Guido Schumacher ist mit einem blauen Auge davongekommen. So schätzt er selber die Situation rückblickend ein. "Wir sind sehr nah an der Talsperre. Also hat der Fluss, als er bei uns über die Ufer getreten ist, wenig Geröll, wenig Unrat, wenig Baumstämme mitgeführt. Deshalb sind auch am Gebäude quasi keine Schäden entstanden. Nur das, was außen an Holz lag, ist zum Teil weggeschwemmt worden", erklärt Schumacher. "Im Vergleich zu Schäden in der Unterstadt, wo ganze Häuser unbewohnbar sind, kann ich sagen, dass es bei uns nicht dramatisch war."
In der Einfahrt stand das Wasser bis zu 50 Zentimeter hoch. Anders in der Produktionsstätte. Hier waren es nur wenige Zentimeter. Doch die haben schon ausgereicht, um direkten und indirekten Schaden anzurichten. "Bei den Instrumenten, die in der Montagehalle teilweise aufgebaut waren und die mit Wasser in Berührung gekommen sind, ist es natürlich so, dass diese Teile direkt gequollen sind. Aber auch die anderen Teile sind gequollen, weil einfach die Luftfeuchte im Raum viel zu hoch war. Wir hatten anfangs eine Luftfeuchte von 79 Prozent. Normalerweise liegen wir zwischen 55 und 60 Prozent. Das ist ein Problem."
Wenige Tage nach dem Hochwasser installierte Guido Schumacher einen Luftentfeuchter. Der Montageraum wurde progressiv runtergetrocknet. Dieser Schritt geschieht so behutsam wie nur möglich, schließlich soll jeder weitere Schaden an den teils jahrhundertealten Instrumenten vermieden werden.
Insgesamt fünf Orgeln befinden sich aktuell in der Montagehalle, vier davon werden restauriert. "Das Instrument, das am stärksten beschädigt wurde, ist für die Kathedrale von Brügge. Das ist eine Restaurierung einer Orgel, die von 1719 stammt, also ein historisch sehr wertvolles Element, wo aber auch viele Teile neu gemacht worden sind. Ganz viele mechanische Sachen, wie die Verbindung von einer Taste zu den Ventilen, sind gequollen. Einige Teile müssen ganz neu gemacht werden, zum Beispiel Lederelemente, die einfach zu feucht geworden sind. Das Leder ist nicht mehr geschmeidig genug, das muss alles ersetzt werden."
Ganz allgemein arbeitet das Unternehmen mit vielen empfindlichen Rohstoffen: Leder, Filze, Pergamente - alle mit eigener Bestimmung. Ob die Materialien allerdings noch wie vorgesehen eingesetzt werden können, ist sich Guido Schumacher nicht sicher. Doch genau das muss - alleine schon aus Versicherungsgründen - geprüft werden. "Normale Versicherungsexperten haben von Orgelbau logischerweise keine Ahnung. Es ist aber so, dass man die Schäden, die durch zu hohe Feuchtigkeit entstanden sind, nicht dokumentieren kann. Auf einem Foto kann man nicht sehen, ob ein Leder noch geschmeidig genug ist, weil das zu viel Feuchtigkeit aufgenommen hat und jetzt trocknet."
Zwar sei das Unternehmen durch die Feuerversicherung abgedeckt, so Schumacher. Trotzdem ist jedes Instrument noch einmal separat versichert. Es muss also herausgefunden werden, welche Versicherung in welchem Fall aufkommen wird. "Deshalb hab ich einen Sachverständigen auf eigene Rechnung kommen lassen, um die Schäden korrekt einzuschätzen und mit der Versicherung verhandeln zu können. Das ist ein pensionierter Orgelbauer, der als Sachverständiger für die Wallonische Region im Bereich Denkmalschutz arbeitet."
Beim Orgelbau Schumacher zeigt sich, wie aufwendig die Aufarbeitung der Hochwasser sein kann - eine Erfahrung, mit der der Orgelbauer nicht alleine dastehen wird.
Andreas Lejeune