Gebäude, Straßen, Kanäle, Brunnen und Parks - die Liste der zerstörten Infrastruktur in Eupen ist lang. Allein acht Brücken wurden durch das Hochwasser beschädigt. Einiges ist wiederhergestellt oder provisorisch bearbeitet, anderes muss noch repariert oder komplett erneuert werden. Bei vielen Projekten laufen erst die Planungen oder Ausschreibungen.
Die Malmedyer Straße wurde notdürftig repariert, um den Zugang zum Kabelwerk zu ermöglichen. Doch die Arbeiten im Untergrund mit der Erneuerung der Kanalisation stehen noch an.
Die meisten Häuser in der Malmedyer Straße sind noch unbewohnbar. Einige wurden verkauft. Nur wenige Bewohner sind zurückgekehrt - unter ihnen Familie Nols. Auch ihr Haus war durch die Flut verwüstet worden. Fast ein Jahr hat es gedauert, bis David und Véronique mit ihren beiden Kindern einziehen konnten.
Viel Arbeit und langes Warten liegen hinter ihnen. "Immer wieder durchlüften, jeden Tag. Wir haben vier Monate nichts anderes getan als 'Fenster auf, Heizung an, Fenster wieder zu'. In der Zeit hat mein Mann die Elektrik komplett neu gemacht. Das waren die ersten Monate: Warten aufs Trocknen", erklärt Véronique Mathie.
Von Anfang an hatten sie viel Unterstützung, und auch in den Monaten nach der Katastrophe konnten sie auf Helfer zählen. "Es waren immer Leute da, die helfen wollten. Wir mussten nur fragen: Könnt ihr kommen? Dann wurde gesagt: Wann sollen wir wo sein? Das war schon wirklich toll." Es ist fast alles wieder instandgesetzt. Einige Lieferungen stehen noch aus, wie der Küchenherd, und einige Arbeiten stehen noch an. Zum Beispiel im Flur, und auch die Treppe ist noch nicht fertig.
Ärger gibt es noch mit der Versicherung. Rund 20 Prozent der Schadenssumme ist bislang nicht erstattet worden, wie Véronique Mathie sagt. "Das ist wirklich sehr nervenaufreibend und sehr anstrengend. Da muss man am Ball bleiben und sagen: Das ist mir egal - die Summe will ich haben. Da beißt man teilweise auf Granit. Dann wird bei der Tür Geld abgezogen, weil die noch okay ist. Bei einer Metallplatte, die man unbedingt ersetzen muss, weil man sonst ein Loch im Trottoir hat, heißt es: 500 Euro reichen - ist aber leider nicht so. Und so ist das bei ganz vielen Dingen. Das ist sehr anstrengend."
So auch der Kampf mit den Behörden. Von keinen guten Erfahrungen berichtet die Familie mit der Stadt Eupen. "Uns wurde anfangs immer gesagt: Wir helfen, wo wir können. Wenn man dann Sachen gefragt hat, kam keine Antwort oder, wie man so schön sagt, eine dumme Antwort", sagt David Nols.
"Es wurde ganz schnell an alle Haustüren geheftet, dass die Häuser nicht bewohnbar sind. Das war das erste, was wir von der Stadt gesehen haben, und dann ganz lange Zeit gar nichts. Von der Stadt sind Spendengelder verwaltet worden, was sich anfangs super anhörte - 'es wird nicht groß kontrolliert, das muss jetzt schnell gehen, die Leute brauchen Geld'. Das war aber schnell vorbei und es wurde doch akribisch kontrolliert, deshalb dauerte alles viel länger."
"Irgendwann bekam man Bescheid, dass man doch noch etwas bekommen könnte, was aber auch nicht so funktionierte, weil man dann komischerweise zu viel verdiente - obwohl man eigentlich ein ganz normales Einkommen hat und das Einkommen auch egal sein sollte. Man hat einen Schaden, den man belegen kann. Da ist es eigentlich egal, was man verdient, das kann nämlich keiner verdienen, was man da braucht. Nicht auf diese Zeit."
Über solche Erfahrungen klagen auch Menschen aus der Nachbarschaft. Die Betroffenen haben sich über die sozialen Medien zusammengeschlossen, um sich auszutauschen und gemeinsam ihre Probleme anzugehen. "Mit der Gruppe zusammen haben wir zum Beispiel auch ein Gespräch mit der Bürgermeisterin gesucht. Das wurde aber dankend abgelehnt - nach dem Motto: Das wäre nicht nötig. Für sie vielleicht nicht, für uns wäre es aber schön gewesen", sagt David Nols.
Trotz der Probleme ist Familie Nols glücklich, wieder zu Hause zu sein und Normalität zu spüren. Auch beruflich. David Nols arbeitet im nahe gelegenen Kabelwerk als Elektriker. Er ist einer von 850 Beschäftigten, die ihrer Arbeit wieder nachgehen können.
Kabelwerk auf dem Weg zur Normalität
Nach der Zwangspause durch die Hochwasserkatastrophe und Kurzarbeit herrscht fast wieder Vollbeschäftigung im Kabelwerk. "Ende August, Anfang September hoffen wir auf 100 Prozent Beschäftigung zu sein. Wir stellen auch wieder Leute ein, weil Leute in Pension gegangen sind. Im Corona-Jahr und im Überschwemmungs-Jahr haben Leute ganz normal ihre Karriere beendet. Und die werden wir ersetzen", erklärt Hermann-Josef Bernrath, der Generalsekretär des Kabelwerks.
Und auch die Produktion dreht wieder - zu rund 60 Prozent. Nach den Betriebsferien hofft das Kabelwerk 80 Prozent seines alten Umsatzes zu erreichen und an die gute Auftragslage vor der Katastrophe anknüpfen zu können. Dass man das schaffen würde, hätte vor einem Jahr niemand gedacht.
Das Hochwasser hatte den gesamten Betrieb so schwer verwüstet, dass man sich einen Neuanfang am selben Standort nur schwer vorstellen konnte. "Ich bin an dem Morgen über Umwege hierher gekommen, weil man ja nicht über die Weser kam", erinnert sich Hermann-Josef Bernrath. "Ich habe mir das Ganze hier angeschaut und zum Senior-Kollegen gesagt: Das wird nichts mehr."
"Aber dann doch, wie man halt verfährt: Es hilft nichts, zu jammern, und warten auch nicht. Also haben wir angefangen, das ganze Ding aufzuräumen. So ging es Schritt für Schritt weiter. Wir haben aufgeräumt, die Leute kamen dazu. So sind wir vorangekommen."
Durch viel Handarbeit und Engagement der eigenen Mitarbeiter habe man es geschafft, den alten Maschinenpark aufrechtzuerhalten, ohne neue Maschinen kaufen zu müssen. "Das heißt: Auseinander montieren, zusammen montieren, Motoren ersetzen oder reinigen, Elektronik instandsetzen, Teile ersetzen - alles mit unserem Maschinenpark und unseren Leuten."
"Wir haben einen Handwerkerstab, der die Anlagen sehr gut kennt und direkt weiß, wo er anpacken kann. Als das Hochwasser drohte, ist ein Kollege hergekommen und hat seine Platine ausgebaut und mitgenommen, dass er sie nur ja nicht verlor. Die haben wir dann später wieder einbauen können."
Die Instandsetzung brauchte Zeit. Lieferverträge konnten nicht fristgerecht eingehalten werden. Die Kunden und die Aufträge nicht zu verlieren, war eine Herausforderung. "Das haben wir alles aussetzen müssen mit 'höherer Gewalt', so hat man juristisch die Möglichkeit, einen Vertrag auszusetzen", erklärt Hermann-Josef Bernrath.
"Wir haben dann neu verhandelt: Ab wann können wir dir liefern, was können wir liefern. Und das läuft jetzt auch wieder an. Da stehen wir in Kontakt mit der Kundschaft und teilweise auch unter Druck. Der Markt ist enorm aufnahmefähig, also wir haben eine sehr hohe Nachfrage - voriges Jahr und dieses Jahr auch. Das ist ein Glück für uns für den Start."
Die meisten Gebäude des Kabelwerks sind stabil geblieben. Eine Mauer wurde durch die Wassermassen zu Fall gebracht. Sie ist mittlerweile aufgebaut. Gebannt ist die Hochwassergefahr für die Zukunft nicht. Fachleute raten zu Schutzmaßnahmen, die es noch zu erarbeiten gilt. "Der Platz bleibt schwierig in der Unterstadt, aber das sind keine Anlagen die man auf einen Wagen setzt und wegfährt. Das sind große Installationen, das kann man von heute auf morgen gar nicht anders gestalten als es heute ist", so Hermann-Josef Bernrath.
Ein Jahr nach der Hochwasserkatastrophe zeigen die Verantwortlichen erst einmal Erleichterung. "Rückblickend sind wir zufrieden mit dem, was wir geschafft haben. Man hätte immer mehr schaffen können, aber ich glaube, wir sind gut unterwegs verglichen zu anderen Bereichen. Der Markt ist da. Also eigentlich sind wir zufrieden - und zuversichtlich."
mb/km