"Wir haben mit großer Angst auf den Herbst geschaut und waren auch eigentlich darauf vorbereitet, dass es passieren wird. Wir waren vielleicht noch nicht bereit. Aber wir waren drauf vorbereitet. Wir wussten, es wird so kommen", sagt Daniela Dries, Intensivpflegerin im St.-Nikolaus-Hospital in Eupen.
Aus der Vorahnung ist inzwischen Gewissheit worden. Traurige Gewissheit. Trotz Aufrufen zur Vorsicht, oft seitens des Krankenhauspersonals, ist Belgien und auch Ostbelgien mit voller Wucht in eine zweite Welle hinein geschlittert. Daniela Dries erinnert daran, was eigentlich zählen sollte. "Die Leute haben das große Ziel aus den Augen verloren: den Gesundheitssektor nicht zu überfordern und das System aufrecht zu erhalten. Das Ziel haben wir im Moment verfehlt."
Dafür die Gründe zu finden, ist schwierig. Das weiß auch Dr. Marco Miribung, ärztlicher Dienstleiter der Intensivstation des Eupener Krankenhauses. "Entweder waren die Maßnahmen, die getroffen worden sind, unzureichend oder die Einhaltung seitens der Bevölkerung. Es ist müßig, jetzt darüber zu diskutieren. Fakt ist: Jetzt müssen alle zusammen stehen."
In Eupen, wie in anderen Krankenhäusern des Landes, fehlt so oder so die Zeit, sich auf die Suche nach Gründen zu begeben. Auf der Covid-Station ist die Auslastung hoch. Dr. Miribung hofft fürs Erste, über das Wochenende zu kommen. Durch Verlegungen nach Aachen hat sich die Station kurzfristig Luft verschaffen können. Doch der Ernst der Lage ist weiterhin jedem bewusst. "Das ist kein Szenario, was im Hinterkopf schwebt. Wir sind an den Grenzen angekommen, die wir leisten können, auch mit dem Personal, was vorhanden ist", macht Miribung deutlich.
An den nächsten Schritt möchte eigentlich niemand denken und trotzdem beeinflussen die möglichen Folgen eines überlasteten Systems das Personal. "Wir haben am meisten Angst davor, dass wir die Entscheidung treffen müssen, wie wir weitermachen. Es ist kein Geheimnis, dass man vielleicht irgendwann selektieren muss. Voll ist voll. Wir können die Patienten nicht stapeln", sagt Daniela Dries. " Wir haben vielleicht noch ein Bett, wir können sie noch irgendwo hinlegen, wir können sie vielleicht auch noch an einen Monitor anschließen, aber ohne menschliche Hilfe ist es nicht möglich. Da könnten wir an unsere Grenzen stoßen - leider."
Auch wenn Dr. Marco Miribung hofft, dass das nicht der Fall sein wird, sollte es soweit kommen, wird ein Gremium aus Ärzten entscheiden müssen, wer weiter intensivmedizinisch betreut wird und wer nicht.
Das St.-Nikolaus-Hospital hat versucht, sich bestmöglich auf die zweite Welle vorzubereiten. Schnelltests erlauben eine einfachere Organisation der Räumlichkeiten, viele Erfahrungen wurden bereits gemacht, um nun Abläufe zu vereinfachen. Und trotz aller Mühen, gewisse Grenzen schränken die Handlungsfähigkeit trotzdem ein. "Das Problem ist, dass das Pflegepersonal größtenteils schon im ganz normalen Tagesablauf auf ein absolutes Minimum herunter gespart worden ist. Dann ist es natürlich extremst schwer, in solchen Katastrophensituationen Personal zu rekrutieren, weil es das einfach nicht gibt", sagt Dr. Marco Miribung.
Die aktuelle Krise hat das noch einmal aufgezeigt. Neu ist das Problem allerdings bei weitem nicht. "Von der Politik fühlen wir uns sehr im Stich gelassen, weil wir schon seit Jahren sagen, so geht es nicht. Das Personal wird abgebaut, der Beruf ist nicht attraktiv", beklagt Daniela Dries. "Man versucht ihn auch gar nicht attraktiv zu machen und wir stellen uns schon lange die Frage: Wer soll noch die Pflege machen?"
Daniela Dries macht deutlich, dass es in so einer Situation schwierig ist, sich nicht selbst in Frage zu stellen. "Wir haben die erste Welle geschafft und wir haben uns, denke ich, gut geschlagen. Jetzt kommt die zweite Welle und wir haben von der Politik noch nichts. Nichts! Da stellt sich doch die große Frage: Was sind wir wert?"
Diese Frage können die politischen Verantwortlichen in den nächsten Monaten beantworten. Doch nicht nur die Politik, auch den Einzelnen nimmt das Pflegepersonal der Intensivstation in die Pflicht. "Dass die Politik alles kaputt gespart hat, ist die eine Sache. Aber jetzt brauchen wir die Unterstützung der Bevölkerung", sagt die Intensivpflegerin. "Coronaleugner, Maskengegner – als Krankenpfleger macht uns das wütend. Leute, wir arbeiten hier und sehen es jeden Tag. Da kann man sich doch nicht sträuben und sagen 'Ich ziehe keine Maske an'. Das ist für unsere Arbeit zerstörend, anders kann ich es nicht sagen."
Aktuell stößt ein System an seine Grenzen. Davon sind einige über die letzten Jahre entstanden, andere sind kurzfristiger Natur. Dazu kommen persönliche Grenzen der Belastbarkeit. Ärzte und Pfleger können oft nur hoffen, die zweite Welle zu überstehen. Die nächsten Tage seien entscheidend, betonen sie. Auf der Covid-Station sowie auf der Intensivstation betonen alle die Bereitschaft, sich gegenseitig durch die Krise zu motivieren. Am Tatendrang und der Motivation des Pflegepersonals wird die Situation nicht scheitern.
Andreas Lejeune
Es ist bedauerlich, dass wohl auch diese gleichsam bedrückenden Aussagen wie in jeder Hinsicht bewundernswerte Haltung, nichts am Verhalten der Uneinsichtigen ändern wird.
Traurige Beispiele finden sich nach wie vor täglich in den "sozialen" Medien. Unfassbar!
Der beschämende Auftritt der ECOLO-Schöffin in Raeren verdeutlich die Misere (eines Teiles) einer Gesellschaft, die sich mit Händen und Füßen dagegen wehrt, aus dem Paradies vertrieben zu werden und nicht verstehen will, dass dieses Paradies nichts anderes als eine Luftblase war, die vorerst geplatzt ist.
Statt bockig darauf zu bestehen, sein "altes Leben" wieder zurück zu erhalten sollten wir solidarisch und gemeinsam ein notwendiges angepasstes Leben führen.
Zumindest solange das Virus uns dies abverlangt.
Nein, diese Zeit muss nicht verloren sein.
Robert Habeck stellte gestern völlig zu Recht die Frage, warum wir dies nicht als Herausforderung verstehen können, an der jeder Einzelne und die Gesellschaft insgesamt wachsen kann?
Mit Egoismus und Narzissmus ist diese Mut machende Perspektive nicht umzusetzen.
Echt nicht zu verstehen!!! Und heute noch, musste ich mir vom Putzpersonal 10 min lang (wenn nicht noch länger) im Seniorenheim beim Tischbesuch anhören, dass covid nicht mehr ist als die Grippe und auch sonst jedes Jahr so viele Tote wären, die Intensivstationen/Krankenhäuser schon seit Jahren gleich belastet, alles Panikmache, mundschutz unnütz, schwächt eigenes Immunsystem... während sie meine mutter ständig "betatschte" und wir auf Abstand achten! Ich bin eigentlich für Meinungsfreiheit und respektiere, dass nicht jeder gleich denkt, aber dann meine Bitte an all diese Leute: Denkt was ihr wollt und tut was ihr wollt, aber bitte, respektiert auch unsere/andere Meinungen und zumindest die Regeln um andere zu schützen und hört auf andere mit eurem Verhalten in Gefahr zu bringen!