"Der Bescheidwissenschaftler. Er ist beim Weltall angestellt, vor fremder Tür zu kehren. Bevor die große Glocke schellt, hat er sie läuten hören. Er kniet für einen Silberling, vor hohem und gemeinem. Er kennt den Preis für jedes Ding, den Wert jedoch von keinem": Ein Gedicht von Mascha Kaléko, das eine Teilnehmerin bei der Kundgebung vorstellt. Einer von 50 Impulsen, die am Samstag am Alten Schlachthof zusammentrafen.
Hinter dem Gedicht steht für die Teilnehmerin eine klare Botschaft: "Wir haben keinen Raum für Auseinandersetzung. Der ist ins Virtuelle verlegt worden. Facebook ist aber kein Raum für Auseinandersetzung. Das muss wieder ins Kulturzentrum zurück und darauf warten wir. Und das ist sehr sehr dringend und es wird wirklich wirklich Zeit."
Genau diesen Raum für Auseinandersetzung würde die Kultur gerne anbieten. Ein Spiegel sein für gesellschaftliche und politische Entwicklungen, das wünscht sich auch ein Akteur aus der Theaterszene: "Unsere Rolle als Theater ist, die Leute zum Nachdenken zu bewegen. Dass sie etwas verändert aus dem Theatersaal rauskommen, als sie reingekommen sind."
Nahrung für die Seele
Unabhängig davon ob Theater oder Tanz - die Frage, ob Kunst für den Menschen essentiell ist, ist hier schnell beantwortet: "Es ist Nahrung für die Menschen, zumindest für eine ganze Menge Menschen", sagt eine Teilnehmerin. "Vielleicht nicht für jeden, aber es gibt Menschen, denen diese kulturelle Nahrung seit einem Jahr fehlt. Und das Augenmerk wollte ich darauf legen."
Ähnlich fällt auch das Urteil der Organisatoren. Miriam Elebe von Chudoscnik Sunergia sieht die Kunst und die eigens organisierte Kundgebung als wichtig an. "Das ist Seelenbalsam. Das hat Auswirkungen auf alles, das tut gut. Das tut jedem gut. Alles mögliche, auch ein ganz simpler Austausch kann Kunst sein. Und das haben wir hier gesehen, auch mit den Lesungen und der Musik."
Ungehört
Bei Chudoscnik Sunergia stellt man sich allerdings die Frage, inwiefern diese Einschätzung auch von der Politik geteilt wird. Dazu Judith Thelen: "Wir werden bei der Politik nicht gehört. Wir äußern uns, wir wünschen uns, dass wir wieder arbeiten dürfen. Aber wir rutschen immer weiter nach unten auf der Prioritätenliste."
Die Kundgebung soll dazu dienen, den Wert von Kunst und Kultur zu unterstreichen. Gerade wenn es darum geht, in den Austausch zu treten. Bei Chudoscnik Sunergia sehnt man sich nach dieser Möglichkeit.
Konkret wünscht sich Miriam Elebe Veranstaltungen für mehr als 50 Personen. Die Hygienekonzepte lägen auf dem Tisch. "Wir verstehen jegliche Maßnahmen. Aber es wäre schön, wenn es als essentiell oder als Priorität für das gesellschaftliche Leben von der Politik anerkannt wird. Das wäre unser Wunsch."
Andreas Lejeune