Die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses und eine der schärfsten Kritikerinnen von Gesundheitsminister Antonios Antoniadis war zur dritten Haushaltsrunde nicht anwesend. Die CSP-Politikerin Jolyn Huppertz fiel krankheitsbedingt aus, sodass sich an diesem Abend die Konfliktlinie voll und ganz zwischen Vivant und den restlichen Parteien auftat.
Die Oppositionspartei wiederholte ihre bereits mehrfach vorgebrachten Einwände der letzten Monate. Kurz zusammengefasst: Die Impfungen wirken nicht, Politiker wie der deutsche Gesundheitsminister Karl Lauterbach verbreiten Fake News, die Regierung betreibt Massenmanipulation. "Kann es sein, dass der Gamechanger gar kein Gamechanger ist? Dass mit den Impfungen etwas nicht stimmt, dürfte eigentlich jedem klar sein, der den Zickzack-Kurs verfolgt hat", sagte Diana Stiel.
Das sorgte mehrfach für Kopfschütteln, auch bei José Grommes (ProDG). Vivant betreibe ein falsches, da doppeltes Spiel. Im Ausschuss IV hatte der leitende Chefarzt des Eupener Krankenhauses die Lage deutlich erklärt. Auf der Covid-Station waren innerhalb der letzten zwei Monate 70 Prozent der Patienten ungeimpft, auf der Intensivstation gar 85 Prozent. Die Zahlen seien eindeutig, Vivant jedoch immer noch unbelehrbar.
"Warum diskutieren Sie nicht mal, als der Herr Dr. Van Leemput neben Ihnen saß? Da schweigen Sie. Es wird immer nur in der Öffentlichkeit diskutiert", so Grommes. "Hier war die Möglichkeit, ihn mal zu fragen, wie das wirklich ist. Oder ihn mal zu fragen, wir haben es ja gehört: 'Sind tatsächlich Patienten in andere Krankenhäuser ausgeliefert worden, weil wir die Kapazitäten nicht mehr haben?' Da hat kein Mensch nachgefragt. Da war Totenstille. Man will es einfach nicht wahrhaben und man tut so, als wäre das nicht so. Und das finde ich einfach nicht fair."
Fairer, da lösungsorientiert, war die Diskussion in Bezug auf den Fachkräftemangel. Bereits die letzten Tage der Haushaltsdebatte hatten deutlich gemacht, dass das eine der größten Herausforderungen der nächsten Jahre wird. Charles Servaty (SP) machte deutlich, dass nicht nur Ostbelgien unter dem Problem leide. Es gelte, gezielt nach den richtigen Fachkräften zu suchen.
"Die SP-Fraktion ist sich sicher, dass die ausländischen Pflegekräfte in Anbetracht des Fachkräftemangels zur Verbesserung der Situation beitragen können. Dabei präzisiere ich sofort, dass dem Föderalstaat dabei eine Schlüsselrolle zukommt. Je mehr gute Lösungsansätze wir aber vorbringen, desto wahrscheinlicher ist es auch, dass die eine oder andere auf föderaler Ebene umgesetzt wird."
Immer wieder wurde deutlich, wie schwer die Diskussion mancher Themen ist. Mal liegt die Befugnis beim Föderalstaat, mal bei der DG. Und doch hängt das eine fest mit dem andern zusammen. "Viele kleine Zahnräder", fand die Ecolo-Abgeordnete Inga Voss.
Und an einigen müsse noch gedreht werden. Gerade, wenn es um den Fachkräftemangel geht. "Aber auch die wirklich schlechte Bezahlung. Die sogenannte Aufwertung, die die DG für die sozialen und Pflegeberufe vollzogen hat, ist in Teilen ungerecht und zu gering. Das denke ich mir nicht aus - nicht, dass wieder jemand denkt ich spinne hier rum - nein, das sagen die Betroffenen. Was die Betroffenen auch sagen: 'Herr Minister, wir haben Ideen zur Verbesserung'. Das wissen wir."
Insgesamt fünf Stellschrauben präsentiert die Ecolo-Abgeordnete dem Gesundheitsminister symbolisch. Und der konterte mit sechs konkreten Handlungsmöglichkeiten. Dazu gehört an erster Stelle bessere Bezahlung: Das sei schon für die Pflegehelfer geschehen, nicht aber für die Krankenpfleger. Dann braucht es Zuwanderung, wie es sein Kollege Charles Servaty schon angedeutet hatte. Auch die Arbeitsbedingungen müssen verbessert werden.
Antoniadis erinnerte an die verschiedenen Pflichten. "Hier müssen auch die Arbeitgeber, die Träger, auf jeden Fall daran arbeiten, die Lage zu verbessern. Denn es ist nicht normal. Wir können die Löhne so stark anheben wie wir wollen, es ist nicht normal, dass eine Pflegehelferin in Ostbelgien in ihrem Vertrag halbtags drin stehen hat, aber fast durchgehend einen Vollzeitstundenjob leistet. Und so noch nicht mal einen Kredit bei der Bank bekommt."
Darüber hinaus waren die beiden Krankenhäuser der DG Thema. Beide Seiten hätten die immer besser funktionierende Zusammenarbeit bestätigt. Auch soll ein zwei Millionen Euro schweres IT-Konzept den digitalen Austausch noch einmal verstärken.
Schwergewichte unter den Haushaltsposten, dafür aber nur nebensächlich diskutiert, waren Themen wie Familienleistungen. Für Unterstützungen wie das Kindergeld oder ähnliches sind mehr als 40 Millionen Euro vorgesehen. 25 Millionen gehen in den Bereich Senioren, 17 Millionen an die Dienststelle für Selbstbestimmtes Leben.
Donnerstagabend steht die letzte Runde der Haushaltsverhandlungen an. Der Bereich Bildung wird dann im Mittelpunkt stehen, gefolgt von der finalen Diskussion mitsamt Abstimmung.
Andreas Lejeune
Da wird seit Jahren über Mangel an Fachkräften diskutiert und lamentiert. Ohne sichtbare Ergebnisse.
Kleiner Tipp von mir. Mal einen Blick über die Grenzen werfen, wo viele Ostbelgier arbeiten. Da kann man so einiges lernen.
Ich frage mich, ob eine Lösung dieses Problems überhaupt gewollt ist. Schließlich gibt dieses Problem auch einigen Leuten eine Daseinsberechtigung.
Solange wie zwei Millionen Euro für "IT- Konzepte" übrig sind, kann es ja so schlecht nicht gehen. Wann sind denn mal Gelder für "Mitarbeiter- Konzepte" da?
Wie alle lebenswichtigen Dinge, so gehört auch das Gesundheitswesen verstaatlicht. Pflege und Gesundheit als Renditeobjekt führt zu einer ausschliesslich gewinnmaximierten Betrachtungsweise; Pfleger und Krankenschwestern sind darin nur noch "Kostenverursacher".