Eine 13-Jährige trägt seit einigen Tagen eine feste Zahnspange Nicht das Sprechen, aber das Essen ist noch immer eine Herausforderung. Unter den Mitschülern ist die Spange bislang kein großes Thema gewesen. Viele hatten schon selber eine.
Manche Jungen hatten Zahnspangen in der Farbe ihres Lieblingsvereins. Auch für einige Mädchen ist die Zahnspange fast ein Mode-Accessoire. Für Spott sorgt eine Zahnspange kaum noch. "Man hört vielleicht hier und da einen kleinen Spruch. Aber das ist eher zum Mitlachen. Da muss man nicht beleidigt sein. Es ist normal geworden. Viele tragen eine Zahnspange. Eigentlich wird keiner gehänselt", erklärt das 13-jährige Mädchen.
Für Eltern ist die Investition in eine Zahnspange auch eine Investition in die Zukunft der eigenen Kinder. Der erste Eindruck von einer Person soll positiv sein. Ein schönes Lächeln, gepflegte Zähne sind heutzutage auch eine Visitenkarte, die man immer bei sich trägt.
Über 75 Prozent der Jugendlichen in Ostbelgien kommen irgendwann mal mit zahnmedizinischer Korrektur in Kontakt. Laut Hubert Heck, Direktor der Freien Krankenkasse, sind es sogar um die 90 Prozent der Jugendlichen unter den eigenen Mitgliedern.
Eine Zahnspange ist aber kein Privileg der Jugend. Immer mehr Erwachsene wollen auch eine Zahnspange, sagt Kieferorthopädin Yvonne Crott: "In der Tat trauen sich immer mehr Erwachsene, eine Behandlung durchzuführen. Gerade jetzt, wo jeder eine Maske trägt, kommen viele auf die Idee. Man sagt sich dann "man sieht es nicht, das ist der ideale Moment." Auch die Techniken haben sich in den letzten zehn Jahren sehr verbessert. Wir haben jetzt immer mehr durchsichtige Schienensysteme, mit denen wir arbeiten und wir gewisse Zahnfehlstellungen beheben können. Die festsitzenden Spangen sind auch nicht mehr so auffällig wie früher. Da hat man heute Keramikbrackets, die man aus mehr als einem Meter Entfernung schon gar nicht mehr sieht. Es ist also schon wesentlich angenehmer, diskreter und ästhetischer geworden."
Dabei gehe es bei der Korrektur einer Kiefer- oder Zahnfehlstellung nicht in erster Linie um die Ästhetik, sondern um die Gesundheit eines Patienten: "Hier geht es auch um funktionelle Aspekte, durch die man auch einen Einfluss auf Nackenverspannungen und Rückenschmerzen haben kann. Es ermöglicht auch, die Zähne länger zu erhalten." Eine Zahnspange im Alter ist also keine Seltenheit mehr. Auch der Fortschritt hat einiges dazu beigetragen, sagt Yvonne Crott: "Da hat sich viel verändert. Früher gingen Korrekturen bei Erwachsenen oft nicht so schnell. Manchmal brauchten sie vier bis fünf Jahre. Heutzutage sind wir meist nach eineinhalb bis zwei Jahren fertig. In schweren Fällen brauchen wir drei Jahre. Durch die modernen Materialien bewegen sich die Zähne viel schneller. Die Zahnspangen sind auch vom Tragekomfort wesentlich angenehmer und mit weniger Schmerzen verbunden.
Zahnspangen im Internet bestellen
Eine Hemmschwelle ist da eher der Preis. Wer den nicht voll bezahlen möchte, muss in einen anderen sauren Apfel beißen: "Es gibt immer mehr Zusatzversicherungen, die von gewissen Krankenkassen angeboten werden. Die kommen dann teilweise je nach Krankenkasse auf." Emsige Sparfüchse gehen ganz neue Wege. Mittlerweile kann man schon Zahnspangen im Internet bestellen. Der Kunde schickt nicht nur Fotos seines Gebisses an den Anbieter. Er kann sich auch ein Abdruckset nach Hause schicken lassen. Nachdem diese Abdrücke beim Anbieter angekommen sind, beträgt die Anfertigungszeit rund zwei Wochen. Die neue Zahnspange bekommt man dann nach Hause geschickt. Kieferorthopädin Yvonne Crott ist da eher skeptisch: "In diesen Zentren ist kein kompetentes Fachpersonal. Leichte Fehlstellungen von zwei oder drei Millimetern können die vielleicht beheben. Aber richtig komplizierte Fälle können sie auf keinen Fall behandeln. Da sollte man sich schon in kompetente Hände begeben. Man geht ja auch nicht zum Metzger, um einen Blinddarm entfernen zu lassen."
Ob wir unsere Zahnspangen in Zukunft per App bestellen werden, wird sich noch zeigen.
Das Interesse für kieferorthopädische Behandlungen nimmt jedenfalls zu.
Schließlich möchte man nicht nur sprichwörtlich 'Zähne zeigen'.
La vie, c'est comme une dent
La vie, c'est comme une dent
D'abord on y a pas pensé
On s'est contenté de mâcher
Et puis ça se gâte soudain
Ça vous fait mal, et on y tient
Et on la soigne et les soucis
Et pour qu'on soit vraiment guéri
Il faut vous l'arracher, la vie
Boris Vian
Das Leben
Das Leben, es ist wie ein Zahn,
zuerst hat man nicht darüber nachgedacht
Hauptsache, man konnte beißen
dann, plötzlich, gibt's da 'ne weiche Stelle
das tut so weh
man will ihn doch behalten
man behandelt ihn
macht sich Sorgen
und damit man wirklich geheilt ist
muss man es ausreißen, das Leben
Manuel Zimmermann