Still ist es auf dem Scheiblerplatz vor dem Viertelhaus Cardijn. Hier in der Hillstraße, wie überall links und rechts der Flussläufe von Weser und Hill, hat die Flut hässliche Spuren hinterlassen. Aus vielen Häusern ist das Leben ausgezogen. Wann die Gebäude saniert werden, ist offen.
Auch Bianca Croé kann nicht mehr im alten Viertelhaus arbeiten. Trotzdem: Gerade jetzt brauchen die Menschen ein offenes Ohr, sagt die Koordinatorin des Viertelhauses. "Ich denke, es ist einfach wichtig, mit den Leuten zu reden. Da gibt es noch immer sehr viel Bedarf, einfach nur zu reden", sagt sie. "Und je öfter man es erzählt, umso besser tut es der Seele."
Seit Anfang September hat das Viertelhaus Cardijn eine neue Bleibe gefunden in der Villa Peters auf dem Campus Monschauer Straße. "Es ist noch ein bisschen schwierig. Man muss ein bisschen um die Ecken gehen: Haupteingang, dann die Treppe hoch und nochmal rum. Es ist noch ein bisschen verwirrend. Aber ich denke, es wird sich mit der Zeit einpendeln, dass die Leute es finden. Es wird sich wieder rumsprechen", glaubt Bianca Croé. "Es kommen auch wieder mehr und mehr. Zum Beispiel heute Morgen habe ich nicht mal den Computer anmachen können. Es war ständig jemand hier, der reden wollte oder Informationen brauchte."
Langsam nimmt das Viertelhaus seine Aktivitäten wieder auf. Hausaufgabenschule, Frauenerzählcafé und Krabbelgruppe. Alle Angebote werden dankend angenommen. "Der erste Stress des Saubermachens und Aufräumens ist vorbei. Aber die psychische Belastung ist gerade noch höher als am Anfang", weiß Bianca Croé. "Die Verarbeitung der Situation kommt erst jetzt. Und man merkt, das Trauma bei den Leuten."
Die Probleme, für die Bianca Croé eine Lösung finden soll, sind ganz konkret: Es geht um administrative Hilfe. Viele Menschen sind nicht versichert und wissen nicht, wie es weiter geht. Außerdem fehlt es an Bautrocknern und Wohnungen. "Gerade alleinstehende Mütter mit Kindern haben es sehr schwer, Wohnungen zu finden - und wenn sie zugezogen sind noch mehr. Das merke ich sehr stark, weil ich viel telefoniere und immer Absagen bekomme. Das ist sehr bedrückend und traurig, dass es so ist. Da bräuchten wir noch mehr Zusammenhalt."
Die Aufgaben sind gewaltig. Das Beispiel Viertelhaus zeigt: Nur durch Zusammenhalt kann die Unterstadt wieder ein lebendiges Viertel werden.
Simonne Doepgen