Die Broschüre 'Belgien verstehen' geht bereits in die vierte Auflage. Doch von einer kleinen Broschüre kann nicht mehr die Rede sein. Auf über 100 Seiten gibt es umfassende Informationen über die Geschichte des Landes, seinen Werdegang und seine Organisationsstruktur.
Die neue Fassung ist ausführlicher als die Erstausgabe aus dem Jahr 2009. Die vierte Auflage wurde auf Basis des Buchs "Comprendre la Belgique fédérale" des Verlags 'De Boek' erarbeitet. 15.000 Exemplare sind gedruckt worden. Der Großteil wird in den Schulen, Mediotheken und Bibliotheken verteilt. Und zwar kostenlos. Für Ministerpräsident Oliver Paasch ist das ein Beitrag zur politischen Bildung. Und die sei gerade jetzt gefordert.
"Die Demokratie, unser Rechtssystem, wird ja gerade in dieser Krise seit März einer Prüfung unterzogen. Wir erleben eine zunehmende Spaltung in der Gesellschaft. Zunehmend auch eine Infragestellung der Legitimation politischer Entscheidungen in einer repräsentativen Demokratie. Das verdeutlicht nochmal, wie wichtig es ist, in den Schulen - aber auch in der Erwachsenenbildung und darüber hinaus - politische Bildung zu betreiben", so Paasch am Montag in einer Online-Pressekonferenz.
Neu ist in der vierten Auflage von "Belgien verstehen" eine Vertiefung der besonderen Stellung der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Federführend daran gearbeitet hat der Historiker Dr. Herbert Ruland.
"Belgien - leicht erklärt"
Die große Neuigkeit ist aber, dass neben der Neuauflage parallel eine Broschüre zum gleichen Thema erscheint. "Belgien - leicht erklärt" richtet sich - wie der Name schon sagt - an ein Publikum, das auf "Leichte Sprache" angewiesen ist. Das Publikum ist größer, als man denkt, sagt Melanie Magney vom Büro für Leichte Sprache in Ostbelgien. "Wir haben in etwa zwischen zehn und 15 Prozent funktionale Analphabeten. Das bedeutet: Menschen die, wenn sie lesen, nicht in der Lage sind, einen komplexen Absatz verstehen."
Leichte Sprache richtet sich laut Magney nicht nur an Menschen mit einer Beeinträchtigung. Die Zielgruppe ist größer: Migranten, die Deutsch lernen, Senioren mit Demenz oder Unfallgeschädigte können auch Nutznießer sein.
"Belgien - leicht erklärt" ist eine komplett neue Publikation der VoG Alteo aus Eupen. Das 84-seitige Heft wurde nicht nur mit Unterstützung der Spezialistin für Leichte Sprache, Melanie Magney, erstellt, sondern auch von dem Grafiker Mark Derwahl. Grafiken helfen nämlich da, wo auch leichte Texte an ihre Grenzen stoßen.
Die Broschüre möchte aber jedem Leser einen leicht verständlichen Zugang zum komplexen Thema Belgien ermöglichen. Die Sätze sind kurz, der Wortschatz einfach. Lange Wörter werden optisch getrennt, um ihre Lesbarkeit zu vereinfachen. Schwierige, aber wichtige Wörter werden markiert und in einem Wörterbuch auf den letzten Seiten erklärt.
Beispiele
Exekutive: Das Wort kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "ausführen". Die Exekutive ist die ausführende Gewalt im Land. Die Exekutive ist die Regierung. Sie erledigt die Aufgaben, über die das Parlament entschieden hat. Die Regierung leitet das Land und wird dabei vom Parlament kontrolliert.
Parlament: Das Parlament ist eine Gruppe von verschiedenen Menschen. Das Volk wählt bei den Wahlen diese Menschen. Sie dürfen dann im Parlament arbeiten. Sie vertreten das Volk im Parlament und entscheiden dort wichtige Dinge für sie. Sie versammeln sich regelmäßig und machen neue Gesetze. Sie kontrollieren auch die Arbeit von der Regierung.
Raum·ordnung: Die Raum·ordnung ist ein Plan mit vielen Regeln. Es geht dabei um die Ordnung und die Nutzung von Land und Boden. Es geht auch um das Leben in den Orten. Wie soll eine Stadt am besten aussehen? Wie sollen die Straßen sein? Wie sollen die Häuser sein? Wo dürfen Betriebe oder Fabriken hin? Alles soll einen passenden Platz erhalten. Wohn·viertel und Betriebe. Straßen und Brücken. Wälder und Felder. Die Raum·ordnung regelt das.
Die Erstauflage dieser Publikation wurde 5.000 Mal gedruckt. Sie kann aber auch auf der Internetseite von Alteo heruntergeladen werden.
Ein Nachdruck von "Belgien - leicht erklärt" und "Belgien verstehen" wird bei Bedarf ins Auge gefasst, heißt es aus dem Ministerium der DG. Parlamentspräsident Karl-Heinz Lambertz hofft aber, dass es bald schon eine ganz neue Ausgabe geben wird. Er würde jedenfalls darauf wetten, dass man bei der nächsten Auflage von einem Belgien zu viert lesen kann.
Stichwort 'Leichte Sprache'
Mit einfachen Satzkonstruktionen, dem Verzicht auf Fremdwörter und abstrakte Formulierungen werden hier Informationen klar und deutlich vermittelt. Die Leichte Sprache reduziert die Inhalte auf das Wesentliche und liefert Informationen je nach Bedarf auch stückweise. Stückweise bedeutet hier, Inhalte an die Zielgruppe anzupassen und eben nur bei Bedarf zu liefern. Um Leser nicht zu überfordern, wird in der Leichten Sprache auf eine logische und chronologische Reihenfolge geachtet.
Ein angenehmes optisches Erscheinungsbild mit größerer Schrift, angepasstem Zeilenabstand und einer Gliederung in Absätzen erleichtert den Lesefluss erheblich. Eine in Kontrast und Layout angepasste Grafik und der Einsatz von ausreichend Bildmaterial - je nach Sprachniveau der Zielgruppe - ist dabei entsprechend wichtig. Denn aussagekräftige und sorgfältig ausgewählte Bilder sowie eine gut lesbare Grafik sind verständnisunterstützend und somit unumgänglich.
Manuel Zimmermann
Ich erinnere mich noch an Belgopocket.
Alles kurz und klar in gutem Deutsch für uns in der DG erklärt wie z.B. Mietrecht oder Arbeitsrecht. Ich fand schade als die Seite nicht mehr erreichbar war.
Der erste Satz des Beitrags könnte auch folgenden Wortlaut haben:
"Belgien ist ein kleines Land mit einer großen Vielfalt an Institutionen und einem ausgeprägten politischen Klientelismus."
Belgien,ein wunderschönes Land.Aber immer noch viel zu kompliziert.Kann man die nächste Ausgabe schon vorbestellen?