Die Regale in der Apotheke von Ralph Mertens sind alles andere als leer. Aber sein Computersystem verrät, dass am 24. Januar 132 Arzneimittel nicht lieferbar sind - manche für einige Wochen nicht, andere für einige Monate. "Seit einigen Jahren ist das leider regelmäßig der Fall. Momentan ist es noch etwas extremer. Vor allem seit Corona, weil die ganze Produktion der Wirkstoffe nach Indien und China verlagert worden ist. Wenn da ein Problem bei der Produktion ist, fehlen solche Sachen weltweit. Aber man kann nach Alternativen wie Generika suchen. Es ist dann problematisch, wenn es etwas ist, das man nicht ersetzen kann." Dann muss man mit dem behandelnden Arzt Rücksprache halten.
Ralph Mertens hofft, dass sich die Pharmakonzerne in Europa darauf besinnen, die Grundstoffe für Arzneimittel wieder selber herzustellen.
Dass die Knappheit besonders in Deutschland zuschlägt, habe auch mit den niedrigen Preisen dort zu tun. Denn Pharmaunternehmen verkaufen ihre Restbestände lieber in die Länder, in denen Arzneimittel auch teurer verkauft werden. "Das haben wir in letzter Zeit sehr stark gemerkt. Gängige Fiebersäfte haben in Deutschland gefehlt. Die waren auch bei uns knapp. Wir waren da aber nie auf Null. Das ist bedingt, weil in Deutschland ein anderes System der Krankenkassen, Vergütungen und Lieferverträge gilt. Da waren bestimmte Mittel nicht mehr zu bekommen. Da haben wir hier schon Leute gehabt, die aus Leverkusen gekommen sind, für einen fiebersenkenden Saft für Kinder. Es ist noch dramatischer auf deutscher als auf belgischer Seite. Da sind wir in Belgien schon besser aufgestellt."
Wer chronisch krank ist, sollte nicht bis zum letzten Moment mit einer Neubestellung warten, rät der Apotheker. Hamsterkäufe seien aber nicht nötig. "Wenn es rezeptfrei ist, sollte es in einem gesunden Rahmen bleiben. Aber wenn jemand mal zwei Dosen braucht, dann finden wir auch eine Lösung."
Doch Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Auch wenn Ralph Mertens davon ausgeht, dass sich die Situation nach dem Winter verbessert, werden überschüssige Tabletten zurzeit nicht entsorgt. "Wir haben uns angewöhnt, angebrochene Tablettendosen, die zurückkommen, zu verwahren. Wenn dann mal ein Engpass mit einem Medikament ist, dann verschenken wir auch mal einen Streifen. Dann hat man wieder Zeit gewonnen. Das hat uns auch schon aus der Patsche geholfen."
Manuel Zimmermann