"Krieg ist Leid, ist Sinnlosigkeit, ist unnütz", findet Medienpädagoge Jan Hilgers. "Es ist ein Spiel von Mächtigen, beziehungsweise der ganzen Entourage der Mächtigen. Es ist unverständlich für mich. Ich habe das Gefühl, man ist wieder im Mittelalter, wenn man von Krieg redet."
"Krieg ist für mich was Schreckliches. Krieg ist eine Niederlage der Menschheit", sagt Dechant Helmut Schmitz. "Menschen sind eigentlich geschaffen, zu kommunizieren, sich zu verständigen. Und wenn dieses Zusammensein dann im Krieg endet, dann ist das für mich wirklich eine Niederlage der Menschheit. Papst Franziskus hat sogar von Barbarei gesprochen, was jetzt die Ukraine angeht."
"Dieser Krieg in der Ukraine ist relativ nah. Das sind 1.400 Kilometer von hier entfernt. Jeder Krieg ist schlimm, egal wo er stattfindet. Aber durch die Nähe hat man noch einmal einen anderen Bezug und es wird irgendwie realer", sagt Jan Hilgers. "Und ich denke, das spürt man auch bei vielen Menschen so."
"Ich muss schon sagen, dass der Krieg mich sehr betroffen macht. Vor allem wenn ich daran denke, wie sehr die Menschen leiden, die alles durch den Krieg verloren haben", sagt Studentin Ellen Theissen. "Allerdings muss ich sagen, dass ich mich hier in Belgien bislang sehr wohl fühle. Ich habe auch keine Sorgen, keine Angst, dass der Krieg sich ausbreiten wird bis hier."
Zwischen Bangen und Zuversicht
"Die Tatsache, dass verhandelt wird über einen Waffenstillstand, hat mich schon zuversichtlich gestimmt. Obwohl diese Zuversicht dann immer wieder sehr schnell gedämpft wird, weil eine Seite der anderen nicht traut. Und das ist wahrscheinlich das Grundproblem überhaupt bei Krieg: Misstrauen", so Schmitz.
"Was mich persönlich zuversichtlich stimmt, ist, dass weiterhin Gespräche zwischen den beiden Parteien stattfinden. Und zum anderen auch die Solidarität der Menschen hier", sagt Ellen Theissen. "Die Menschen, die Geld oder Material an die Menschen aus der Ukraine spenden. Oder auch Privatpersonen, die Flüchtlinge bei sich aufnehmen möchten, um einen Beitrag an der Gesellschaft zu leisten."
"Irgendwo macht das einem schon Sorgen, dass man sich fragt, wo die Situation hingeht", sagt Jan Hilgers. "Andererseits mache ich mir nicht unbedingt Sorgen, weil man gar nicht weiß, wo es hingeht. Ich denke, da ist es besser, dass ich mir nicht zu viele Sorgen mache."
Neue Normalität
"Krieg bedeutet für mich nach wie vor Zerstörung, Trauer um Verluste, um Menschen, die gestorben sind", sagt Ellen Theissen. "Und auch große Angst, die vor allem die Menschen trifft, die für den Krieg nichts können, nämlich die Zivilisten. Und je länger der Krieg andauert, desto mehr steht er für mich auch für eine gewisse Sinnlosigkeit und die Willkür eines diktatorischen Machthabers, der eben alles daransetzt, um seine Ziele durchzusetzen. Koste es, was es wolle."
"Ja, es bereitet einem schon Sorgen", findet auch Jan Hilgers. "Einfach die Frage, wo das Ganze hingeht und weitergeht. Es wird sich ja vermutlich noch sehr lange hinziehen. Aber man versucht halt, die Sorgen irgendwie nicht Überhand nehmen zu lassen. Ich hab mein Leben hier, meine Arbeit, meine Familie und Freunde. Und das ist auch ein Großteil vom Leben. Da holt man sich den Rückhalt, den man dann auch braucht."
Auch Dechant Helmut Schmitz ist besorgt. "Meine Sorge ist, dass eben Krieg auch zur Normalität wird. Wenn ich ein bisschen in mich reinschaue, ist das auch schon so, dass man sich an den Krieg gewöhnt irgendwo. Meine große Sorge ist auch, dass Ausgaben für militärische Zwecke jetzt wieder normal werden. Dass die erhöht werden ist auch normal, das ist alles akzeptabel. Aber auch da ist die Frage, wo geht das Geld denn jetzt weg, das für militärische Ausgaben gebraucht wird."
"Auf mein Leben hat der Krieg keine großen Auswirkungen, da ich weiterhin zur Uni gehen kann und meinen Alltag nach wie vor weiterführen kann", sagt Ellen Theissen. "Und ich muss auch zugeben, dass man sich langsam an die Situation gewöhnt. So schlimm das auch klingen mag. Denn eigentlich sollte ein Krieg ja nie einfach so hingenommen werden. Ich muss zugeben, dass ich jetzt nicht jeden Morgen aufstehe und erschüttert bin über die neuesten Entwicklungen, so wie das am Anfang der Fall war."
Hoffen auf Besserung
"Im Moment muss ich sagen, habe ich weniger Hoffnung als beim letzten Mal", sagt Helmut Schmitz. "Da gab es doch noch Gespräche, die jetzt anscheinend nicht mehr stattfinden."
Medienpädagoge Jan Hilgers ist optimistischer: "Es ist irgendwie Bewegung in die Welt gekommen. Und irgendwie macht das auch Hoffnung, dass irgendwas passiert und dass es sich zu einem Besseren wendet."
Für Russlands Teilmobilmachung der eigenen Streitkräfte hat Hilgers keinerlei Verständnis. "Und ich werde wahrscheinlich auch niemals Verständnis dafür haben. Weil man einfach nicht verstehen kann, wie man sich so zerstören kann, kaputt machen kann, Leben nehmen kann."
"Krieg ist für mich nach wie vor eine Niederlage für die Menschheit", findet Dechant Schmitz. "Und im Moment auch eine große Schwierigkeit für Menschen, denn Menschen kommen durch den Krieg in große finanzielle und andere Schwierigkeiten."
Auswirkungen
"Die Auswirkungen sind sehr schwierig einzuschätzen. Es gibt momentan viele Krisen auf der Welt. Wir haben die Klimakrise, wir haben hohe Energiepreise. Das alles hängt irgendwie zusammen und ist so unglaublich komplex, dass ich das Gefühl habe, dass ich da gar nicht mehr durchblicke", sagt Hilgers. "Viele Leute suchen nach ganz einfachen Lösungen für sehr komplexe Probleme. Das finde ich dann sehr schwierig. Und das ist auch sehr oft polarisierend. Aber es gibt keine einfachen Lösungen dafür."
"Die Friedensgespräche scheinen wirklich sehr weit weg zu sein", sagt Schmitz. "Es gibt dann - manche würden sagen - Erfolge der ukrainischen Seite, aber die sind auch nicht so groß. Das scheint dem Krieg auch keine Wende zu geben."
"Ich fühle mich hier in Belgien sicher", sagt Ellen Theissen. "Auch wenn es einem natürlich Sorgen bereiten könnte, wenn man Interviews von Putin zum Beispiel zuhört, in denen er über Mobilisierung spricht, über den Einsatz von Atomwaffen. Da sollte man sich dann schon fragen, inwiefern das Drohungen sind oder ob das uns wirklich direkt mal betreffen könnte."
"Vielleicht lässt das einen aber auch wieder optimistisch werden", sagt Hilgers. "In dem Sinne, dass die Rhetorik und die Propaganda immer abstruser wird, verrückter, immer psychopathischer. Dass vielleicht in Russland selbst mal ein Umdenken geschieht und da, aus dem Land oder der Bevölkerung heraus, mal irgendwas passiert, was dem Ganzen vielleicht ein Ende setzen wird."
"Krieg bedeutet nach wie vor für mich Niederlage für die Menschheit und auch für die Menschlichkeit", sagt Schmitz. "Das hat sich jetzt seit einem Jahr auch bestätigt."
"Es ist jetzt fast ein Jahr her, dass Russland diesen Krieg gestartet hat. Die materiellen Auswirkungen, wenn es beispielsweise um Energiepreise geht, halten sich trotzdem noch in Grenzen. Ansonsten ist es so, dass ich das Gefühl habe, je länger es dauert, desto weniger beschäftigt es einen, weil es einfach zum Alltag geworden ist", sagt Hilgers. "Nachrichten plätschern auch manchmal an einem vorbei. Man hört es, man sieht es, aber es nimmt einen nicht mehr so mit, wie am Anfang."
Kein Ende in Sicht
"Natürlich wird man jeden Tag von den Nachrichten über den Krieg informiert. Aber, auch wenn es eigentlich traurig ist, ich habe mich langsam an die Situation gewöhnt", sagt Ellen Theissen. "Das heißt, dass der Krieg zum Weltgeschehen dazugehört."
"Es hat mich in dem Maße beeinflusst, dass der Krieg doch irgendwo immer im Hinterkopf steckt und man sich immer informiert. Was ist los? Wie geht es weiter? Und so weiter", erklärt Dechant Schmitz. "Es bereitet mir jetzt mehr Sorgen als vor sechs Monaten noch, denn es scheint sich ja wirklich doch zu einem Weltkrieg auszubreiten."
"Ich bin leider weiterhin eher pessimistisch eingestellt, was den Krieg betrifft", so Ellen Theissen. "Es ist sehr schwer einzuschätzen, wie lange die Situation noch anhalten wird und vor allem, welches Ende sie finden wird. Und deswegen kann ich den Nachrichten nur schwer etwas Positives entziehen."
"Krieg bedeutet viel Leid. Es ist einerseits was Abstraktes, vor allem wenn es glücklicherweise nicht vor der eigenen Haustür ist", sagt Jan Hilgers. "Andererseits ist es nicht abstrakt, weil man es trotzdem mitbekommt, in den Nachrichten hört, liest, Bilder sieht. Es ist eigentlich was Unvorstellbares, wo man sich fragt, warum das noch passiert."
Andreas Lejeune