"Auf das echte Leben vorbereiten" nennt die Regierung etwas hochtrabend ihr Konzept zu einer strukturierten und besser abgestimmten beruflichen Orientierung, denn, so Ministerin Isabelle Weykmans, "die Zutaten für ein sehr gutes Berufswahlkonzept waren da, aber die Mischung hat nicht gestimmt und das Ergebnis hat nicht geschmeckt".
Unter Einbeziehung von Vertretern aus allen betroffenen Einrichtungen hat die Regierung die Soße neu angerührt - mit einem schlüssigeren Rezept. "Was wir vorhaben, ist eine Strukturierung, eine Erweiterung und auch eine Anpassung aller bestehenden Angebote, sodass ihre Sichtbarkeit, ihre Verfügbarkeit und auch ihre Einschätzung keine Frage der Kommunikation oder des individuellen Einsatzes einiger weniger begeisterter Lehrer oder Schulen bleiben muss", so Weykmans. "Die Reform der Berufsorientierung verläuft an dieser Stelle auch parallel mit der Reform des Arbeitsamtes, das zum Referenzzentrum für die Berufsorientierung in Ostbelgien ausgebaut werden soll."
Für Vivant hielt Alain Mertes das Konzept für breit angelegt und gut strukturiert, aber auch theoretisch. Darum zitierte er aus eigenen Lebenserfahrungen. "Es geht also in erster Linie um das, was in jedem Menschen steckt, freizulegen und das in Verbindung mit den beruflichen bzw. schulischen Möglichkeiten zu bringen. Ob dies mit diesem Konzept gelingen wird, das hängt am Ende natürlich auch davon ab, mit welcher Haltung die Menschen, die diese Berufsorientierung leisten, also eigentlich die Eltern, die Lehrer, die Erzieher, die Pädagogen und wahrscheinlich noch viele andere, aber auch wir Politiker an diese Sache herangehen."
Als Lehrerin am RSI wusste auch die SP-Abgeordnete Kirsten Neycken-Bartholemy, wovon sie sprach. "Ich kann nur denen beipflichten, die eine frühe Berufswahlvorbereitung fordern und wir fordern, dass diese noch früher beginnt als laut der Regierungsmitteilung vorgesehen. Je früher Kinder sich mit der Frage auseinandersetzen, desto besser kann die berufliche Orientierung gelingen. Und auch aus pädagogischer Sicht ist es sicher nicht verkehrt, wenn Kinder schon über das Berufsleben Bescheid wissen. Denn Kinder brauchen Konkretes."
Für Ecolo gab Freddy Mockel einer gewissen Skepsis Ausdruck. "Für mich ist in diesem Konzept bis heute nur klar umrissen, was unsere Schulen in welchem Zeitrahmen auf die Kette kriegen müssen. Wenn aber noch nicht wirklich klar und deutlich ist, ob und wie die Unterstützung von außen erfolgen wird und ob auch alle Partner genügend liefern, dann riskiert man, dass an den Schulen in einem engen Zeitrahmen umsonst gestresst und geplant werden musste."
Bei ProDG nutzten Lisa Göbbels und Kathy Elsen das Thema zu ihren ersten Redebeiträgen überhaupt im PDG-Plenum. "Unabhängig von der Schule oder vom guten Willen einzelner Lehrpersonen wird hoffentlich jeder Jugendliche zukünftig systematisch an die Berufswelt herangeführt", sagte Kathy Elsen.
"Diese Chance, die eine einheitliche Berufsorientierung bietet, muss für alle jungen Ostbelgier und Ostbelgierinnen gelten", findet Lisa Göbbels. "Wenn wir im Bildungssystem also Fortschritte in Richtung Inklusion und Orientierung verbuchen, darf auch die Arbeitswelt nicht ruhen, um eine wahrlich inklusive Gesellschaft zu schaffen."
Bei so viel persönlichem Erfahrungswissen wollte Gregor Freches von der PFF als Unternehmer nicht zurückstehen. "Durch das Sammeln von individuellen Erfahrungen und Begegnungen baut sich jeder Mensch seinen eigenen Weg auf. Und dort gehört eine Orientierung auch über die Zeit der Schule hinaus dazu. Indem wir jedem Einzelnen helfen, sein berufliches Potenzial zu erreichen, werden wir der Wirtschaft zu mehr Effizienz und zu mehr Balance verhelfen und die Gesellschaft zu mehr sozialer Gerechtigkeit führen."
Begleitete Selbstreflexion, ein eigenes Schülerportfolio, gemeinsame Betriebserkundungen, verpflichtende Praktika und Hospitationen - der CSP-Abgeordnete Robert Nelles konnte als früherer Direktor des Arbeitsamtes diesen Handlungsansätzen einiges abgewinnen. Losgehen soll es schon im nächsten und übernächsten Schuljahr. "Die Regierung hat einen ehrgeizigen Fahrplan zur Einsetzung dieser fünf Arbeitspakete erstellt und dies ist auch richtig so! Wir haben keine Zeit zu verlieren. Die CSP steht diesem Konzept sehr offen und aufgeschlossen gegenüber und hofft, dass den vielen Worten auch möglichst schnell die Taten folgen und dass am Ende die Mischung stimmt und das Ergebnis schmeckt."
Stephan Pesch