Vor dem Start auf dem Koul-Gelände in Kelmis ist Zeit, sich die Oldtimer mal in Ruhe aus der Nähe anzuschauen. Fahrzeuge aus sechs Jahrzehnten sind zu bestaunen. Das älteste Schätzchen im Feld ist schon 85 Jahre alt: ein Peugeot 201. "Den habe ich in Namur gefunden, das war ein Zufallsfund", erklärt Lucas Reul. "Er fuhr einfach nicht mehr, aber nach ein paar Handgriffen lief er wieder perfekt. Wir nutzen den jetzt hobbymäßig und es ist das erste Mal, dass wir eine Ausfahrt damit machen."
"Wir haben jetzt noch ein bisschen Kühlwasser nachgefüllt. Die Befürchtung ist halt trotzdem, dass er ein bisschen heißläuft heute bei der langen Strecke. Wir hoffen, dass er durchhält." Beifahrer Thilo Panktert füllt den Tank und dann gibt es den ersten Blick ins "Roadbook", das die Strecke vorgibt. Das bekommen die Teilnehmer nämlich erst 30 Minuten vor dem Start. Bis dahin ist der Parcours geheim.
Das Roadbook enthält Landkarten, aber auch die sogenannten Chinesenzeichen: "T links", "Kreuzung geradeaus", "rechts liegenlassen". Diese Anweisungen liest der Beifahrer dem Fahrer dann auf der Strecke vor, damit der weiß, wo es langgeht.
Die Göhltal Classic ist eine Gleichmäßigkeitsrallye - nicht der Schnellste gewinnt, sondern derjenige, der genau das vorgegebene Tempo einhält. Und das wird kontrolliert, unter anderem mithilfe eines Bordcomputers ("Tripy") im Auto.
"Der Tripy schlägt Alarm, wenn man zu schnell unterwegs ist", erklärt Gino Keppens, der mit Freundin Jenny Ostlender im Opel Manta aus dem Jahr 1974 teilnimmt. "Damit man die Geschwindigkeiten in den Ortschaften und Wohngebieten einhält. Da wird hier extrem drauf geachtet. Man muss zum Beispiel zwei Kilometer 50 Stundenkilometer fahren. Danach gibt es einen Schnittwechsel, dann muss man 30 Stundenkilometer fahren - das ist gemacht, wenn dort ein Wohngebiet ist."
Wer zu schnell fährt, wird bestraft. Und aus diesem Grund sitzt bei den beiden die Frau am Steuer. "Bei mir ist Benzin im Blut, wenn Kurven kommen, gebe ich schon mal eher Gas. Jenny hat es leichter, das Gaspedal unter Kontrolle zu halten und gleichmäßiger zu fahren."
"Und es würde sonst auch nicht funktionieren", fügt Jenny Ostlender hinzu. "Wenn ich die Anweisungen geben würde, würde er sowieso nicht zuhören." Nur bei Sonderprüfungen auf abgesperrtem Gelände darf dann auch mal der Mann ans Steuer.
Den Rest der Zeit wird auf offener Straße gefahren, da fädeln sich die alten Autos in den ganz normalen Verkehr ein. Gefahren wird in zwei Kategorien: Classic und Balade. Die Strecke für die Balade ist ein bisschen kürzer, außerdem gibt es keine Zeitvorgaben. Eine Spazierfahrt ohne zu viel Kopfzerbrechen also. Für Autoliebhaber, die einfach einen schönen Tag verbringen wollen.
Um das alles zu planen, ist eine Menge an Organisation nötig. Und gerade in diesen Zeiten ist eine solche Veranstaltung noch schwieriger auf die Beine zu stellen. "Es war effektiv ein Drahtseilakt. Es war viel schwieriger als sonst, alles zu organisieren. Du bist zwischen zwei Stühlen und weißt nicht: Darfst du oder darfst du nicht?", erklärt Veranstalter Michael Bartholemy.
"Irgendwann musst du die Entscheidung treffen, unter diesen Bedingungen zu fahren. Denn ist es natürlich nicht wie sonst. Ich denke aber, wir haben es gut hingekriegt. Wir haben 84 Autos hier, in einem normalen Jahr wären es natürlich mehr gewesen. Aber wir sind froh, dass wir fahren dürfen. Und die Leute sind auch froh, dass sie fahren dürfen."
Gewinner werden am Ende Yves Deflandre und Renaud Herman im Porsche 911 aus dem Jahr 1972. Aber das ist eigentlich Nebensache, alle fühlen sich ein bisschen wie Gewinner. Denn endlich dürfen sie wieder ihre Schätzchen ausführen - stilecht und artgerecht.
Katrin Margraff