Nichtregierungsorganisationen (NGOs) konnten sich als Beobachter für die COP26 akkreditieren. Dazu gehört auch der Verband "E5 - European Business Council for Sustainable Energy and Materials" unter der Leitung eines an der RWTH Aachen ausgebildeten Elektroingenieurs. Auch Geschäftsführerin Britta Waschl ist vor Ort.
Frau Waschl, wie sieht der Konferenzalltag aus?
Wir sind eine Konferenz in Corona-Zeiten: Jeder Tag beginnt erstmal damit, dass man sich testen muss. Also ohne einen Test kommt man gar nicht rein, und dann reist man mit Elektrobussen zum Gelände. Es liegt am River Clyde, im äußersten Westen von Glasgow. Das Gelände ist weiträumig abgesperrt, und man reist ein wie an einem Flughafen: alles wird gescannt, dann ist man erst auf dem Gelände.
Jeden Tag gibt es interessante Veranstaltungen. Die Verhandlungen werden geführt, man trifft sich mit anderen NGOs. Heute habe ich mich mit der deutschen Delegation getroffen, die die Verhandlungen führt. Da versucht man dann, die Verhandlungsführer darin zu bestärken, was wichtige Punkte wären für die Zivilgesellschaft.
Haben Sie denn das Gefühl, dass die Stimme der NGOs auch gehört und respektiert wird?
Auf jeden Fall. In unseren demokratischen Ländern ist das so. Andere Länder sind ja durchaus skeptisch gegenüber ihren NGOs. Wir werden aber ganz aktiv gefragt, und man bemüht sich, dass wir auch als Observer, als Beobachter mal in die Verhandlungen reinschauen können. Das wird hier ganz aktiv gefördert. Auch die Proteste von Fridays for Future oder andere große Proteste werden gehört.
Heute haben sich Nichtregierungsorganisationen beschwert, dass ihre Beobachter unter Verweis auf Corona-Restriktionen gar nicht oder nur eingeschränkt in die Verhandlungsrunde gelassen worden seien. Wie sind da Ihre Erfahrungen?
Ja, das ist so. Besonders wenn die Verhandlungen schwierig werden. Man darf nicht vergessen, dass es ja eine COP ist, eine Conference of the Parties, und die Parties sind die Vertragsstaaten. Das ist ihre Konferenz. Und die dürfen natürlich jederzeit sagen: Wir wollen jetzt mal niemanden dabeihaben. Und gerade heute finden informelle Gespräche statt. Und manchmal gibt es noch informellere, also noch kleinere Gruppen, die sich dann treffen und absprechen. Und dann versucht man sozusagen auch, Knoten zu lösen. Und dabei will sich niemand direkt über die Schulter schauen lassen.
Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg kritisiert die UN-Klimakonferenz als "Blabla". Was sagen Sie zu der Kritik der Leute, die sagen: Da ist viel Gerede, aber wenig Output?
Das ist absolut verständlich, wenn man sich das Ganze betrachtet, wie Greta Thunberg das betrachtet und betrachten muss, und die junge Generation, die ja für eine Jugendbewegung einen ganz erstaunlichen Ansatz hat. Sie sagt ja einfach nur: Hört auf die Wissenschaft. Und die Wissenschaft sagt: Ihr müsst am besten sofort aufhören mit jeglicher fossiler Energie. Die Länder und auch die Unternehmen haben jetzt natürlich die letzten 20, 30 Jahre viel zu wenig getan.
Man weiß es ja in Wahrheit schon lange, dass es so nicht weitergeht. Jetzt müssen die schnell liefern und das geht sehr schwer, wenn man den Unternehmen jetzt sagt "Baut euch jetzt sofort um" und den Ländern sagt "Verzichtet jetzt sofort auf eure guten Industriearbeitsplätze oder auf eure Art der Energieversorgung". Erstmal muss ja jetzt - und das wirklich schnell - eine neue Infrastruktur aufgebaut werden mit 100 Prozent erneuerbarer Energie.
Die Weltklimakonferenz ist mit sehr hohen Erwartungen verbunden, birgt aber auch natürlich die Gefahr von Enttäuschungen. Wie sind Ihre persönlichen Erwartungen?
Es gibt keine Alternative. Die Alternative wäre, sich nicht zu treffen. Und dann kann man ja erst recht nichts schaffen. Auf der Klimakonferenz können internationale Vereinbarungen auf den Weg gebracht werden. Machen müssen es dann aber die Länder und die Unternehmen selbst. Die Klimakonferenz kann das Klimaproblem nicht lösen. Da sind wir, die Industrieländer, in der Pflicht. Also wenn man bedenkt, dass 80 Prozent des CO2-Ausstoßes von nur 100 Unternehmen kommt oder auf Länder heruntergebrochen 80 Prozent des CO2-Ausstoßes von nur 20 Ländern kommt, dann sind es wir, die etwas tun müssen.
Das beinhaltet dann auch, dass wir an unsere eigenen Präferenzen herangehen müssen. Irgendwo an meinem Wohnort wird ein Windrad stehen, irgendwo an meinem Wohnort wird eine Stromtrasse verlaufen. Das sind dann aber verglichen mit dem, was andere Länder auszuhalten haben, relativ bequeme Kleinigkeiten, denn da gehen Inseln unter, Überschwemmungen, Stürme und große Dürren verwüsten Länder, Wassermangel und Hitzewellen machen Regionen unbewohnbar, Tiere sterben aus, die Lebensgrundlage der Menschen wird bedroht. Und diese Menschen sind alle hier auf der Klimakonferenz. Und denen muss man in die Augen schauen.
Michaela Brück