Das neue Kapitel in der Saga heißt Staatsrat. Muriel Targnion hat zusammen mit ihrem ehemaligen Schöffenkollegen Alexandre Loffet dort eine Klage eingereicht. Dabei geht es um die Art und Weise, also das Verfahren, wie die beiden aus dem Amt gedrängt wurden.
„Das war rechtlich nicht in Ordnung“, sagen Targnion und Loffet. Der Staatsrat selbst hat zwar noch nicht entschieden, aber der Gutachter zu dem Thema hat den beiden schon Recht gegeben. Er spricht sogar von einer Verdrehung des Gesetzes.
Verstöße bei Vergabe von Bürgermeisteramt
Es geht um die Frage, wer Bürgermeister in einer Mehrheit wird. Bei uns in der Deutschsprachigen Gemeinschaft ist das ja wieder eine politische Frage, da darf die Mehrheit aus ihren Reihen einen Bürgermeister bestimmen. In den frankophonen Gemeinden ist das anders.
Dort gilt immer noch: Bürgermeister wird derjenige, der auf der Liste der stärksten Koalitionsfraktion die meisten Vorzugsstimmen erhalten hat. Geworden ist es am Ende aber Istasse, der erst das siebtbeste Vorzugsstimmenergebnis hatte.
Das heißt, da sind einige auf der Liste übersprungen worden. Dabei gilt: Wer nicht Bürgermeister werden will, obwohl er laut Stimmenergebnis Bürgermeister würde, der muss aus dem Gemeinderat zurücktreten. Das ist in Verviers aber nicht in allen Fällen passiert.
Ganz im Gegenteil - einige sind in der neuen Mehrheit sogar wieder in ihr altes Amt zurückgekehrt, wie zum Beispiel Sophie Lambert. Die war in der alten Mehrheit Schöffin und ist es jetzt wieder und auch Hasan Aydin ist der alte und neue ÖSHZ-Präsident in Verviers.
Da sagt die Rechtsanwältin von Targnion: Eigentlich hätte man ihnen erst das Bürgermeisteramt andienen müssen. Wenn sie das nicht wollten, hätten sie aus dem Stadtrat zurücktreten müssen - sind sie aber nicht.
Mehrheit: Verfahren ist korrekt gelaufen
Die Mehrheit in Verviers argumentiert, dass man das ganze Verfahren in mehreren Abschnitten betrachten müsse. Erst habe es personenbezogene Misstrauensvoten gegen die einzelnen Mitglieder des Gemeindekollegiums gegeben. Das habe sie aus dem Exekutiv-Amt gehoben und zu einfachen Stadtratsmitgliedern degradiert.
Und weil man ihnen gerade das Misstrauen ausgesprochen habe, könne man sie nicht in ein neues Bürgermeisteramt hieven. Erst dann habe die neue Mehrheit in einem zweiten Schritt das neue Kollegium gebildet und einige ehemalige Amtsinhaber wieder auf ihre alten Posten gesetzt.
Juristische Spielchen - Prozedur umgangen
Es ist auf jeden Fall ein juristischer Winkelzug, der hier betrieben wurde. Kohärent ist das ja auch nicht, wenn man erst ein Misstrauen gegen eine Schöffin ausspricht, sie dann bei der Bürgermeisterfrage übergeht, um sie dann doch wieder in ihr altes Amt zu setzen. Der Gutachter bemängelt vor allem, dass bei der Suche des neuen Bürgermeisters nicht die vorgeschriebene Prozedur angewendet wurde. In Verviers habe man das geltende Recht umgangen - so sein Urteil.
Wegen der Dringlichkeit wird der Staatsrat sein Urteil schnell verkünden. Dann könnte er das Einsetzen der neuen Mehrheit und das Absetzen der alten rückgängig machen. Muriel Targion wäre dann auch wieder Bürgermeisterin.
Aber dann wäre davon auszugehen, dass sie es nicht lange bliebe. Die Politiker müssten dann eine andere Lösung finden, die rechtskonform wäre - möglicherweise dann mit einem anderen Bürgermeister oder einer anderen Bürgermeisterin.
avenir/okr