"Die Bürgerversammlung steht kurz vor dem Abschluss. Wir hatten heute die zweite Sitzung nach der Zwangspause durch die Corona-Pandemie", sagt Myriam Pelzer. Sie ist für die Organisation der Bürgerversammlungen mitverantwortlich und guter Dinge, dass die Teilnehmer nächsten Samstag abschließen können.
Zu viel verraten wollten auch die Teilnehmer nicht. Aber man kann schon sagen, dass sie den Pflegeberuf nicht neu erfinden oder revolutionieren wollen. Statt am großen Rad zu drehen, soll es eher eine Reihe von kleinen Weichenstellungen geben.
Kompromisse
Damit dies überhaupt gelingen kann, ist fleißig diskutiert worden. Der Umgang miteinander sei aber immer harmonisch und respektvoll gewesen, sagt Bernhard Burkhart. "Jeder hat natürlich seine eigene Meinung. Wenn man aber bereit ist, sich auf Kompromisse einzulassen, ist es möglich, einen Konsens zu finden, in dem sich jeder finden kann." Das Ganze sei aber auch anstrengend, fügt Bernhard Burkhart hinzu. Es koste Zeit und Kraft sich mit so einem Thema zu befassen.
Teilnehmer Gerhard Duyckaerts sagt, dass er anfangs skeptisch gewesen sei. Aber die Neugierde ist wohl größer gewesen. "Ich bin gekommen, um mal die Hintergründe der Politik zu sehen und um die Zusammenhänge zu sehen." Gar nicht so einfach sei das, was die Politiker da machen. "Man kann alleine gar nichts machen, ohne zwei, drei andere Komponenten zu berücksichtigen. Es gibt EG-Gesetze, belgische Gesetze und dann regionale Gesetze. Das muss alles unter einen Hut gebracht werden."
"Wir glauben, dass wir etwas ändern können"
Der gleichen Meinung ist auch Angela Pierseaux. Man habe viel dazu gelernt. Und ein bisschen Naivität könne auch nicht schaden. "Manche Dinge weiß man nicht. Aber gut, wir sollten ja unbedarft da ran gehen. Das ist auch unser großes Plus, dass man da ein bisschen naiv ran geht. Und wir haben mit Corona ja gesehen, dass wir was fürs Pflegepersonal tun können."
Teilnehmerin Marie-Louise Havet geht noch einen Schritt weiter. "Wir glauben, dass wir etwas ändern können", sagt sie. Andere nicken zustimmend.
Doch eines ist auch klar: Sollte die Politik am Ende alle Vorschläge in den Wind schlagen, dann wird die Enttäuschung in der Gruppe groß sein. Bleibt zu hoffen, dass es so weit nicht kommt. Denn von Politikverdrossenheit ist unter den Teilnehmern bislang wenig zu verspüren. Der Anfangs noch skeptische Gérard Duyckaerts drückt es so aus: "Ich finde das gut, dass sich normale Bürger dafür einsetzen, um mal eine richtig kleine Lösung zu finden."
Manuel Zimmermann
Alles gut gemeint.
Nur Volksabstimmungen und-befragungen nach Schweizer Modell wären besser. Da könnte jeder mitmachen, und nicht nur ein paar Ausgesuchte, die die nötige Zeit haben. Aber die politischen Parteien haben zuviel Angst vor Volkes Stimme. Haben Angst um die Fleischtöpfe.
Herr Marcel Scholzen, ich sah oben den Titel mit Angabe von 1 Kommentar, da war mir sofort klar, dass Sie das waren. Wieder die Leier von der Schweiz. Dort können (durchschn. Wahlbeteiligung unter 25%) Bürger bei vorheriger Beeinflussung durch Interessengemeinschaften die Menschen mit Ja oder Nein stimmen. Das Leben und jedes Problem sind aber viel kommplizierter. Da ist die Bürgerversammlung, die sich zunächst einmal mit dem Thema befassen muß, dann zusammen erörtern und sich eigene Gedanken machen muß, viel demokratischer und führt auch Menschen zur Politik, die nicht so einfach gestrickt sind, wie von Ihnen immer pauschal beschrieben, und nur aus Geldgier handeln. Merken Sie eigentlich, dass Sie sich dadurch immer selbst outen (Sie wollten doch so gerne in die Politik), oder wären Sie dann die einzige Ausnahme in ganz Belgien ? Ach was sage ich, der ganzen Welt, außer der Schweiz?
Sehr geehrte Frau von Straelen!!!
Bevor sie unser Schweizer Demokratie System kritisieren, sollten sie mal zu uns in die Schweiz kommen und sich das ganze mal Ansehen!!!!
nein Danke, Herr Rimbach. erstens kritisiere ich nur das Volksabstimmungssystem (siehe z.B. Brexit), dass Herr Scholzen immer wieder nur mit der Schweiz verbindet und zweitens muss man jahrelang in einem Land leben, um die Politik wirklich zu erspüren, mit Ansehen ist es nicht getan.
Werte Frau van Straelen.
Das ich immer wieder die Schweiz als Beispiel nehme, hat damit zu tun, dass dieses System seit Jahrzehnten funktioniert. Trotz direkter Demokratie ist die Schweiz kein gescheiterter Staat sondern ein sehr wohlhabendes Land. Komisch 😁
Auch der Föderalismus funktioniert dort und hat Krisen überstanden (Stichwort Jura). Das sollte doch zu denken geben.
Dieser Bürgerdialog ist mal wieder so ein Hirngespinst, um dem Bürger das Gefühl zu geben, mitbestimmen zu können. Ein Gefühl, nicht mehr. An der reellen Macht ändert sich nichts.
Ist genau wie mit den afrikanischen Ländern. Die sind auch Pro Forma unabhängig, aber in Realität immer noch Kolonien, abhängig von den Industriestaaten.
Diese Bürgerversammlung kann man nur vergleichen mit einem Kindergemeinderat. Hier wird Politik gespielt.
Werter Herr Scholzen,
es ist nicht komisch, dass die Schweiz wohlhabend ist, es ist das Resultat von Mittäterschaft bei Geldwäsche im großen Rahmen und über Jahrzehnte , und das hat nichts mit Volksentscheidungen zu tun. Wie gesagt, die Anteilnahme des Volkes ist unter aller Kanone und hat mit Mehrheitsbeschluss nichts zu tun. Sehen Sie doch, wohin es Großbritannien führt.
Föderalismus funktioniert auch in Deutschland und vielen anderen Staaten, hier wird er von einer Seite aus aufgezwungen, die sich selbst als die Besseren hinstellen und sehr nationalistisch sind, um es gelinde auszudrücken.
Was ich von der Bürgerversmmlung halte und wie ich sie einschätze, habe ich oben beschrieben, da wird weitaus mehr Einsatz verlangt als ja oder nein.
Sehr geehrter Herr Scholzen,
JA-NEIN-Volksentscheide - "direkte Demokratie", wie Sie sie sich erträumen - haben in der Schweiz auch nicht immer zum Wohl der Menschen funktioniert (siehe Einführung des Frauenwahlrechts im Kanton Appenzell) Das liegt vermutlich am dichotomen Charakter eines solchen Volksentscheids (ja-nein, dafür-dagegen, gut-böse, Gott-Teufel...) Sehr oft führt ein solcher Entscheid zu knappen, aber harten, absoluten Mehrheiten und damit unausweichlich zu Frust, Spaltung der Gesellschaft und Demotivation - auch in der Schweiz. Daher kein Wunder, dass sich die Populisten in aller Welt - nicht nur in der ostbelgischen - die Volksentscheide auf die Fahnen geschrieben haben.
Eine Bürgerversammlung ist für komplexe Themen (wie z.B. das Thema Pflege) geeigneter als ein Volksentscheid, weil er auf zwei Säulen ruht: auf dem Zufallsprinzip (Auslosung aus einem repräsentativen Pool von Menschen) und auf der deliberativen Methode, d.h. sich informieren, abwägen, debattieren, einen Konsens (oder zumindest einen Kompromiss) anstreben und ihn praxistauglich formulieren.
Ich glaube nicht, dass Herr Scholzen alles so meint, wie er es sagt oder schreibt. Hauptsache dagegen, egal zu welchem Thema. Sein Problem ist, dass keiner Ihn nach seiner Meinung fragt. Das Haar in der Suppe gibt es überall, genau dies sucht er.
Werter Herr Brodel.
Im Gegensatz zu Ihnen bin ich nicht geprägt von preußischem Untertanengeist. Wenn mir was nicht gefällt, sage das. Ich frage auch keinen. Warum sollte ich?
Werter Herr Velz.
Ihre Aussage ist geprägt von Angst vor dem Neuen. Genau die gleiche Geisteshaltung gab es vor der Wende auch in der DDR. Die SED Herrschaft verweigerte sich auch Reformen und wurde schlussendlich hinweggefegt.
Speziell in Belgien gibt es nur zwei Möglichkeiten für die Zukunft : mehr DIREKTE Demokratie oder Diktatur der PTB oder Vlaams Belang. Wenn sich nichts verändert, kommt das böse Erwachen. Dann ist Schluss mit lustig und den gut bezahlten Posten.
Die Französische Revolution ist das beste historische Beispiel, das aufzeigt, was bei Reformunwilligkeit passieren kann.