Herr Schröder, ihre Tätigkeit beim GrenzEcho war ja eine Rückkehr an eine alte Wirkungsstätte. Wie haben Sie diese viereinhalb Jahre erlebt?
Eigentlich ist es schon das dritte Mal, dass ich beim Grenz Echo bin. Und der Wiederanfang war natürlich in einer anderen Funktion. Ich hatte schon als Chefredakteur vom Belgien-Magazin damals Erfahrungen in der Chefredaktion gesammelt, aber Chefredakteur einer Tageszeitung ist natürlich was anderes als Chefredakteur eines Monatsmagazins. Und die viereinhalb Jahre sind schon ein bisschen anders abgelaufen, als ich mir das vorgestellt hätte oder als wir uns das insgesamt vorgestellt haben. Als die Corona-Krise kam, hatten wir gerade eine Änderung unserer Strukturen, auch eine Änderung unserer Arbeitsweise, mehr hin zu Online oder verbessertes Online, geplant. Und das fiel dann natürlich alles über den Haufen. Hinzu kam, dass wir das GrenzEcho umgebaut haben, dass wir also intern auch einen Umzug hatten und schon ein bisschen zusammengepfercht auf einem engeren Raum gesessen haben, was mit Corona sehr schwer vereinbar war, so dass vieles von dem, was wir uns vorgenommen hatten, so nicht umgesetzt werden konnte. Ich glaube dennoch, dass wir in der Corona-Zeit eine gute Zeitung abgeliefert haben, was sich zum Beispiel auch darin niedergeschlagen hat, dass wir zum ersten Mal seit vielen Jahren die Zahl unserer Abonnenten 2020 erhöhen konnten um mehr als ein Prozent, worauf wir ziemlich stolz sind.
Gerade so etwas wie Corona ist ja für eine lokale oder regionale Tageszeitung fatal. Es gab auf einmal keine Veranstaltungen mehr. Regional wurde auch vieles zurückgefahren. Gerade das muss man dann erreichen, trotzdem die Tageszeitung zu füllen?
Richtig. Wir hatten in drei Ressorts, nämlich im Sport und in den beiden Lokalredaktionen Eupener Land und Eifel-Ardennen, natürlich starke Einbrüche, weil die Themen wegfielen. Hinzu kam, dass unsere Werbung weggebrochen ist. Die Geschäfte waren zu und dementsprechend haben wir dann umstellen müssen. Allerdings gab es mehr Arbeit im politischen Ressort und auch mehr Arbeit im Online-Ressort und dementsprechend haben wir versucht uns aufzustellen. Und durch die wirtschaftlichen Zwänge haben wir sehr früh, nämlich direkt nachdem ich aus Usbekistan zurückkam, wo Corona uns überrascht hat - ich war auf einer Leserreise des GrenzEchos dabei und wir hatten Glück, dass wir überhaupt zurückgekommen sind mit Aeroflot, weil unser Flugzeug schon gecancelt wurde - und dann haben wir uns an dem Tag, an dem ich zurückgekommen bin, zusammengesetzt und entschieden, dass wir auf 50 Prozent Kurzarbeit gehen. Und da haben wir sehr hart kämpfen müssen, um während 18 Monaten, womit niemand gerechnet hat, jeden Tag eine Zeitung zu produzieren, die in der Berichterstattung praktisch das gleiche Volumen hatte wie vorher.
Und es geht ja auch darum, eine qualitative Arbeit abzuliefern. Corona hat aber gerade dazu geführt, dass die Arbeit sehr kritisch beäugt wurde ...
Ich denke, wir haben als GrenzEcho tatsächlich unsere Rolle gespielt und haben dafür auch die eine oder andere Anfeindung zum Glück aus beiden Lagern, also denen, die die Maßnahmen so ergriffen haben, wie sie dann auch von den Regierungen vorgeschlagen wurden oder durchgesetzt wurden, und anderen, die das sehr kritisch begleitet haben, haben wir Kritik bekommen und ich empfinde das als ein positives Zeichen. Für mich ist es wichtig, dass wir als Journalisten die notwendige Unabhängigkeit und Distanz bewahren. Und Distanz bewahren heißt auch Distanz bewahren demgegenüber, mit dem man eigentlich solidarisch sein soll, weil es wichtige Maßnahmen sind. Aber das kann kein Persilschein für die Regierungen sein. Und dementsprechend habe ich auch den einen oder anderen kritischen Kommentar veröffentlicht, was nicht immer gut ankam. Aber ich stehe nach wie vor dazu, dass wir jetzt auch in der Ukraine-Krise als Journalisten 360 Grad kritisch sein müssen und nicht nur 180 Grad.
Nun braucht es nicht große Krisen wie Corona, um festzustellen, dass die Medienwelt im Umbruch ist. Das betrifft ganz sicher eine Tageszeitung wie das GrenzEcho.
Ja, das GrenzEcho ist von diesen Umwälzungen betroffen, die schon seit Jahrzehnten so gehen. Man kann sagen, praktisch mit der Schaffung des Internets fing das an, obschon man das viele Jahre lang ignoriert hat. Und es war ja auch nicht so kritisch während dieser Zeit. Aber wenn es Zeitungen gibt, die diesen Trend überstehen werden und die eine Chance haben, in die Zukunft geführt zu werden, dann sind das in meinen Augen die großen überregionalen Blätter wie eine Süddeutsche oder eine FAZ und die Lokalzeitungen oder Regionalzeitungen wie das GrenzEcho. Und das sieht man ja auch, wenn man sich die Zahlen anschaut. Ich nehme als Negativbeispiel, sorry für die Kollegen auf der anderen Seite der Grenze: die Aachener Nachrichten/Aachener Zeitung, die über Jahre Einbrüche von fünf bis zehn oder sogar mehr Prozent in ihren Verkäufen verzeichnet haben. Auch weil sie sich nicht entscheiden konnten, eine Lokal-/Regionalzeitung zu werden, sondern irgendwo dazwischen gehangen haben. Unser Mehrwert als Journalisten oder als Zeitung liegt aber darin, dass wir Themen aufarbeiten, die niemand sonst aufarbeiten würde. Außer jetzt natürlich der Belgische Rundfunk in unserem Gebiet. Aber wir haben eine Hoheit hier und es ist wichtig für die Menschen zu sehen, was in ihrer Region passiert. Und da sind unsere Journalisten vor Ort und schauen sich die Gemeinderatssitzungen an: Was passiert in den Ortschaften, was passiert im Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft, insgesamt in der DG? Und natürlich das, was Aufgabe des GrenzEchos seit seiner Gründung ist, nämlich den Menschen Belgien und seine Politik näherbringen.
Sie sind Teil der größeren Rossel-Gruppe. Wie sehen Sie das GrenzEcho innerhalb dieser Gruppe?
Also Rossel stieg ja, so ungefähr um die Zeit, als ich hier angekommen bin, zu 75 Prozent beim GrenzEcho ein, übernahm also die Mehrheit der Anteile. 25 Prozent sind immer noch in den Händen der Familie Thommessen. Und diese lokale Verankerung ist auch sehr gut. Aber in viereinhalb Jahren habe ich von Rossel nicht eine einzige Anweisung bekommen zu dem, was ich zu tun oder zu lassen hätte. Das betrifft nicht nur mich, das betrifft die ganze Redaktion. Also diese Unabhängigkeit der redaktionellen Arbeit wurde von den Leuten, die ja auch über "Le Soir" groß geworden sind - und "Le Soir" ist eine unabhängige Tageszeitung in Belgien, die auch sehr geschätzt wird - respektiert. Innerhalb der Gruppe Rossel sind wir so ein bisschen aufgestellt wie AB InBev, diese Brauerei-Gruppe. Das heißt, es gibt eine große Gruppe, die die Stärke der Gruppe repräsentiert, aber auf der anderen Seite gibt es lokale Biere oder lokale Zeitungen. Man respektiert also bei Rossel die Eigenheiten, die jede Zeitung eben hat und die ja auch von den Lesern geschätzt werden. Und deshalb muss ich sagen, sind wir in der Rossel-Gruppe sehr gut aufgestellt in dieser Hinsicht. Und wir haben die Freiheiten, die wir brauchen. Und wir haben auf der anderen Seite die finanzielle Unterstützung. Wobei man klipp und klar sagen muss, und das ist ja auch schon gesagt worden, dass Lokalzeitungen in einem Gebiet wie dem deutschsprachigen Gebiet, das ja doch sehr begrenzt ist in Sachen Leserschaft, ohne öffentliche Unterstützung denke ich nicht machbar sind.
Sie sind jetzt 65, im Ruhestands-Alter. Wohl niemand kann sich Oswald Schröder im Ruhestand vorstellen. Was haben Sie sich vorgenommen für die nächsten Jahre?
Ich tu mich auch schwer, mich mir selbst im Ruhestand vorzustellen. Ich weiß noch nicht ganz genau, was ich machen werde. Ich habe die Intention, das eine oder andere Buch zu schreiben. Und manche von diesen Büchern liegen tatsächlich auch schon seit zehn oder zwölf Jahren in der Vorbereitung auf dem Tisch. Ich habe da immer schon dran gearbeitet, fand aber nie die Zeit, bestimmte Dinge eben auszuarbeiten. Auf der anderen Seite habe ich auch jetzt schon ein paar Angebote auf dem Tisch liegen für Dinge, die ich machen könnte oder machen sollte. Da gibt es ganz spannende Sachen. Das reicht von von einer TV-Serie zum Rallye-Sport in den 80er Jahren, mit der Gruppe B damals, bis zu Geschichten über Technologie und Innovation, wo ein Kollege aus Patentamtszeiten aus Köln, also eine Firma aus Köln, schon an mich herangetreten ist. Und da gibt es noch ein paar andere Ideen. Aber ich will das jetzt erst mal sacken lassen. Ich brauche ein bisschen Zeit, um mich von dieser doch sehr anstrengenden Zeit während Corona und jetzt auch während der Ukraine-Krise zu erholen. Und dann schauen wir mal!
Aber Ihren Lebensmittelpunkt verlagern Sie wieder weg aus Ostbelgien.
Wir haben in München eine Wohnung, die wir schon seit 2005 haben, und dort sind auch meine Kinder geboren und groß geworden. Meine Frau macht Trachtenmode und Trachtenmode in Aachen oder in Ostbelgien ist ein bisschen schwer vorstellbar. Also unser Lebensmittelpunkt ist tatsächlich München geworden. Ich bin jetzt in den letzten zwei Jahren regelmäßig dorthin gependelt, weil meine Familie jetzt wieder dort lebt und dementsprechend werde ich nach München zurückgehen. Aber ich werde schon regelmäßig wieder nach Ostbelgien kommen.
Und ganz werden Sie sich auch nicht vom Grenz Echo verabschieden.
Nein. Also ich werde Ostbelgien schon in einer gewissen Form verbunden bleiben. Ich werde schon den einen oder anderen Beitrag regelmäßig anliefern für das GrenzEcho. Und es gibt auch eine Idee eines Buches zu einem Ereignis, das diese Region oder die Stadt Eupen im letzten Jahr doch sehr stark heimgesucht hat.
Sie sprechen da von der Flut von Juli 2021 ...
Genau. Es geht um die Flutkatastrophe, wo das GrenzEcho ja auch sehr ausführlich und sehr kritisch zu berichtet hat. Und da liegt eine Idee auf dem Tisch, das in Buchformat zu verpacken.
Christian Schmitz übernimmt
Schröders Nachfolger als Chefredakteur ist ab dem 1. September Christian Schmitz, der schon seit 2003 beim GrenzEcho tätig ist, zuerst als freier Mitarbeiter, aber auch schon viele Jahre als fester Redakteur. Zuletzt war der 43-Jährige innerhalb der Redaktion Chef vom Dienst und Stellverteter von Oswald Schröder.
Stephan Pesch