Herr Brandt, war die Flut womöglich ein Vorbote des Klimawandels?
Es gibt einen Hinweis darauf, dass wir zumindest häufiger mit solchen Ereignissen rechnen müssen. Wie häufig ist gerade Gegenstand der Forschung. Das nennt man eine sogenannte Attributsstudie. Man vergleicht sozusagen dieses Ereignis mit Ereignissen früher. Das dauert noch ein bisschen, bis sie Ergebnisse haben. Aber es spricht sehr, sehr viel dafür, dass in dieser wärmeren Atmosphäre - wir haben in Ostbelgien zwei Grad höhere Temperaturen als noch vor 100 bis 150 Jahren - die Häufigkeit so starker Regenereignisse zunimmt, wohingegen sie früher eher unwahrscheinlich waren. Aber die Forschung dazu ist noch nicht abgeschlossen.
Extreme gibt's ja in vieler Art: starker Niederschlag, Dürreperioden oder Stürme. Wie könnten denn diese Extreme in Ostbelgien am wahrscheinlichsten aussehen?
Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Es geht weniger um die Mitteltemperaturen, die ansteigen. Das merken wir ja schon seit vielen Jahren: Es wird wärmer. Das ist auch eine ziemlich sichere Aussage, die man heute treffen kann. In unserem zukünftigen Klima - und da geht es jetzt nicht um Jahrzehnte, sondern das werden wir jetzt in den nächsten Jahren immer wieder erleben - ist es vor allem Trockenheit: starke Trockenheit im Sommer, im Frühjahr - gerade in der Vegetationsperiode. Darauf müssen wir uns einstellen - und damit verbunden auch häufiger Frostschäden. Wir haben das in den letzten Jahren erlebt. Durch die milden Winter geht es sehr früh los. Schneeglöckchen-Blüte, die Blüte bei den Äpfeln und Kirschen - das geht teilweise schon Anfang April los, früher war das eher im Mai. Und wenn die Blüte sehr früh anfängt, kann es dann im Mai, wenn dann nochmal Frost kommt, zu erheblichen Schäden führen mit großen Ernteeinbußen für die Bauern.
Jetzt setzt Ostbelgien seit Jahren verstärkt auch auf den Tourismus als zusätzliches wirtschaftliches Standbein, vor allem natürlich als Wander- und Radregionen. Wie sieht denn da Ihre Prognose aus? Gibt's auch da Risiken des Klimawandels, auf die wir uns vielleicht einstellen müssen?
Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist im Sommer, dass wir natürlich mit unseren Höhenlagen einen gewissen Hitze-Puffer haben. Also ist es durchaus so, dass sehr viele zu uns hier hochfahren in die Eifel, ins Venn, um vor der großen Wärme zu fliehen. Auf der anderen Seite haben wir natürlich auch Wintertourismus. Man investiert ja auch sehr viel, wenn ich an Bütgenbach oder Büllingen denke. Da mache ich mir so ein bisschen Sorgen. Es wird natürlich auch in den nächsten zehn bis 20 Jahren immer wieder schneien. Das ist nicht das Thema. Aber ob die Anzahl der Schneetage noch reichen wird für einen ausreichenden Wintertourismus, das sei mal dahingestellt.
Wir haben eben von der großen Trockenheit gesprochen, an die wir uns erinnern von letztem Sommer. Hat denn der massive Regen jetzt wenigstens dazu geführt, dass die Grundwasserspeicher wieder voll sind?
Ja und nein. Wenn man sich die Bodenschichten so bis 1,20 Meter anschaut, ist das insgesamt doch wieder gut gesättigt worden. Aber ganz ausgleichen kann man dieses Defizit von mehreren Jahren nicht. Wenn wir jetzt wieder ein trockenes Jahr bekommen nächstes Jahr, dann hätten wir wieder die gleichen Probleme. So ein Starkregen führt einfach nur dazu, dass das Wasser oberflächlich schnell abläuft in die Bäche. Deswegen haben wir ja auch diese Fluten. Das führt nicht dazu, dass das Wasser wirklich ins Grundwasser übergeht, wo wir es eigentlich haben wollen.
Herr Brandt, viele Politiker haben nach der Flut mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel zugesagt. Und auch nach dem Bericht des Weltklimarates zur globalen Erwärmung hört man, dass jetzt gegengesteuert werden muss. Was wäre denn Ihrer Meinung nach am dringendsten? Was sollte auch regional getan oder eben nicht getan werden?
Ich glaube, der ganz entscheidende Punkt ist, dass wir in den alltäglichen Entscheidungen auch wahrnehmen, dass wir ein Klimaproblem haben. Ich erlebe das sehr häufig, dass man über den Verkehr redet, über bestimmte Baumaßnahmen redet, als gäbe es den Klimawandel nicht. Ich denke, wir müssen jetzt bei jeder Entscheidung - auch wenn das sehr, sehr weh tut - überlegen: Ist das jetzt noch der richtige Weg, wenn wir überlegen, dass wir in 20, 30, 40 Jahren richtig große Probleme bekommen? Also ein Appell an die Politik, aber auch an die Menschen. Das wird keine einfache Geschichte in den nächsten Jahren, Jahrzehnten, wenn man den Klimawandel aufhalten will. Man wird auf einiges verzichten müssen. Da wird es bis auf die persönliche Ebene durchaus auch schwierige Entscheidungen geben.
Judith Peters