionen Euro angehoben. Davon sind 80 Prozent für die Krankenhäuser in St. Vith und Eupen bestimmt.
PPP-Schulden vorzeitig zurückgezahlt
Außerdem zahlt die Deutschsprachige Gemeinschaft in diesem Jahr alle PPP-Schulden (Public-Private-Partnership) vorzeitig zurück, die sie vor einigen Jahren für das Schulbauprogramm auf dem Gebiet der Stadt Eupen aufgenommen hatte. Die Verhandlungen mit den privaten Partnern waren vor kurzem abgeschlossen worden.
Wie angekündigt, steigt die DG also endgültig aus dem PPP-Vertrag aus und zahlt alle Schulden in diesem Jahr zurück. Ursprünglich hatte sie dafür 117 Millionen Euro eingeplant. In den Verhandlungen konnte sie sich aber mit den Partnern auf eine Summe von 83 Millionen Euro verständigen. Dadurch könnten kommende Haushalte spürbar entlastet werden.
Mit der nun im Parlament hinterlegten Haushaltsanpassung verbessere sich das Ergebnis des laufenden Haushalts um knapp sieben Millionen Euro. Die Investitionen in Infrastruktur würden hingegen um 25 Millionen erhöht - im Sinne von "wichtigen Zukunftsinvestitionen", so Paasch.
Die kommende Regierung müsse sich nicht dafür entscheiden, diese Investitionen fortzusetzen, stieg Paasch schon in den Wahlkampf 2024 ein. Sie müsse dann aber auch die Verantwortung dafür tragen.
Für die Rückzahlung all der geplanten Investition müsse die DG "gerade einmal elf Prozent der Einahmen" aufbringen. Diese Zahl könne sich ändern, aber liege auf jeden Fall weit unter der Obergrenze von 25 Prozent für staatliche Einrichtungen. Aktuell liege sie bei 7,9 Prozent.
Der Entwurf des ersten Anpassungshaushalts wird jetzt in den Ausschüssen diskutiert.
Stephan Pesch