Robert Fickers ist mit dem Hotel Schröder verbunden wie kein anderer - und das im wahrsten Sinne des Wortes von Anfang an. "Ich bin in diesem Haus geboren - allerdings einen Tag zu früh, am 16. August 1955. Der 15. war ja ein Feiertag und dann war ich plötzlich da ..."
Er ist bis heute dort geblieben. An einem Ort, wo sich sonst am Grenzkontrollpunkt und an der früheren Postrelaisstation vor allem Durchgangsgäste aufhielten, wie sich auch Robert Fickers noch erinnern kann. "Das waren am Anfang viele Arbeiter aus dem Saarland, die nach Köln wollten. Dann nahmen sie hier noch 40 Zigaretten oder 100 Gramm Schokolade mit. Drüben wurde streng kontrolliert - und bei einer Anzeige konnte es teuer werden ..."
Es sei denn, jemand fand "andere Wege". "Geschmuggelt wurde auch wie immer an der Grenze, da ging jemand nach hinten raus oder die Frauen brachten Strümpfe mit und stopften Zigaretten hinein. Als Kind kann ich mich erinnern, wie Leute ins Wohnzimmer gingen und solche Dinge einpackten - das war damals normal, damit sind wir groß geworden."
180 Kilo Kaffee
Und zwangsläufig auch mit den Zöllnern, die hier ihren Dienst verrichteten. An eine unfreiwillige Schmugglergeschichte kann sich Robert Fickers auch erinnern: Vor dem Wochenende hatte er ganz vorschriftsmäßig in Belgien größere Mengen Kaffee für das eigene Café und Restaurant gekauft.
Er hatte aber vergessen auszuladen und war mit Freunden auf die Kirmes nach Deutschland gefahren, wo es dann zu später Stunde auch zum Kaffee bei ein paar jungen Mädchen gehen sollte. Jetzt fiel es ihm brühwarm ein. "Als das Wort 'Kaffee' fiel, bekam ich Panik: Ich hatte bestimmt 180 Kilo Kaffee im Kofferraum."
"Als ich dann nach Haus fuhr, begegnete ich hier dem deutschen Zöllner, den ich gut kannte, und fragte ihn: 'Was würdest du machen, wenn du jemanden erwischen würdest mit 150 Kilo Kaffee.' Da sagte er: 'Das gäbe einen zusätzlichen Streifen für die Rente.' 'Dann schau mal in den Kofferraum.' 'Bist du wahnsinnig. Schau, dass du hinters Haus kommst'."
Als Grenzbewohner mussten sich die Leute in Losheimergraben aber auch mit Auflagen herumschlagen. "Wir hatten damals noch Landwirtschaft, mussten Fluranmeldung machen, wenn wir auf deutscher Seite Heu machen wollten. Das lief alles über den Zoll, mit dem Dokument 136 B, das musste alles aufgezeichnet und verzollt werden."
Bis Anfang der 1990er Jahre die Grenzen verschwanden - auch mit Folgen für das Hotel Schröder. "Als wir es übernommen haben, hieß es: Die Grenzen fallen weg. Da hatten wir ein bisschen Panik, weil wir gerade investiert hatten. Die Zollagentur war hier im Haus und wir haben zeitweise praktisch von Fernfahrern gelebt - von morgens 7 Uhr bis Mitternacht."
Grenzen-Gerücht
Und dann hält sich hartnäckig das Gerücht, dass die deutsch-belgische Grenze mitten durch das Hotel Schröder führt. Heutzutage würde man dazu sagen: Fake news. "Das ist nicht ganz richtig. Das wurde mal gesagt, man könne durch die Toiletten von Belgien nach Deutschland gehen - das stimmt aber nicht. Allerdings war der Zoll direkt vor dem Haus, d.h. es hat dreimal gewechselt: hier, da auf der Ecke und genau gegenüber."
Auf dem kurzen Verbindungsstück zur Landstraße nach Hellenthal kann man die Grenze noch an dem Übergang zwischen zwei Asphaltschichten erkennen, erklärt uns die Tochter des Hauses, Susanne Simon, die den Familienbetreib weiterführt. "Gäste im Hotel fragen schon häufiger, wie das mit der Grenze ist. Viele wissen auch nicht, dass die Ostbelgier Deutsch sprechen."
Familiäre Atmosphäre
Es sind vor allem Stammkunden, die in Losheimergraben (wo es früher sogar mehrere Gaststätten und Pensionen gab) heute vor allem Ruhe suchen. Viele kommen aus der Gegend um Antwerpen oder aus der Provinz Limburg, manche schon seit 40 Jahren. Den Namen "Schröder" trägt das Hotel nach seinem Großvater.
Es umzubennen kam für Robert Fickers nicht in Frage. "Ich werde selbst mit 'Schröder' angesprochen. Mich stört das nicht, meinem Vater war es auch egal. Es ist so bei der treuen Kundschaft bekannt, zum Teil kommen schon die Kinder früherer Gäste."
Auch der Hotelbetrieb selbst bleibt eine Familienangelegenheit, sagt Tochter Susanne. "Ich war von klein an im Betrieb, habe immer gerne mitgeholfen. Ich habe auch im Ausland gearbeitet, aber mir war immer klar, dass ich zurückkommen möchte."
Kyllquelle
Und wenn auch keine hausinterne Grenze hat das Hotel Schröder im Keller seines Anbaus doch etwas besonders zu bieten - und das entdeckte die Familie vor rund 30 Jahren eher zufällig, als eine Wasserpumpe ausfiel. "Wir hatten gerade damit begonnen, den Keller zu fliesen. Da kam ein schwerer Sturm und wir mussten während drei Tagen ohne Strom auskommen", erzählt Robert Fickers.
"Innerhalb von fünf Minuten stand der Keller unter Wasser - und da stellte sich heraus, dass es sich um die Quelle der Kyll handelt: der Bach läuft hier unter der Straße durch, unter dem Nachbargrundstück, ehe er ans Licht tritt."
Hier oben auf der Wasserscheide liegt das Quellgebiet gleich mehrerer Bach- und Flussläufe und das weckt neues Interesse. "Es kommen auch immer mehr Radfahrer und fragen nach der Kyllquelle. Denn der Ravel ist mit dem Kyllradweg verbunden", erklärt Susanne Simon. "Wir gehen dann auch mit den Leuten in den Keller und zeigen ihnen das - aber das ist ein bisschen enttäuschend, das ist nur ein viereckiges Loch - andere Quellen sind weitaus interessanter (lacht)."
Stephan Pesch