"Jeder Schüler ist ein Förderschüler". So lautet seit 2009 das Grundprinzip der Förderpädagogik in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, die davon ausgeht, dass jeder Schüler nach seinem Bedarf individuell gefördert wird. Das heißt auch, dass Schüler mit sonderpädagogischem Bedarf nach Möglichkeit in Regelschulen unterrichtet werden. Je nach Beeinträchtigung verlangt das nach Maßnahmen, für die Lehrer, Therapeuten und Pflegefachleute mit einer entsprechenden Ausbildung erforderlich sind. Insider sprechen von "hochschwelliger Förderung".
Aufgabe wird immer komplexer
Geneviève Simonis-Pelzer ist im Ministerium der DG Schulberaterin in Sachen Inklusion und Integration: "Verändert hat sich ziemlich viel in der Förderpädagogik. Das wird immer komplexer: die Vielfalt der Profile bei den Schülern, die Vielfalt der Akteure, die mitarbeiten ..." Nicht zuletzt mache auch die Wissenschaft Fortschritte, würden pädagogische Methoden angepasst: "Das macht unsere Aufgabe immer komplexer."
Zuletzt wurden immer mehr bezuschusste Vertragsarbeitnehmer (wie Krankenpfleger oder Therapeuten) für die hochschwellige Förderung in den Regelschulen eingesetzt. Auch das Stundenkapital wurde immer weiter erhöht. Das ist dann irgendwann nicht mehr tragbar, weil das Geld und vor allem die Leute fehlen. Bildungsministerin Lydia Klinkenberg hat darum mit allen Beteiligten eine Reform angestoßen: "Das Kompetenzzentrum des Zentrums für Förderpädagogik und die Integration werden verschmolzen und angesiedelt bei der künftigen paragemeinschaftlichen Einrichtung."
Unabhängig und pluralistisch
Unabhängig soll sie sein und pluralistisch, die neue Struktur. Denn das Zentrum für Förderpädagogik, das vom Gemeinschaftsunterrichtswesen (GUW) dorthin übertragen wird, soll mit der Pater-Damian-Förderschule zusammenarbeiten, die zum Freien Subventionierten Unterrichtsnetz (FSU) gehört: "Wir bieten dem FSU, also dem freien Träger an, auf Augenhöhe in dieser paragemeinschaftlichen Einrichtung mit dem GUW zusammenzuarbeiten. Das ist aber letztendlich eine Entscheidung des katholischen Trägers."
Der Grundsatzbeschluss für die neue Einrichtung steht jedenfalls fest, so Lydia Klinkenberg: "Es ist so, dass wir gemeinsame Standards definieren und das Qualitätsmanagement in der Förderpädagogik vorantreiben möchten. Wir müssen die Ressoucen bündeln: Wir haben mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen im therapeutischen Bereich aber auch bei den Förderpädagogen." Die Förderpädagogen bleiben wie bisher für die niederschwellige Förderung in den Regelschulen zuständig. Mit dem letzten Sammeldekret erhielten auch Logopäden mit einer Zusatzausbildung die Möglichkeit, dieses Amt zu bekleiden.
Ab dem Schuljahr 2023-2024
Überhaupt sollen die Schulen aller Netze zum einen mehr Flexibilität, zum anderen mehr Planungssicherheit erhalten, indem es zukünftig mehrjährige Kooperationsverträge zwischen ihnen und der neuen paragemeinschaftlichen Einrichtung gibt. Sie ist für die bedarfsgerechte Verteilung von Integrationslehrern und Fachkräften zuständig. Für sie wird es einen einzigen, gedeckelten Topf geben. Ministerin Klinkenberg will aber möglichen Befürchtungen vorgreifen: "Wir wissen auch, dass das jetzt Ängste auslöst bei den verschiedenen Personalmitgliedern. Ich kann aber zur Beruhigung aller sagen, dass niemand seinen Job verlieren wird, es geht uns darum, eine kohärentere Struktur zu schaffen im Sinne der Schülerinnen und Schüler."
Der Zeitplan, den sich die Ministerin für die Reform gesetzt hat, ist ehrgeizig: "Wir möchten bis zum 31. Dezember eine gemeinsame Absichtserklärung von GUW un FSU herbeiführen, diese paragemeinschaftliche Einrichtung zu gründen. Dann werden wir an die dekretale Arbeit gehen - die nimmt ungefähr ein Jahr in Anspruch. Und wir möchten dann mit der neuen paragemeinschaftlichen Einrichtung im September 2023 an den Start gehen."
Stephan Pesch