Herbert Grommes und seine Neue Bürgerallianz hatten sich im Wahlkampf und nach erfolgtem Wahlsieg mit 13 von 21 Sitzen viel vorgenommen: Rund 500 Ideen und Projekte waren es.
Mehr als 300 der Ideen sieht der Bürgermeister zur Hälfte der Legislaturperiode schon umgesetzt oder in Angriff genommen, "beispielsweise im Bereich der Verbesserung der Straßen, ein wichtiges Element, dann zum Beispiel die Verbesserung der Internetqualität in fünf, sechs, sieben Ortschaften im Ourtal oder die Verbesserung der Sauberkeit und des Wohlbefindens in der Gemeinde, Bauland für junge Leute, Investitionen in die Gemeinde- und Dorfschulen, wo Emmels jetzt ansteht".
Ideenlosigkeit
Zählt nicht, wirft die Opposition ein, die auf mehr Beteiligung der Bürger pocht und der Mehrheit gerade "Ideenlosigkeit" und reine Verwaltungshaushalte vorwirft: "Also wenn man mit 500 Ideen prahlt, dann sollten in den Haushalten auch unzählige neue Posten zu finden sein und das ist momentan nicht der Fall", so Oppositionsmitglied Erik Solheid. "Deshalb sprechen wir in den Haushaltsdebatten von Verwaltungshaushalten ohne Stempel der jetzigen Mehrheit."
"Wir sehen, dass die Mehrzahl der Projekte, die der Bürgermeister gerade aufgesagt hat, aus dem laufenden Programm stammen, schon von der vorherigen Mehrheit, die jetzt eigentlich nur vollzogen werden", so Gregor Freches von der Liste Freches. "Und wenn man dann Straßenbauprojekte dazu zählt, das sind für mich Projekte, die gehören ganz einfach zum Kerngeschäft der Gemeinde und wir sehen da ganz andere Zielsetzungen."
Gregor Freches und Erik Solheid kamen bei den Wahlen 2018 mit ihren Listen auf jeweils vier Sitze im Stadtrat. Das hält sie, aber auch die anderen Mitglieder ihrer Fraktionen nicht davon ab, den Finger da, wo es ihnen nötig erscheint, in die Wunde zu legen und zum Teil auch grundsätzliche Diskussionen zu entfachen.
Windpark bei Emmels
Das kann unter Umständen sehr lange dauern oder aber auch dazu führen, dass die Opposition geschlossen den Saal verlässt - wie im Sommer 2020, als es um die Erweiterung des Windparks bei Emmels ging: "Also bei der Erweiterung des Windpark Emmels führt einfach kein Weg an einer angemessenen Gemeinde- und Bürgerbeteiligung vorbei", findet Solheid. "Im Moment laufen ja die Verhandlungen und wir als Opposition bekommen da überhaupt keine Informationen über eventuelle Zwischenergebnisse oder weitere Informationen."
"Vieles hängt ja auch von der Wirtschaftlichkeit des Windparks selber ab. Und da müsste man mit transparenten Zahlen auch dem Bürger gegenüber gegenüberstehen und sehen, was für eine Rendite erzielen könnte, wenn die 24,99 Prozent auch von den Bürgern gehalten werden könnten", ergänzt Freches. "Ich denke, wir haben Beispiele in Ostbelgien und in den Nachbargemeinden. Schaue ich nach Weismes, da kann ich ein gutes Beispiel sehen, wie Bürgernähe in einem Windpark funktionieren kann."
Herbert Grommes und seine Schöffen lassen sich davon nicht beeindrucken: "Wo gibt es ein Windparkprojekt, das von privaten Betreiber auf die Beine gestellt wird und wo die öffentliche Hand dann sehr viel Kapital hält? Ich nenne es jetzt mal die öffentliche Hand im weitesten Sinne des Wortes. Das gibt es in der Wallonie eigentlich so in der Form noch nicht. Und wir werden ja sehen, was die Verhandlungen bringen."
"Lebendige Gemeindepolitik"
Aber nicht nur in Energiefragen scheint das Klima im St. Vither Stadtrat für außenstehende Beobachter, von denen sich immer auch ein paar zu den Stadtratssitzungen verlieren, angespannt. Die Protagonisten sehen das nach eigenen Worten entspannt und locker: "Ich denke, das Klima ist gut", findet Freches. "Wir sind als Oppositionspartei angetreten, um konstruktive Opposition zu betreiben, keine destruktive. Und wir versuchen ja auch mit unseren Ansätzen die Idee in den Stadtrat zu bringen - auf Augenhöhe. Das bemängele ich etwas, denn wir haben viele Ideen eingebracht. Die sind leider nicht gehört worden."
"Es muss ja nicht alles, was gut ist, exklusiv von der Mehrheit kommen. Das wäre ganz töricht. Wir müssen schon immer offen sein, aber was die Umsetzung angeht, ist es ja auch nicht immer so einfach", entgegnet Herbert Grommes.
"Es gibt verschiedene Standpunkte, die dann auch engagiert vertreten werden und das generiert eine lebendige Gemeindepolitik. Das gab es schon lange Zeit nicht mehr in St. Vith und das ist auch gut so, dass das wieder zurückkommt", so die Meinung von Erik Solheid. "Der politische Diskurs ist zurück im Stadtrat. Das trägt auch zu Transparenz gegenüber dem Bürger bei. Und ich würde sagen, das ist auch ein Mittel gegen diese Politikverdrossenheit, von der man oft spricht."
Stephan Pesch