Alte Mehrheit hin, neue Mehrheit her. In Raeren ist trotz aller Ausschüsse das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Misstrauensantrag gegenüber der aktuellen Mehrheit muss erst noch eingereicht werden, ehe der Gemeinderat bei einer Sondersitzung darüber abstimmen kann.
Bis dahin will der amtierende Bürgermeister Erwin Güsting nichts unversucht lassen, um seine Position zu erklären. "Ich komme mir vor, wie ein Verbrecher, der verurteilt wird, ohne gehört zu werden. Ich hatte darum gebeten, bei den Kollegen der CSL-Fraktion vorsprechen zu dürfen und Rede und Antwort zu stehen, wie die Sicht aus meinem Blickwinkel ist und nicht nur die Vorwürfe des Herrn Deller im Raum stehen."
Auch Sicht von Erwin Güsting hat es "nie unlösbare Differenzen gegeben". "Im Gemeindekollegium hat es über die zwei Jahre und vier Monate nur einstimmige Beschlüsse gegeben. Wenn es Probleme gegeben hätte, wäre das unmöglich gewesen."
Wenn Ulrich Deller nun von einer "Causa Esfahlani-Ehlert" spreche, bei der Güsting der Ecolo-Fraktion "die Pistole auf die Brust gedrückt habe", sieht sich der Bürgermeister veranlasst zu nuancieren. Auslöser waren die Äußerungen der früheren Ecolo-Schöffin zur Corona-Pandemie. "Das war die Situation, wo die CSLer den Sitzungssaal verlassen haben. Ich denke, dass es da angebracht war, Druck aufzubauen bzw. mit den Kollegen von Ecolo dafür zu sorgen, dass wir dieses Problem lösen und die Frau Esfahlani eben aus dem Amt verdrängen."
Beim Streitpunkt "Schule Lichtenbusch" sei klar gesagt worden, dass nach Erörterung der Fakten eine offene Abstimmung möglich sei. Das Streichen von zwei brauchtumsbezogenen Feiertagen für das Gemeindepersonal sei Teil eines ganzen Paketes gewesen, mit dem gerade Arbeitsplätze bei der Gemeinde Raeren attraktiver werden sollten. Wenn Ulrich Deller jetzt die Kompromissbereitschaft seiner Fraktion bei Punkten wie den Überwachungskameras oder dem Windrad bei der Firma NMC unterstreiche, hält Erwin Güsting dem entgegen, die Ecolo-Fraktion habe ja zu ihrer Haltung stehen können.
Auch den Vorwurf, er habe sich in die Ressorts von Deller eingemischt, lässt Güsting so nicht stehen. "Die Bauunternehmer, Architekten und Bauherren kommen zu mir, wenn sie ein Problem mit ihrem Bauprojekt haben. Mit dem Resultat, dass ich mich drum kümmere, immer vor Ort gehe und mit den Menschen rede."
Anders als der zuständige Schöffe, der sich auf Google Earth schlau mache, unterstellt Güsting mit einem Seitenhieb. Schon beim Gemeinderat hatte der Bürgermeister sich mit scharfen Worten nicht zurückgehalten. Und die Flucht nach vorne angetreten, indem er selbst der CSL eine Koalition inklusive dreier Schöffen-Posten anbot.
Wirklich erklären können habe er sich der gesamten Fraktion aber nicht. "Laut Jérôme Franssen hat die CSL-Fraktion am Samstagabend beschlossen, nicht als ganze Fraktion mich anzuhören, sondern dass Jérôme Franssen und Mario Pitz mich anhören. Das ist am Sonntagabend geschehen. Ich war sehr enttäuscht, dass nur die beiden da waren. Sie haben sich mein Statement angehört und gesagt, dass sie bei den gefassten Beschlüssen bleiben. Und wir haben uns dann noch einen 'Schönen Abend' gewünscht."
Tief enttäuscht und trotzdem aufrecht bis zuletzt, wie er sagt, will Erwin Güsting auf jeden Fall weitermachen im Gemeinderat von Raeren. "Ich bin für die ganze Periode gewählt und werde sie im Gemeinderat zu Ende bringen - mit dem gleichen Elan für den Bürger. Dafür stehe ich seit meinem 18. Lebensjahr und das wir sich auch nicht ändern. Ich werde das ganz bestimmt so weiterführen."
Stephan Pesch
Frau Hennes.
Hier ein Titelvorschlag für die Raerener Politposse :
Als einer schwarz sah,
Waren zwei sich nicht mehr grün.