Crystal Meth kannte Alexander Gutsfeld bis vor einem halben Jahr nur aus seiner amerikanischen Lieblingsserie "Breaking Bad". Jetzt weiß er, dass die Droge auch im Dreiländereck zwischen Belgien, Deutschland und den Niederlanden eine große Rolle spielt. Offiziell heißt sie Methamphetamin und ist nach Gras die weltweit am meisten konsumierte Droge.
"Die Droge gehört zur Gruppe der Stimulanzien. Sie ist extrem aufputschend, macht wach, ist leistungssteigernd und macht unglaublich abhängig. Sie gehört neben Crack und Heroin zu den gefährlichsten Drogen der Welt. Ein körperlicher und seelischer Verfall geht mit dieser Droge einher", erklärt Alexander Gutsfeld.
Möglichst nah ran kommen wollte Gutsfeld an die Drogenszene, um herauszufinden, ob es auch im Dreiländereck Menschen gibt, die Crystal Meth kochen und verbreiten. "Während meiner Recherche ist in Nederweert in Holland an der Grenze zu Deutschland das größte Meth-Labor entdeckt worden, das je in Europa entdeckt wurde. Da bin ich hingegangen und habe mir das genauer angeschaut und habe versucht herauszufinden, wer diese Menschen sind, die Meth kochen."
Drogenproduktion ins Dreiländereck verlagert
Alexander Gutsfeld hat die Produzenten und die Dealer getroffen. So war er zu Besuch bei einem holländischen Gangsterpaar und einem tschechischen Meth-Koch. Bislang galt das deutsch-tschechische Grenzgebiet als Meth-Hochburg. Doch mittlerweile hat sich die Drogenproduktion ins Dreiländereck verlagert, so das Ergebnis der Recherchen von Alexander Gutsfeld. So hat sich 2019 die Menge des Crystals, das nach Nordrhein-Westfalen kommt, in nur einem Jahr versechsfacht.
Niederländische Drogenbanden breiten sich immer mehr nach Belgien aus. "In Belgien, vor allem in Limburg, wurde schon immer Ecstasy und Speed gekocht. Wer die Serie 'Undercover' kennt, weiß es. Jetzt breiten sich niederländische Drogenbanden in Belgien aus, um dort Crystal Meth zu kochen. Dort wurden auch schon Meth-Labore entdeckt. Antwerpen ist der Hafen, in dem am meisten Drogen landen, vor allem Kokain, aber auch andere Drogen wie Crystal Meth, und die gehen direkt weiter nach Holland."
Die Niederlande seien mittlerweile der Hotspot für Drogen. "Dort haben Drogenbanden über Jahrzehnte ungestört agieren können. Inzwischen ist Holland der Drogen-Hotspot in Europa." Ein warnendes Beispiel, was passieren kann, wenn sich Politik und Gesellschaft nicht um das Drogenproblem kümmern, so Alexander Gutsfeld.
"Narkostaat"
Die Niederlande würden von Experten bereits als ein Narkostaat bezeichnet. "Also als ein Staat, in dem Drogenökonomie und Drogenbanden großen Einfluss haben und brutal agieren. Es ist zwar nicht vergleichbar mit Mexiko und anderen lateinamerikanischen Staaten. Der Staat funktioniert noch, aber die Drogenbanden sind zu mächtig."
Für Journalisten bedeutet das: Wer in der Szene recherchieren will, lebt gefährlich. Das zeigt auch das Beispiel des investigativen Journalisten Peter de Vries, der im Juli 2021 auf offener Straße niedergeschossen wurde. "Relativ am Anfang meiner Recherche ist Peter de Vries getötet worden, der größte Crime-Reporter der Niederlande. Er war mit organisierter Kriminalität beschäftigt. In Deutschland ist das noch nicht so gefährlich, wenn man Vorsichtsmaßnahmen beachtet."
Nach einem halben Jahr Recherche ist Alexander Gutsfeld überzeugt: Crystal Meth wird sich in Europa noch weiter ausbreiten. Die Grenzregion spielt dabei eine bedeutende Rolle. "Meine These ist: Das Dreiländereck mit Belgien, NRW und den Niederlanden wird zu einem Ort, in dem sich holländische Drogenbanden ausbreiten und dort Drogen kochen."
Wie er zu dieser Erkenntnis kommt, schildert Alexander Gutsfeld in fünf Folgen seiner Podcast-Reihe "Narcoland", die er für die Aachener Zeitung und die Aachener Nachrichten produziert hat. Seit dem 27. Januar gibt es sie auch überall dort, wo es Podcasts gibt - jede Woche eine neue Folge.
Michaela Brück