"Wie läuft die Weser? Ist es stark oder nicht stark? Sind die Vögel noch da? Man wird wirklich bedacht, was man hört", schildert Kerstin Nots ihre Gedanken. Das Hochwasser ist weg - die Angst ist geblieben.
"Was, wenn es wieder kommt?" Ein Gedanke, der bei Nots nicht mehr weggeht - und damit auch die Frage, ob man nicht doch wegziehen soll: "Es ist nicht mehr das Gleiche, nein. Im Hinterköpfchen ist die konstante Frage: Wann kommt es wieder? Wie kommt es wieder? Wird es wieder passieren? Ich habe weder die Kraft noch die Lust, das nochmal durchzustehen."
Bei Regen hat die Tochter Angst
Man merkt Kerstin Nots an: Der Redebedarf ist groß. Denn das Hochwasser ist für viele Betroffene nicht nur eine einfache Geschichte, sondern eine prägende Lebensgeschichte: "Sobald es regnet und meine Tochter zu Hause ist, hat sie Angst. Sie hat Angst, dass die Weser steigt und zu sehen, dass alle machtlos sind gegen die Stärke des Wassers. Das wird sie auch nie vergessen."
Auch wenn die Familie lange auf Gas und warmes Wasser verzichten musste: Klagen über die Umstände wollen sie nicht - ganz einfach, weil es andere viel härter getroffen hat: "Wir haben den Keller voll Wasser gehabt. Was nicht zu retten war, ist natürlich weg", erzählt Nots.
Andere hat es noch schlimmer getroffen
"Aber wenn ich bedenke, dass eine Nachbarin fünf Häuser weiter das komplette Erdgeschoss ein Meter unter Wasser hatte, und wenn ich noch weiter gehe, der Schaden immer größer wird, Freunde und Bekannte gar nichts mehr haben, die alles wegschmeißen mussten - dann habe ich nichts."
Geschichte des Zusammenhalts
Auch wenn fast jeder Haushalt seine eigene Geschichte erzählen kann, gibt es die verbindenden Geschichte des Zusammenhalts. Das hat die Menschen - so wie Kerstin Nots - auch beeindruckt: "Hier wohnen vielleicht Menschen, die wenig besitzen und sich mit wenig zufrieden geben, aber die alle füreinander da sind. Jeder packt überall mit an. Die Gemeinde hält komplett zusammen."
Das Hochwasser hat die Menschen verändert. Doch wie es den Einzelnen wirklich geht, weiß man nie so genau: "Oft denken wir an die, die gar nichts mehr haben. Auch wir schauen, was wir nicht mehr brauchen, um es weiter zu geben", erzählt Nots.
"Davon soll man profitieren und den Stolz auf Seite schieben. Einfach sagen 'Ich brauche die Unterstützung und Hilfe'. Es gibt ja viele Menschen, die ein großes Problem damit haben, zu sagen, dass sie Hilfe nötig haben."
Manuel Zimmermann