Zum Auftakt der Sitzung verwies Parlamentspräsident Karl-Heinz Lambertz (SP) auf ein gedrängtes Arbeitsprogramm im Plenum und in den Ausschüssen. Darunter falle auch die Umsetzung der Empfehlungen der Bürgerversammlungen.
Lambertz warf einen Blick auf die Corona-Krise (der Sonderausschuss dazu werde im März 2022 Ergebnisse vorlegen) und auf die Hochwasserkatastrophe, die bei allem Leid und allen Herausforderungen eine beeindruckende Welle der Solidarität ausgelöst habe.
Als nächstes wird sich das Parlament mit dem Arbeitsprogramm der Regierung befassen. Ministerpräsident Oliver Paasch (ProDG) stellte die Regierungserklärung unter das Arbeitsmotto "Helfen und verändern".
Bei der Umsetzung Zeit verloren
In dieser Legislaturperiode jage „eine Krise die nächste“, meinte Paasch mit Blick auf die Corona-Pandemie („die größte sanitäre Krise seit dem Zweiten Weltkrieg“) und auf die Hochwasserkatastrophe von Mitte Juli, „die uns in Ostbelgien besonders schwer getroffen hat“. Paasch erinnerte an die schon erteilten oder zugesagten Hilfen.
In dieser Sitzungsperiode werde die Regierung sich wieder aktiv um die Umsetzung ihres Programms kümmern. Paasch gestand ein, „dass bei der Umsetzung einiger Projekte wegen der Krise Zeit verloren gegangen ist.“
Anhand von acht Beispielfeldern versuchte der Ministerpräsident aufzuzeigen, „dass wir trotz widriger Umstände nicht nur rhetorisch erste Lehren aus den Krisen gezogen haben“. Die Liste sei „natürlich nicht vollumfassend“.
Neues System für Energieprämien
Als erstes führte der Regierungschef den Klimaschutz an: „Die Flutkatastrophe hat uns schmerzhaft am eigenen Leib spüren lassen, welch verheerende Ausmaße die Auswirkungen des Klimawandels annehmen.“ Mit dem Energie- und Klimaplan würden Regierung und Gemeinden über fundierte Grundlagen verfügen, um die CO2-Emissionen in der DG bis 2030 um 50 Prozent und bis 2050 um 100 Prozent zu senken. Dafür stelle die Regierung bekanntlich 181 Millionen Euro zur Verfügung.
Ab dem 1. November trete für die Energieprämien ein neues System in Kraft – „mit dem doppelten Ziel, einerseits die Finanzmittel zu erhöhen und andererseits die Antragsverfahren zu vereinfachen“. Beispielsweise soll für die Gewährung einer Energieprämie kein Audit mehr verlangt werden. Außerdem würden die Einkommensbegrenzungen aufgehoben.
Als konkrete Maßnahmen nannte Paasch den Aufbau eines E-Bikesharingnetzes und eines flächendeckenden E-Ladesäulennetzes.
Gegen Fake News und Populismus
Als wichtigen Handlungsschwerpunkt bezeichnete der Ministerpräsident (wie schon im September 2020) die Bekämpfung von Fake News und Populismus. "Nicht alles, was in den letzten 18 Monaten beschlossen wurde, war richtig. Einige Maßnahmen waren im Rückblick widersprüchlich und übertrieben", räumte er ein. "Bei allem Verständnis für Kritik und bei allem Respekt vor Kritikern gilt es aber auch, unsere Demokratie vor spaltenden Populisten zu schützen."
Instrumente dafür seien die politische Bildung in den Schulen oder kulturelle Bildungsangebote, nicht zuletzt durch Aufwertung der Kreativen Ateliers oder zusätzliche Angebote der Ferienbetreuung.
Flächendeckender Glasfaserausbau ab 2022
In Sachen Digitalisierung stelle der flächendeckende Glasfaserausbau im deutschen Sprachgebiet, wo weite Teile weiterhin als „weiße Zonen“ gälten, eine der höchsten Prioritäten dar. Die eigentlichen Arbeiten werden voraussichtlich im kommenden Jahr beginnen.
Beschleunigt werden soll die Digitalisierung im Schulwesen. Ab diesem Schuljahr würden alle 1800 Lehrpersonen mit Laptops ausgestattet. Anschließend sollen alle Sekundarschüler ein digitales Endgerät erhalten. "Wir werden", so Paasch, "die stolze Summe von zunächst 6,6 Millionen Euro als Erstinvestition und danach 2 Millionen Euro pro Jahr vorsehen, damit die Geräte regelmäßig ersetzt werden können."
Standortwerbung und Regionalwährung
Mit einer gezielten Standortwerbung will die Regierung dem "sich zuspitzenden Fachkräftemangel" begegnen: "Aufgrund unserer demographischen Entwicklung sind wir auf Zuwanderung angewiesen. Das ist eine mathematische Tatsache."
Zu den wichtigen Trümpfen des Standorts gehöre die Mehrsprachigkeit oder die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die es über eine attraktive Kinderbetreuung und Jugendpolitik auszubauen gelte.
"Mit der Raumordnung verfügen wir über die Möglichkeit, die Ziele unserer regionalen Entwicklungsprozesse eigenständig geografisch zu verorten, die natürlichen Vorzüge unserer Region zu schützen, Dorf- und Städtestrukturen nachhaltig weiterzuentwickeln und dem hiesigen Industrie-, Handwerks- und Dienstleistungsgewerbe angemessene räumliche Rahmenbedingungen zu bieten." In den kommenden Jahren werde die Regierung 80 Millionen Euro in den Ausbau der hiesigen Industriezonen investieren.
Als eine weitere Lehre aus der Krise habe schon die Regierungserklärung vom September 2020 die Notwendigkeit identifiziert, regionale Wertschöpfungsketten und Produkte zu fördern. Darunter falle auch die Einführung einer "Regionalwährung in Ostbelgien, die als innovatives Konzept ebenfalls das Potenzial hat, die hiesige Wirtschaft nach der Krise zu unterstützen und regionale Wertschöpfungsketten zu stärken".
Mehr Hilfe für Krankenhäuser - wenn sie es wünschen
Ganz entscheidend für die Attraktivität eines Standortes sei ein "hochwertiges und gerechtes Bildungsangebot". Die Regierung will zum einen die Primarschullehrerausbildung an der Autonomen Hochschule (AHS) reformieren, um sie besser auf die Berufsanforderungen auszurichten. Zum anderen soll eine Quereinsteigerausbildung den Zugang zum Beruf des Primarschullehrers ermöglichen.
Als wichtige Herausforderung beschrieb der Ministerpräsident die Absicherung der Krankenhäuser in St. Vith und Eupen, die wegen der Schließung der Eupener Entbindungsstation und des Rücktritts von Generaldirektor Philippe Felten zu Beginn der Sitzung in einer Aktuellen Frage von Jolyn Huppertz (CSP) angesprochen worden war. Ähnlich wie vor ihm schon zum wiederholten Male Gesundheitsminister Antonios Antoniadis (SP) führte Oliver Paasch in der Regierungserklärung aus: "Wir erklären uns weiterhin bereit, mehr Verantwortung für die Verwaltung der beiden Krankenhäuser zu übernehmen, wenn dies sinnvoll und erwünscht ist. Genauso wie wir weiterhin bereit sind, eine größere finanzielle Verantwortung zu übernehmen, wenn die beiden Häuser es wünschen."
Kommenden Montag werden die Fraktionen im PDG über die Regierungserklärung debattieren.
Stephan Pesch
Wer definiert nach welchen Kriterien was "Fake News" sind ? Ist das ein Versuch, die Meinungsfreiheit durch die Hintertür einzuschränken ?
Dass Sie den Unterschied nicht kennen zwischen Fake News und Meinungsfreiheit verwundert mich sehr, Herr Scholzen. Fake news sind TATSACHEN verbreiten, die nicht stimmen: "die Erde ist eine Scheibe". Ihre Meinungsfreiheit ist: '"alle Politiker sind Pöstchenjäger, ausser mir, wenn ich denn einer geworden wäre"
Mir schwant nichts gutes, beim Lesen dieser Litanai des politischen Versagens... Der Herr Paasch will 'Helfen und verändern' ! Nach meiner persönlichen Erfahrung hilft der Herr niemandem, wenn es ihm selbst nicht hilft !
...und wenn er vorgibt bis 2050 100 % der CO2 Emissionen in der DG reduziert haben zu wollen, dann werden wir/der Bürger wohl alle mal ordentlich die Luft anhalten müssen! In diesem Sinne leistet die Bevölkerungsreduktion durch Corona ja auch schon eine wertvollen Beitrag, den sich die Politik ans Revert heften kann!