Es ist still im Klassenraum B135. Hier und da wird geflüstert. Aber das ist an sich nichts Ungewöhnliches in einer Schulklasse. Die Schüler des ersten und zweiten Sekundarschuljahres arbeiten aber jeder für sich an unterschiedlichen Aufgaben. Wenn ein Schüler nicht weiter weiß, steht ein Lehrer bereit, um sich ihm gezielt zu widmen. Dabei wird geflüstert, damit alle anderen ungestört weiterarbeiten können.
"Das heißt, dass die Kinder ihren Schul- und Arbeitstag selber organisieren müssen. Sie sind in ihrer Eigenverantwortung tätig. Und das ist der große Unterschied", erklärt Rebecca Solheid, die Projektkoordinatorin des Lernateliers im Königlichen Athenäum Eupen. Das Konzept hat sich die Schule in der Schweiz abgeguckt. Selbstständigkeit fördern heißt das Zauberwort. Schüler werden so mehr gefordert. Sie müssen ihren eigenen Arbeitsplan erstellen. Dafür können sie ungestört ihre Lernziele verfolgen.
Arbeitslos werden die Lehrer dadurch aber nicht. Statt reine Wissensvermittlung übernehmen die Lehrer eine Beobachterfunktion. Die Schüler des Lernateliers bekommen das Wissen nicht einfach nur angereicht, sie gehen selbst auf die Suche, wie zum Beispiel die 14-Jährige Zoë Pavonet: "Man muss nicht nur Antworten anderer Schüler von der Tafel abschreiben. Man muss selbst überlegen. Man bekommt nicht alles vorgelegt. Man muss es selber erarbeiten."
Es ist ein aktiveres Lernen. Dabei müssen die Schüler nicht immer still oder leise im Lernatelier sitzen. In der Aktiv-Zone gleich nebenan, können sie Gruppenarbeiten machen und in normaler Lautstärke reden. Die Schüler entscheiden jedenfalls selber, in welchem Rhythmus sie arbeiten, oder wann sie eine Pause machen. Doch vielen ist klar: Wer fleißig ist, belohnt sich selbst, so wie Symon Leyn, aus der ersten Sekundarstufe: "Ich bin halt einer der schnelleren. Manchmal spiele ich, wenn ich fertig bin, Gesellschaftsspiele."
Eigeninitiative und Disziplin fördern. Im Idealfall sind die Hausaufgaben schon in der Schule erledigt worden, erklärt Koordinatorin Rebecca Solheid: Ja, das ist ein Ziel. Wenn sie nach Hause gehen, sollten sie für die Fächer des Lernateliers nicht mehr arbeiten müssen. Wichtig ist aber auch, dass unsere Kinder Fehler machen dürfen."
Tests und Prüfungen sind die gleichen wie in den anderen herkömmlichen Klassen. Es wird auch gleich bewertet. Aber es gibt mehr Übungstests, sagt die Deutschlehrerin Joana Girkes:"Es liegt natürlich im Ermessen des Schülers, ob er sich auf den Test vorbereitet, auch wenn er nicht bewertet wird. Er weiß dann schon welche seine Schwächen und Stärken sind. Die Tests sind aber die gleichen, wie in jeder normalen anderen Klasse."
Das Lernatelier betrifft die Fächer Deutsch, Französisch, Mathematik, Erdkunde und Geschichte. Ganz ohne Theorie im Frontalunterricht geht es aber nicht, erklärt Rebecca Solheid: "Das ist die Inputphase. Da vermittelt der Lehrer auch die Theorie. Das muss auch sein, sonst wissen die Kinder nicht, was sie im Lernatelier machen."
Das Lernatelier ist bislang nur ein Projekt im ersten und zweiten Sekundarschuljahr. Schüler die am Lernatelier teilnehmen möchten, müssen das Angebot bei Einschreibung in der Schule mit den Eltern anfragen. Wenn die Nachfrage größer als das Angebot ist, wird ausgelost, da die Plätze aus organisatorischen Gründen begrenzt sind.
Nicht alle Schüler wollen dieses Lernangebot nutzen. Für sie gibt es weiterhin den klassischen Unterricht.
Manuel Zimmermann