Unter diesen "Coaches" ist die Regional- und Raumplanerin Ursula Stein.
Frau Stein, wie sehen Sie die Aufgabe, hier zwar nicht von null anfangen zu können, aber doch viele Gestaltungsmöglichkeiten zu haben?
Ich finde es außerordentlich spannend, in eine solche Region einzutreten, die große Chancen hat, gerade weil sie Teil eines internationalen räumlichen Netzwerks ist und dabei vor der Herausforderung steht, ihren eigenen Charakter zu definieren, ohne aber zu negieren, dass sie Teil dieses Netzwerks ist. Also wir müssen hier etwas finden, das im Kern unseres und gut ist, aber nach außen hin offen ist und ich weiß, dass diese Vernetzungen nötig sind, dass die Internationalität nötig ist, dass die belgische Interregionalität nötig ist.
Dafür den passenden raumordnerischen Rahmen auszuarbeiten, wie wir das dann auch als Raum gestalten und miteinander teilen und vertreten, finde ich eine ganz spannende Angelegenheit und deswegen bin ich gerne als Coach in diesem Prozess "Ostbelgien leben" dabei.
Nun wird Raumordnung schon wegen des Begriffes Ordnung auch häufig als Zwang empfunden.
Ja, das wird so empfunden. Ordnung und Planung scheint ein Widerspruch zu sein zum liberalen Denken: Ich kann machen, was ich will. Letztlich aber wissen wir hier in Europa: Wir leben miteinander. Das wissen andere Gesellschaften außerhalb von Europa vielleicht noch mehr. Wir haben einen Planeten, wir teilen Raum, und den gemeinsam zu gestalten ist eine Kulturfrage. Wie machen wir das miteinander?
Deswegen finde ich es auch richtig, dass - wie auch immer die Aufgabe heißt, und sie heißt hier nun einfach mal Raumordnung - im Diskurs entwickelt wird. Das heißt, dass Leute mitreden können, dass man seine Meinungen im Internet eingeben konnte, dass die Diskussionsmöglichkeiten auf den Märkten und in den Bürgerhäusern usw. in den nächsten Monaten noch mal gesteigert werden. Und ich finde, man sollte über einen solchen Selbstverständigungsprozess der Region ruhig auch international ein bisschen lauter reden.
Das muss dann nicht zwangsläufig Vereinheitlichung heißen. Sie haben davon gesprochen, dass so ein Prozess eigentlich mehr Vielfalt fördern soll.
Genau. Wir merken doch, dass unsere Gesellschaft vielfältiger wird, dass sie Platz bietet für unterschiedlichste Lebensentwürfe. Und ich glaube, da müssen wir auch räumlich vielfältiger denken. Es gibt nicht die eine Lösung für überall, sondern wir müssen uns die Zeit nehmen, miteinander zu diskutieren, welche Lösung für hier richtig ist, die wir dann auch gemeinschaftlich vertreten. Und die damit verbundenen gewissen Einschränkungen an der einen oder anderen Stelle, dass nicht jeder genau das machen kann, was er alleine will, dann auch hinzunehmen, weil wir es gemeinsam vertreten und weil es dann das Besondere ist für hier.
Und darin steckt die Vielfalt der Lebensformen, der Lebensweisen, die wir heute erleben und die auch eine besondere Chance sind. Wir können heute in ländlichen Regionen durch die Digitalisierung ganz anders leben und arbeiten als noch vor 50 Jahren. Das ist eine Entwicklungschance auch für die Deutschsprachige Gemeinschaft und für Ostbelgien.
Dabei geht es also nicht nur darum, wie die Fassade gestaltet werden kann, welche Dachgauben aufs Dach dürfen?
Da geht es darum, wie gehen wir mit unserer Landschaft um? Wie gestalten wir die Ränder der Orte, damit es einen schönen Übergang gibt? Wie schaffen wir gute Zugänge aus den Orten in die Landschaft, damit sie Teil unseres Lebens sein kann? Und wie steigern wir damit auch die Biodiversität? Wir wissen alle um die Biodiversitätskrise in unserer Welt, gerade in Europa.
Und da müssen wir was tun und dieses zusammen denken: Wohnen, Landschaft, arbeiten und so weiter. Und Mobilität. Auch das ist genau das, was da möglich ist und möglich sein muss.
Stephan Pesch