Für eine endgültige Beurteilung ist es wohl noch zu früh. Allerdings werden immer mehr Details bekannt, die erstaunen lassen. Das Europäische Hochwasserwarnsystem (EFAS) ist ja bereits am 10. Juli zu der Feststellung gekommen, dass deutsche und belgische Flüsse über die Ufer treten werden. Und: dass der Höhepunkt zwischen dem 14. und 15. Juli zu erwarten sei. 25 Warnmeldungen sind bis zur Katastrophe rausgegangen.
KMI wusste nicht Bescheid - oder doch?
Doch das Königliche Meteorologische Institut KMI hat laut Het Laatste Nieuws wissen lassen, dass es die Warnmeldungen des EFAS gar nicht abonniert hat, weil das KMI sich nicht mit Überschwemmungen beschäftigen darf oder soll. Dies sei Zuständigkeit der Regionen. Stattdessen wurden das föderale Krisenzentrum und die regionalen Umweltbehörden informiert.
Der Wallonische Wasserwegedienst ist aber nach der Flutkatastrophe eher auf Tauchstation gegangen und beantwortet Anfragen der Medien nur widerwillig oder verweist an das Kabinett des wallonischen Infrastrukturministers. Und dieses teilt auf Anfrage von Het Laatste Nieuws mit, dass man alle Warnungen erhalten habe - und zwar über das KMI. Diese Aussage steht im krassen Widerspruch zum KMI, das ja beteuerte, die Informationen gar nicht zu bekommen. Es scheint also, als ob die Politik nicht weiß, wer welche Informationen erhält.
EFAS-Warnmeldungen nur eines von mehreren Parametern
Dazu stellt sich die Frage, wie präzise die EFAS-Ankündigungen sind und welches Gewicht sie haben. Der Pressesprecher von Minister Philippe Henry sagte, dass diese Warnmeldungen nur eines von mehreren Parametern ist, um die Infrastrukturdienste im Auge zu behalten. Die flämische Umweltbehörde erklärte ähnliches: dass die EFAS-Meldungen ein Zusatzmittel sind, um Situationen einzuschätzen. Zudem seien die Informationen nicht konkret genug.
Auch der Hydrologie-Professor der Uni Löwen Patrick Willems schlägt in diese Kerbe. Die Warnmeldungen der EFAS hätten eine nicht zu unterschätzende Fehlermarge. Demnach beinhalten die Szenarien der EFAS ein bestes und ein schlechtestes Szenario. So hätte die Flutwarnbehörde noch am 12. Juli eine voraussichtlich 'nicht besondere' Überschwemmung der Maas angekündigt. Eine Überschwemmung, die alle drei bis fünf Jahre vorkommt, so Hydrologe Willems. Auf dieser Basis hätten die Behörden nicht von einer Sintflut ausgehen können.
Andere Experten sehen das komplett anders. Jeff Da Costa, Doktorand an der Universität von Reading in England, ist Spezialist in Sachen Unwetterwarnungen. Er sagte dem flämischen VTM-Fernsehen, dass die Alarmsignale sehr wohl ernstzunehmen waren. „Man konnte daraus ableiten, dass Menschenleben in Gefahr waren“, so Da Costa.
Minister Philippe Henry fordert Aufklärung
Infrastrukturminister Philippe Henry fordert Aufklärung. Er hat die SPW, den öffentlichen Dienst der Wallonie, am Donnerstag damit beauftragt, alle Informationen des Hochwasserwarnsystems in den kommenden 24 Stunden publik zu machen. Außerdem sollen die Wasserwege in der Wallonie geprüft werden.
Ein Studienbüro werde in den nächsten Tagen damit beauftragt, festzustellen, welche Infos zur Verfügung standen und welche den Behörden zur Verfügung hätte stehen sollen. Außerdem soll geprüft werden, welche Probleme in Zukunft auftreten könnten und wie die Wallonie sich besser wappnen kann. Es sollen die richtigen Lehren für die Zukunft gezogen werden, so der wallonische Minister.
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