Dass so ein Mehrheitswechsel Spuren hinterlässt, ist auch nach drei Jahren nicht verwunderlich. Wobei alles eine Frage der Perspektive ist. "Jeder hat sich in die neue Rolle eingefunden, manchmal besser, manchmal weniger gut." Lontzens neuer Bürgermeister Patrick Thevissen spielt explizit auf sein politisches Gegenüber Roger Franssen an, der immerhin 24 Jahre lang die Mehrheit im Gemeinderat maßgeblich mitbestimmt hatte.
"Selbstverständlich war das am Anfang nicht sehr einfach. Wir haben aber Impulse setzen können im Gemeinderat in diesen ersten drei Jahren. Wir haben der Mehrheit auf die Finger geschaut, mehrmals Projekte eingereicht und sind da oft mehr als Beobachter aktiv."
Streitpunkt Schule Herbesthal
Als "Beobachter" mit Einwänden. Wenn es etwa um den geplanten Neubau der Schule in Herbesthal geht. Mit Blick auf das Ausmaß und den geschätzten Kostenrahmen von elf Millionen Euro benutzte Roger Franssen im Gemeinderat das Prädikat 'pharaonisch'. "Wenn Sie ein Haus haben und umbauen wollen, dann gucken Sie: Was kostet mehr? Was ist besser, ein Umbau, ein Neubau, ein Anbau, eine Kombination von allem? Die Mehrheit hat mit subjektiven Argumenten beschlossen, das Beste und Einzige wäre der vollständige Neubau. Wir sind der Meinung dass es Alternativen gibt."
Aus Sicht von Bürgermeister Thevissen handelt es sich um ein Rückzugsgefecht der Opposition. "Herr Franssen geht immer in die exzessive Millionenschleuder, aber momentan stehen wir genau da, dass ein Lastenheft gemacht und ein Budget festgelegt worden ist. Jetzt wird geschaut, wie man das in das Budget reinbekommt."
"Wenn man statt elf Millionen Euro in die Schule Herbesthal vielleicht nur sieben Millionen Euro investieren würde, wäre auch mehr Spielraum da, zum Beispiel für einen Um-, An- oder sogar Neubau des Bauhofs oder für die Schule in Lontzen", so Roger Franssen.
Schon im Wahlkampf 2024?
Auf diesem Niveau kreuzen die beiden schlagfertigen Juristen nicht nur im Lontzener Gemeinderat die Klingen, sondern auch zur Halbzeitbilanz im BRF-Studio. Fast hätten sie am Ende sogar einen gemeinsamen Nenner gefunden. "In manchen Projekten sind wir uns einig", findet Patrick Thevissen.
"Wir werden selbstverständlich vieles gemeinsam tragen, selbstverständlich, aber ich sage es nochmal: Die Gemeinde verdient mehr Motivation, mehr Nähe, mehr Begeisterung, mehr Herzblut, auch mehr Zeit - eine Gemeinde zu führen, das kostet Zeit - mehr Dynamik und vielleicht etwas weniger Arroganz, Herr Thevissen", sagt Roger Franssen.
"Voilà, der Wahlkampf 2024 hat begonnen", so der Bürgermeister.
Stephan Pesch