Es ist nur ein hypothetisches Szenario, aber so könnte es im Ernstfall aussehen: Um 8 Uhr morgens löst das Krisenzentrum Alarm aus. Aus dem Atomkraftwerk Tihange ist Radioaktivität ausgetreten und zieht Richtung Südwesten. Die zuständigen Behörden und Dienste werden verständigt. Jetzt ist Kommunikation und Zusammenarbeit gefragt. In Engis, östlich von Tihange, wird ein Krisenzentrum eingerichtet.
Dort sei man noch vor der radioaktiven Wolke geschützt, erklärt David Rasquin von der Atomaren Aufsichtsbehörde FANK. Er koordiniert die Notfallübung. "Das Szenario findet auf der anderen Seite statt. Engis ist nicht von der Radioaktivität betroffen. Die Wolke zieht Richtung Südwesten, Richtung Provinz Namur. Wir bleiben hier und sind somit von der radioaktiven Wolke geschützt. Von hier aus können wir unsere verschiedenen Teams herausschicken, die dann vor Ort Proben entnehmen."
Von Engis aus werden Teams in Schutzanzügen herausgeschickt, um im radioaktiven Gebiet Proben zu nehmen. Rund 60 Teilnehmer sind an der Übung beteiligt. An vorderster Front der Zivilschutz. Jeder Dienst verfügt über mobile Geräte für die fiktiven Messungen, jeder in seinem Zuständigkeitsbereich: so beispielsweise die AFSCA für die Lebensmittelkette, erklärt Louise Lienard, Pressesprecherin der FANK.
Die erhobenen fiktiven Daten werden in ein Software-Programm eingefügt und dann zum Krisenstab nach Brüssel geschickt. Dort werden die Daten analysiert. Auf dieser Basis erstellt der Krisenstab einen Strategieplan, der an die zuständigen Behörden weitergeleitet wird. Diese veranlassen dann die Schutzmaßnahmen.
Reibungsloser Ablauf im Ernstfall
Das könne Verschiedenes sein, so David Rasquin von der FANK: Zum Beispiel Schutz suchen, Jod einnehmen, Einschränkungen was Lebensmittel angeht, im schlimmsten Fall eine Evakuierung. Die Maßnahmen werden im Föderalen Krisenstab besprochen. Minister und verantwortliche Behörden entscheiden dann auf Basis der Empfehlungen.
Wie wichtig ein reibungsloser Ablauf im Ernstfall ist, weiß auch Innenministerin Annelies Verlinden. In Engis macht sie sich ein Bild vom Verlauf der Übung. Dabei betont sie, dass solche Übungen regelmäßig stattfinden und in keinem Zusammenhang mit der aktuellen weltpolitischen Situation und dem Krieg in der Ukraine stünden.
Kein Grund zur Panik
"Es gibt keinen Grund zur Panik in Belgien. Diese Übung hier machen wir normalerweise jedes Jahr. Durch die Corona-Krise war das in den letzten Jahren nicht möglich, weil wir nicht alle betroffenen Dienste so einfach zusammenbringen konnten. Aber der Betreiber und die Sicherheitsdienste führen jährliche Übungen durch und auch diese Übung ist eine Standardübung, die nicht in Verbindung steht mit der Situation in der Ukraine. Aber natürlich ist es wichtig, dass die Dienste auch in diesem Zusammenhang Kontakt halten und wissen, was im Krisenfall zu tun ist.
Zwei Tage lang nehmen sich die Dienste Zeit für die Übung. Im späteren Verlauf sollen noch Hubschrauber und Drohnen eingesetzt werden, um den nuklearen Ernstfall zu proben.
Michaela Brück