Bei der Wahl setzte sich Charles Servaty mit 13 Stimmen gegen Patricia Creutz (7) durch, die von der CSP als Kandidatin vorgeschlagen worden war. Die Vivant-Fraktion, für die Michael Balter den Vorschlag erneuerte, die Ämter des PDG-Präsidenten und des Gemeinschaftssenators zusammenzulegen, enthielt sich der Stimme.
Ausdrücklicher Dank an den Vorgänger
In einer kurzen Absprache dankte Servaty ausdrücklich seinem Vorgänger, der ihm mit einer herzlichen Umarmung gratuliert hatte: "Mit großer Kompetenz und in überaus engagierter Form hast du dem Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft als dessen Präsident deinen Stempel aufgedrückt und zahlreiche neue Impulse gesetzt."
Gemeinsames Bestreben müsse es sein, so der neue Vorsitzende, "die Rolle des Parlaments zu stärken, seine Wirkung nach innen und nach außen zu fördern". Er denke "zum einen an die Fortsetzung der Beratungen über die Vorschläge zur Verbesserung der parlamentarischen Arbeitsweise und an die weitere Aufwertung des Parlaments. Hier sollten wir um den größtmöglichen Konsens zwischen den Fraktionen bemüht sein, denn unser Parlament findet für seine Anliegen immer dann Gehör, wenn es mit einer Stimme spricht."
50-jähriges Jubiläum der Autonomie
Zum anderen komme in den kommenden Monaten der Durchführung des Programms zum 50-jährigen Jubiläum der Autonomie sowie der Weiterentwicklung des permanenten Bürgerdialogs "eine hohe Bedeutung" zu.
Karl-Heinz Lambertz hatte vor zwei Wochen bekanntgegeben, von seinem Amt als Präsident des Parlaments zurückzutreten. Nach den Wahlen von 2019 sei schon festgelegt worden, dass er seine Ämter im Laufe der Legislaturperiode niederlegen werde.
Lambertz ist im Juni des vergangenen Jahres 70 geworden. Mit seiner Familie hatte er ins Auge gefasst, in diesem Alter mit der Politik aufzuhören. Der von der SP angestrebte Amtswechsel zu Charles Servaty sei dann wegen dessen längerwierigen Erkrankung aufgeschoben worden.
1981 zum ersten Mal im damaligen RdK
Karl-Heinz Lambertz gehört dem PDG bis auf Weiteres als Mitglied an. Als solches tagt er auch im Europäischen Ausschuss der Regionen, dessen Vorsitzender er zwischenzeitlich war, und im Kongress der Regionen und Gemeinden des Europarates. Beide Vertretungen sind an sein Wahlmandat im PDG gebunden. Er schließt nicht aus, dass er es vor Ende der Legislaturperiode abgeben könnte.
Lambertz war 1981 zum ersten Mal in den damaligen Rat der deutschen Kulturgemeinschaft (RdK) gewählt worden. Von 1990 an war er zunächst Gemeinschaftsminister (unter anderem für Medien), ab 1999 dann Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft.
Von 2014 bis 2016 übernahm er dann ein erstes Mal den Vorsitz des Parlaments, ehe er (im vereinbarten Wechsel mit Alexander Miesen vom Koalitionspartner PFF) zur Mitte der Legislatur als Gemeinschaftssenator nach Brüssel ging. Seit dem 17. Juni 2019 war er wieder Präsident des PDG.
SP-Fraktionsvorsitz an Kirsten Neycken-Bartholemy
Der neue PDG-Präsident Charles Servaty ist 56 Jahre alt. Er gehört dem PDG seit 1995 an. Seit 1999 war er Fraktionsvorsitzender der SP. Diese Rolle übernimmt nun Kirsten Neycken-Bartholemy. Die 50-jährige Eupenerin rückte im vergangenen Frühjahr für Céline Kever nach. Sie war vorher schon von 2013 bis 2019 Abgeordnete im PDG gewesen.
Charles Servaty ist seit 1994 auch Mitglied des Gemeinderates von Bütgenbach und seit 2001 Schöffe. Aufgrund seines neuen Vollzeitmandats als Parlamentspräsident wird er dort kürzer treten.
Empfehlungen der Bürgerversammlung: Mehr Inklusion!
Ausführlich befasst hat sich das PDG im weiteren Verlauf der Sitzung mit den Empfehlungen der Bürgerversammlung zum Thema „Inklusion macht Schule“. Der vorgelegte Abschlussbericht zu den Beratungen in den Ausschüssen bildet für das Parlament einen Startschuss im Hinblick auf angestrebte Reformen. Eine unterschiedliche Bewertung der Inklusion zeigte sich insbesondere zwischen Vivant und den anderen Fraktionen.
Empfohlen wurde unter anderem eine stärkere Berücksichtigung von Förderpädagogik in der Aus- und Weiterbildung von Lehrern sowie eine mögliche Zusammenlegung von Regel- und Förderschulen. Inklusion beschränke sich aber nicht auf die Schule. Sie müsse Einzug in die gesamte Gesellschaft halten. Der Grundstein dazu werde im Elternhaus gelegt.
Opposition beklagt: Zu viel oder zu wenig Jugendpolitik?
Gleich zweimal kam im PDG die Jugendpolitik zur Sprache. Erst genehmigte das Parlament mehrheitlich den Entwurf eines Geschäftsführungsvertrags zwischen der Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft und dem Jugendbüro. Es koordiniert künftig die offene Jugendarbeit in sieben der neun Gemeinden.
Die CSP stimmte gegen den Entwurf, Vivant und Ecolo enthielten sich der Stimme. Die Opposition kritisierte teils eine mögliche Einflussnahme der Politik, teils bemägelte sie fehlendes Engagement der Gemeinden.
"Jugendpolitik ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe"
In einem weiteren Punkt ging es um den Aktionsplan zum dritten Jugendstrategieplan. Für die CSP stellte Colin Kraft - unabhängig vom Zustandekommen dieses Plans - die Frage, ob er in seiner mehrjährigen Festlegung das beste Instrument sei, um die Jugendarbeit effizient zu gestalten.
Freddy Cremer (ProDG) sah hingegen im Jugendstrategieplan ein Arbeitsinstrument, das auf der konkreten Lebenswirklichkeit der Jugendlichen in Ostbelgien fuße. Darauf zu verzichten, wäre "ein fataler Fehler". Seiner Ausarbeitung sei ein breiter Konsultationsprozess vorausgegangen - für nicht organisierte Jugendliche auch über die anonyme Beteiligungsplattform "Padlet".
Festgelegt seien lediglich die Themenschwerpunkte. Der Jugendstrategieplan sei ähnlich dem Regionalen Entwicklungskonzept (REK) ein Navigationssystem oder ein Fahrplan, so Cremer: "Jugendpolitik ist par excellence ein Querschnittsthema und damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe." Darum, so Gregor Freches (PFF), verpflichte sie die ganze Regierung und nicht nur die Ministerin für Jugend, Isabelle Weykmans.
Bei dem Aktionsplan, so die Ministerin, gehe es auch nicht mehr um die schon besprochene Festlegung der Themen, sondern um den Rahmen dessen, was die Jugend- und Sozialeinrichtungen, Schulen, Sozialpartner ... in Ostbelgien umsetzen sollen. Auch sie hätte sich noch mehr Beteiligung von Jugendlichen gewünscht - das, so Weykmans, bleibe eine ständige Aufgabe.
Hier stimmte die CSP dagegen, Vivant enthielt sich, die anderen Abgeordneten waren dafür.
Stephan Pesch