Ob man diese Naturkatastrophe verpennt hat ist eine Frage, die jetzt in den sozialen Medien auftaucht. An der Diskussion beteiligen sich auch Politiker - in den Nachbarländern, aber auch in der Region.
Klar ist, dass das Hochwasser in Belgien, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden nicht alleine durch die Eupener Talsperre verschuldet wurde. Ein Sprecher des Dienstes der Wallonischen Wasserwege hatte dem BRF schon am Donnerstag gesagt, dass man so ein Unwetter, das sich nur alle 50 Jahre ereigne, nicht antizipieren könne.
Doch jetzt werden Stimmen laut, die dem widersprechen. So zum Beispiel der Elektrotechnik-Professor der Universität Lüttich, Damien Ernst. Der Zeitung La Meuse sagte er, dass die Verwalter der Eupener Talsperre einen kolossalen Fehler gemacht haben. Wenn man die Talsperre schon am Montagmorgen geleert hätte, hätte man 7,3 Millionen Kubikmeter Wasser im Wesertal vermeiden können. Als es dann zu spät gewesen sei, habe man die größten Wassermassen ausgerechnet in der Zeit, in der es am stärksten geregnet hat, ablassen müssen, weil die Talsperre dabei war überzulaufen.
Professor Ernst sagt aber auch, dass man das Hochwasser und die Folgeschäden durch früheres Ablassen nicht verhindert hätte. Aber man hätte das Schlimmste verhindern können, ist er überzeugt.
Reaktion des Wallonischen Dienstes für Wasserwege
Fabian Docquier ist der Verantwortliche für die Wallonischen Trinkwasserreservoir-Talsperren. Er sagte der Zeitung La Meuse, dass man zwar am Montag schon alarmiert worden sei, aber erst am Dienstag von den zu erwartenden massalen Regenfällen informiert wurde. Da habe man es nicht mehr riskieren wollen, das Tal zu fluten. Aber dann ist es ja noch heftiger gekommen als erwartet.
Die Wetterexperten stehen jetzt in der Kritik. Der ARD-Wetterxperte Sven Plöger hat sich am Sonntag noch live rechtfertigen wollen: "Wir wussten, da kommt was, wir haben gewarnt", dass da 150 bis 200 Liter Regenwasser pro Quadratmeter niederschlagen könnten. Aber die sogenannten Modellläufe vor den Ereignissen vom Mittwoch hätten zum Beispiel für Aachen eine mögliche Spanne von 20 bis 150 Liter pro Quadratmeter vorausgesagt. Da müsse man als Meteorologe abwägen, ob man zu viel warnt. Denn letztendlich sei das auch gefährlich, weil dann in der Bevölkerung ein abstumpfen eintritt, so Wetterexperte Plöger. Zu wenig warnen sei natürlich auch nicht gut.
Da hat man wohl eher zu wenig gewarnt. Das haben jedenfalls britische Medien berichtet. Eine britische Forscherin hat schwere Vorwürfe erhoben. Die Flut sei präzise vorhergesagt worden. Die ersten Zeichen einer Hochwasserkatastrophe seien bereits neun Tage zuvor von Satelliten erfasst worden. Vier Tage vor den Fluten soll auch das Europäische Hochwasser-Warnsystem (Efas) die Regierungen von Belgien und Deutschland vor Hochwasser an Rhein und Maas gewarnt haben. Das beteuert Hannah Cloke, Professorin für Hydrologie an der britischen Universität Reading und eine der Entwicklerinnen des Europäischen Hochwasser-Warnsystems. Ihr Urteil in der "Sunday Times": "Monumentales Systemversagen" ist der Grund für eine der tödlichsten Naturkatastrophen in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg.
ard/meuse/tagesspiegel/twitter/mz
Ein paar Gedanken dazu:
Ich arbeite seit über 15 Jahren als Meteorologe. Es ist nachvollziehbar, dass man angesichts der katastrophalen Schäden nach Erklärungen sucht. Mein erster Eindruck ist, dass die Betreiber der Talsperre einen Großteil der Probleme eher nicht hätten verhindern können.
Die Wassermassen scheinen auch von der Soor und von der Hill aus gekommen zu sein, da es auch südlich von Eupen enorm viel geregnet hat. Da hat die Talsperre nicht viele Möglichkeiten einzuschreiten. Bei Jalhay wurden 271 mm Regen in 48 Stunden gemessen. Das sind Größenordnungen, bei denen es quasi immer zu Überschwemmungen kommt.
Natürlich muss man genau untersuchen, was man hätte besser/anders machen können. Aber eine Ideallösung gibt es nicht und wird es auch bei einem künftigen Ereignis dieser Größenordnung nicht geben. Was man tun kann: ein besseres, effektives Frühwarnsystem entwickeln, inklusive Sirenen und Programmunterbrechungen im Rundfunk sowie mehr Risikobewusstsein in der Bevölkerung.
Zunächst: hinterher ist man immer schlauer.
Als Landwirt nutze ich intensiv Wetter-Apps. Was diesmal aber auffällig war: meine App, die ihre Daten von einem norwegischen Wetteranbieter erhält, sagte schon eine Woche vorher diese extrem hohen Regenmengen für Dienstag bis Donnerstag voraus. Und blieb bei dieser Prognose, jeden Tag. Solche Regenprognosen in der Höhe habe ich noch nie gesehen.
Diese extremen Regenmengen auch nicht aufgrund Starkregen durch Gewitter, welche lokal nie genau vorherzusagen sind, sondern aufgrund einer außergewöhnlichen Wetterlage eines sich nicht vom Fleck bewegenden Starkregentiefs in der Mitte von Westdeutschland und im östlichen Belgien.
Wie gesagt, ich möchte nicht als Besserwisser erscheinen, aber diese Wetterlage wurde präzise und ohne Schwankungen bis zum Eintreffen immer exakt vorhergesagt, und zwar lange im Voraus.
Die Aussage der Meteorologen, daß Starkregen sich nicht exakt lange im voraus in der Lokalität im Voraus vorhersagen lassen, gilt diesmal nicht, aufgrund der anderen Wetterlage.
Wie im Mittelalter nach einer Naturkatastrophe, einer Seuche oder Missernte beginnt die Suche nach Sündenböcken. Damals wurde Hexen, Juden verantwortlich gemacht für menschliches Unglück und oft genug im wahrsten Sinne des Wortes auf den Scheiterhaufen gebracht. Wer ist es diesmal ? Die Wetterfrösche ? Am besten sollte man akzeptieren, dass es sowas wie höhere Gewalt gibt und das es Dinge gibt, auf die der Mensch kein Einfluss hat, selbst im Zeitalter von Internet und Elektroautos.
M.S. : nein selbstgemacht, sofern man die Veränderungen seit der Industrialisierung und vorallem der letzten Jahre erkennt.
@Klaus/Lars: 1.6.2018 (St. Vith) ...da war es so ähnlich, nur nicht in dieser Dimension. Da zog von Osten früh um kurz nach 5 ein Starkregengebiet
Richtung SW durch...
Und wenn man 3 Wetterapps schaut, die alle das Gleiche zeigen, an Abend vorher, dann ist man eigentlich gewarnt.
Vorhersagen konnte man das nur schwer, das es solche Regenmengen geben würde.
Erlebt man das noch mit, wie man dem Regen davon fährt, kommt 14 Km weiter an und es rieselt, glaubt es einem Keiner...und dann 70L/20Min...
Und man steht da, und kann kaum glauben das so etwas möglich sein kann.
Ist aber , das immer öfter und übler.
Bei diesem jetzigen, wäre aber doch großräumige Warnungen angebracht gewesen, die Zeitspanne war ja lange.
Man müsste die Menschen mehr sensibilisieren...
Werter Herr Chemnitz.
Woran erkennen Sie, dass diese Unwetter eine Konsequenz des Klimawandels sind und nicht etwa eine "normale" Naturkatastrophe ? Welche Unterscheidungsmerkmale gibt es ?
Am Freitag den 9. Juli war ich an der Talsperre, da fehlten noch ca. 1 m bis zum Überlaufen an den Schleusentoren, und aus dem Bodenablass kam relativ wenig Wasser heraus. Signifikante Mengen konnten also bis mindestens Samstag den 10. nicht abgelassen werden. Mir stellt sich die Frage ob in einem regenreichen Sommer ein so hoher Pegelstand nötig war um die Trinkwasserversorgung für den Winter zu sichern, und natürlich auch die Frage, wenn 10m Staukapazität mehr vorhanden gewesen wären, wieviel das bei der erfolgten Sintflut talabwärts verhindert hätte. So die Beobachtungen und Gedanken eines Laien.
@ die Herren Scholzen:
Ich verfolge seit etwa 2 Jahren die Kommentare hier.
Zu fast jedem Thema geben Sie Ihre Meinung kund. Besonders wenn eine Außenseitermeinung Publikum findet kann, weil es wahrscheinlich das Ego fördert, gegen den ach so bösen und dummen Mainstream zu sein.
Sie zitieren gerne abstruse Studien, die den menschengemachten Klimawandel, Coronamaßnahmen und Mediziner widerlegen.
Nebenbei verunglimpfen Sie Politiker, Wissenschaftler, Experten und Menschen, die sich um die Zukunft unseres Planeten Sorgen machen.
Ihre Strategie ist dann, Außenseiterstudien zu zitieren, die Ihre Meinung stützen, und die anderen Kommentatoren damit unter Druck zu setzen, weil diese meistens, da sie gerade nicht Experten sind, nicht die Studien zur Hand haben, mit denen sie gegen die Herren Scholzen argumentieren können.
Glauben Sie wirklich, daß fast alle Klimaforscher und Mediziner, also richtige Experten, falsch liegen, nur die Herren Scholzen als Laien die "richtigen" Informationen besitzen?
Gehen Sie doch in die Politik. Aber Internetkommentare sind wahrscheinlich bequemer.
@Klaus Schülting.
Da man Kommentare hier (zum Glück?) nicht bewerten kann, möchte ich auf diesem Weg für Ihre Ausführung zu Herrn Scholzens Kommentaren bedanken.
Da haben Sie mir (und vermutlich einigen anderen Lesern) aus der Seele geschrieben.
@Schülting:
1.Danke für Ihren Kommentar
2.Ich befasse mich mit Statistiken als Hobby.
3.Statistisch gesehen wird es seit 200 Jahren wärmer (bezweifelt niemand), aber es kann statistisch keine Relation zwischen menschengemachtem CO2 und Globaler Durchschnitts-temperatur festgestellt werden. Die Klimazyklen der letzten 3000 Jahre werden bislang nicht beeinflusst. Auch diese jetzige Hochwasser-Katastrophe ist nichts Neues oder Einmaliges.
4.Was nennen Sie die "richtigen Klimatologen und Mediziner"?
Liegen die US-amerikanischen Mediziner denn falsch, wenn dort fast alle Corona-Maßnahmen aufgehoben wurden, obwohl dort weniger geimpft ist als in Europa?
oder: Wenn CO2 das Klima wirklich erwärmen würde, warum müssen wir dann noch mehr Geld in eine Energiewende investieren, die jetzt schon nicht funktioniert?
5.Gestehen Sie sich ein, dass Sie verschiedenartige Informationen nicht vergleichen wollen oder können. Glaube ist kein Wissen, Gefühle und Meinungen sind keine Fakten.
6.Zum Thema:Auch wenn man alle Talsperren bis Montag hâtte leerlaufen lassen, auch dann hätte es trotzdem in den meisten Ortschaften genug Verwüstung am Mittwochabend gegeben. Hier im Ourtal hätte man nicht viel machen können. nachher ist man immer schlauer.
Herr Schülting.
Ich genieße die Meinungsfreiheit. Das ist alles. Meine Kommentare bewegen sich im Rahmen des Erlaubten. Politische Korrektheit, preußischer Untertanengeist und Kadavergehorsam sind mir zu wider. Hat in Vergangenheit so mancher Diktatur den Weg bereitet.
Eigentlich haben Sie Recht, man müsste sich politisch engagieren. Nur das ist leichter gesagt als getan. Die Ostbelgischen Patienten wollen nur Akademiker in ihren Reihen und auf den Wahllisten. Da habe ich als Maurer keine Chance. Die Erfahrung hatte ich selbst gemacht. Deswegen bleibt mir nichts anderes übrig als Kommentare zu schreiben.
Herr Hendges.
Ich empfehle Ihnen zusammen mit Herrn Schülting einen Club zur Förderung der politischen Korrektheit zu Gründen. Die Regierungen werden es ihnen danken.
Sehr geehrtes BRF-Team,
ich finde den Titel nicht korrekt. "Experte der Uni Lüttich", ergibt den Lesern den Anschein, Herr Prof. Ernst würde Physiker und zudem als Spezialgebiet Wasserkraft forschen. Es gibt weder konkrete Grundlagen seiner Berechnungen noch Fallstudien die seine Behauptungen untermauern. Punkte welche nicht berechenbar bleiben:
- ab wie viel Druck wirbeln wir so viel Schlamm auf, so dass ganze Gräben und Bäume mitgezogen werden.
- wie viel Druck darf ich maximal erzeugen ohne flussfremde Materien mit zu reizen.
Zudem muss man bedenken, dass die Wassergräben seit Tagen aufgeweicht wurden.
Ein früheres Ablassen hätte als Beispiel folgende Folgen mit sich führen können:
- Verschiebungen äußerer Objekte blockieren den Fluss an diversen Stellen. Die Blockaden können aufgrund des Regens nicht rechtzeitig entfernt werden. Es folgt der Regen und ein stärkeres Ablassen der Talsperre. Die dann entstandenen Schäden wären um ein vielfaches gestiegen.
- Ein Ablassen mit Risiko ohne zu wissen ob es zwingend notwendig war?