Auf dem Höhepunkt der Corona-Krise durften sie sich wie andere Berufssparten "systemrelevant" fühlen. Schließlich sorgten sie trotz Lockdowns dafür, dass die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgt wurde. Kaufen können sie sich dafür nichts, denn viele Verbraucher sind in die alten Gewohnheiten aus der Zeit "vor Corona" zurückgefallen, wie Marc Fisch vom Luxemburger Bauernverband ernüchtert feststellte.
Er und seine ostbelgischen Kollegen waren auf Einladung des mächtigen Bauern- und Winzerverbandes Rheinland-Nassau nach Winterspelt gekommen. Dessen Präsident ist Michael Horper aus dem nahe gelegenen Üttfeld. "Wertschätzung ist ein großes Thema, der Wert unserer Produkte, die mangelnde Unterstützung der Politik für die großen Aufgaben, die auf uns zukommen in Umwelt- und Naturschutz", sagt Horper. "Wenn man das nicht positiv begleitet mit dem nötigen Finanzrahmen und vernünftigen Maßnahmen in diesem Naturraum des Grünlandes, wo wir Tiere brauchen, gerät die Landwirtschaft immer mehr unter Druck."
Appell an Politiker und Verbraucher
Aus dem deutsch-belgisch-luxemburgischen Grenzraum heraus, in dem die Bauern seit langem eng zusammenarbeiten, will Michael Horper darum ein Signal nach Koblenz senden, wo ab Sonntag bis kommenden Dienstag die europäischen Agrarminister zu einem informellen Treffen zusammenkommen. "Das ist direkt vor der Haustür. Und es ist wichtig, den Agrarministern zu zeigen, dass wir hier ein exzellentes Verhältnis zu unseren belgischen und Luxemburger Kollegen haben", betont Holper. "Wir haben die gleichen Probleme, obwohl die Volkswirtschaften sehr unterschiedlich sind."
Für den Verband deutschsprachiger Landwirte aus Ostbelgien wünscht sich dessen Vorsitzender Roger Croé aus Raeren von den in Koblenz versammelten Agrarministern, "dass sie sich für uns Landwirte einsetzen und die Regel nicht zu streng machen. Wir haben jetzt in der Corona-Krise gemerkt, wie wichtig die Produktion von Lebensmitteln ist. Und dafür muss die Politik eine gute Basis schaffen."
Der Appell der Bauernverbände richtet sich aber nicht nur an die Politiker. "Die Verbraucher sollten bewusst regional einkaufen", wünscht sich Croé. "In der Corona-Krise hatte dieser Trend sich gezeigt und wir wollen hoffen, dass es so bleibt."
Globale und lokale Herausforderungen
Auch die Landwirtschaft brauche den internationalen Handel, hieß es etwa von Seiten der luxemburgischen Vertreter, aber dann, bitte, unter gleichen Wettbewerbsbedingungen, unterstrich auch Michael Horper. "Wir brauchen gleiche Standards in ganz Europa und darüber hinaus auch für die Produkte, die von außen reinkommen", so Holper. "Die Außenhandelsabkommen sind uns ein Dorn im Auge. Wir produzieren auf höchstem Niveau und von außen kommen Dinge herein, wo wir nicht nachvollziehen können, wie sie produziert werden."
Außer mit globalen Herausforderungen müssen die Landwirte auch mit lokalen Auswirkungen zurechtkommen. "Es ist schon das dritte Jahr hintereinander, wo wir sehr stark mit der Trockenheit zu kämpfen haben", beklagt Croé. "Aber es ist sehr unterschiedlich: Es gibt Regionen, in denen es viel geregnet hat und in anderen eher wenig. Wir werden uns darauf einstellen müssen. Aber früher war es so, dass wenn unser Heustall leer war auch die anderen Landwirte nichts mehr hatten, heute können wir links und rechts Futtermittel organisieren, um die Tiere satt zu bekommen."
Der ostbelgische Verbandsvorsitzende will die Zukunft der Landwirtschaft darum auch nicht allzu schwarz malen. "Wir haben viele technische Hilfsmittel, die es zu nutzen gilt. Als ich den Betrieb vor 33 Jahren übernahm, hieß es schon: Wie soll das weitergehen? Aber wir haben immer wirtschaften können, mit Talsohlen, aber auch guten Zeiten. Man muss an seinen Beruf glauben."
Stephan Pesch