Festgelegt werden muss noch, welche Antibiotika künftig Menschen vorbehalten und damit für die Tiermedizin verboten werden sollen. Dazu hatte die EU-Kommission einen Vorschlag vorgelegt, der Ausnahmen in lebensbedrohlichen Fällen zulässt.
Eine Mehrheit im Umweltausschuss ist jedoch gegen Ausnahmeregelungen und hat ein Komplettverbot gefordert. Jetzt schlagen die Tierärzte Alarm. Der belgische Verband UPV hat sich dazu einer europäischen Initiative angeschlossen.
Verbot fünf neuerer Medikamente im Gespräch
In der Tiermedizin gibt es rund ein Dutzend verschiedene Antiobiotika-Gruppen. In dem Streitfall um strengere EU-Regeln geht es um fünf neuere Medikamente, die besonders stark sind und gegen spezifische Erkrankungen eingesetzt werden. Sie komplett zu verbieten wäre katastrophal, findet Tierarzt Grégory Schoonbroodt.
"Weil das jegliche Möglichkeit wegnimmt, in spezifischen Fällen, wo es nötig ist, solche Medikamente zu benutzen. Es sind Antiobiotika, die sowieso nicht mehr häufig genutzt werden in der Tiermedizin, weil das auch schon reguliert ist auf belgischer Ebene, und die dann sowieso nur noch gezielt und mit Laborproben benutzt werden dürfen."
Tierarzt: Behandlung akuter Fälle nicht mehr möglich
"Es sind also schon Ausnahme-Einsätze. Wenn diese Ausnahmeregelung aber nicht mehr besteht, können wir sie auch nicht mehr einsetzen. Und es gibt Krankheiten und akute Fälle, die dann nicht mehr behandelt werden können."
Die Initiatoren des Abänderungsvorschlages wollten sich nach eigenen Angaben vor allem gegen die Massentierhaltung wenden. Die medizinische Versorgung von Haus- und Einzeltieren mit Antibiotika sei nicht gefährdet, meinte der deutsche EU-Parlamentarier Martin Häussling.
Bereits stark reduzierter Einsatz von Antibiotika
Schoonbroodt korrigiert und weist darauf hin, dass zudem der Einsatz spezifischer Antibiotika in der Massentierhaltung bereits seit 2016 stark reguliert sei. "Wir können schon eine Reduzierung von 70 Prozent beim Einsatz solcher Antibiotika vorweisen. Tierärzte setzen sie in der Nutztierhaltung schon seit 2016 ganz vorsichtig und nur gezielt ein. Es geht hier um die individuelle Behandlung aller Tiere, nicht nur der Nutztiere."
Und diese könnten ohne Ausnahmeregelung für den Antibiotikaeinsatz bei bestimmten Erkrankungen nicht mehr adäquat behandelt werden, warnen Schoonbroodt und seine Kollegen. Die Blutvergiftung sei hierfür ein gutes Beispiel: eine akute Erkrankung, bei der man sehr schnell mit starken Medikamenten reagieren muss. Sollte das strikte Verbot beschlossen werden, wären davon aktuell für die Behandlung zugelassene Medikamente betroffen. Die Folge sei, dass das Leben des Tieres in Gefahr wäre.
Geringere Bedeutung des Tierbereichs für Resistenzen
Die Tierärzte seien sich der Problematik der Resistenzen sehr wohl bewusst, erklärt Schoonbroodt. Er wehrt sich dagegen, dass seine Berufsgruppe an den Pranger gestellt wird, wenn es um den Einsatz von Antibiotika geht. So kämen bei Bakterien, bei denen Resistenzen festgestellt wurden, diese Resilienzen nachweislich nur zu fünf Prozent aus dem Tierbereich. Die anderen 95 Prozent seien in Krankenhäusern zu finden, wo viele Resistenzen vorkommen.
Nach dem Konzept von "One Health, eine Gesundheit" sollten Tier- und Humanmediziner an einem Strang ziehen, weil immer mehr Krankheiten Mensch und Tier betreffen - siehe Corona. Schoonbroodt warnt, dass das ausnahmslose Antiobiotika-Verbot nicht nur Tiere gefährde, sondern auch Menschen.
Negativer Effekt durch Verbot möglich
"Wenn man Reserve-Antiobiotka nicht mehr benutzen darf, mit denen das Tier innerhalb von einigen Tagen genesen würde, sondern wir müssen ein älteres Medikament benutzen, was vielleicht nicht so gut wirkt und wo es viel länger dauert: Durch die längere Behandlung könnten Bakterien auftreten, die resistent sind, und die dann im Umfeld des Tieres verteilt werden. Ich sehe da auf jeden Fall genauso ein Risiko wie andersrum."
Schoonbroodt und seine Kollegen im belgischen Tierärzteverband hoffen, die Entscheidungsträger noch überzeugen zu können, damit die zugelassenen Antibiotika in lebensbedrohlichen Fällen weiter zur Behandlung von allen Tieren eingesetzt werden dürfen.
Eine entsprechende Petition des belgischen Tierärzteverbandes UPV haben bislang 6300 Menschen unterzeichnet. Mitte September soll das EU-Parlament über die neue Regelung entscheiden.
Michaela Brück