In der Niederlassung des BTZ an der Vervierser Straße in Eupen ist es schon seit Wochen merkwürdig still. Im Wartezimmer sitzt niemand, denn Kindertherapien wurden vorerst ausgesetzt und direkte Gespräche finden hier zurzeit nur noch in Notfallsituationen statt.
Achim Nahl, der therapeutische Leiter, erklärte am Montagmorgen während eines Pressegesprächs die aktuelle Arbeitsweise des BTZ: "Was wir in den letzten Wochen gemacht haben, ist hauptsächlich eine Erstversorgung. Unsere bisherigen offenen Sprechstunden und Erstgespräche, die man hier vor Ort immer machen konnte, sind ersetzt worden durch Videokonferenzen und telefonischen Kontakt."
"Wir haben sehr viele Erstgespräche mit neuen Personen geführt, die erstmalig unsere Hilfe in Anspruch nehmen, und wo wir dann über das Erstgespräch hinaus weitere Kontakte per Telefon oder Video angeboten haben, um den ersten Druck aufzufangen. Wir sind wirklich im Modus "Erstversorgung" unterwegs gewesen und bei unseren bisherigen Klienten im Modus 'Stabilisieren, Halten, Helfen beim Durchhalten'." Per Telefon und Videokonferenz alles andere als einfach.
Und mit der Ausgangssperre hat der Beratungsbedarf sogar noch weiter zugenommen - Tendenz steigend, sagt Achim Nahl: "Wir rechnen zunächst einmal mit einem Anstieg des Bedarfs bei unseren bisherigen Klienten, die während der Ausgangssperre zu Hause geblieben sind. Manche haben ihre sozialen Kontakte in der Zeit verloren - und für viele Klienten ist ja gerade das etwas Stabilisierendes, sodass es jetzt manchen schlechter geht und sie wieder mehr Hilfe brauchen. Wir rechnen allerdings auch mit einem Anstieg neuer Anfragen von Personen, die an den Folgen der Corona-Krise leiden."
Einsamkeit, Ehekonflikte, überforderte Eltern, häusliche Gewalt oder auch trauernde Angehörige - die Folgen der Krise sind vielfältig. Nicht zu vergessen die Pflegekräfte, von denen viele an der Belastungsgrenze sind. Für sie hat das BTZ einen telefonischen Bereitschaftsdienst eingerichtet.
"Wir haben jetzt den Peak, der Druck geht langsam runter", erklärt Olivier Warland, der Geschäftsführer des BTZ. "Auch wenn die DG weniger betroffen war als andere Landesteile rechnen wir mit einer Erhöhung der Anfragen, die ankommen werden. Wir bereiten Lösungen und auch Dienste vor, an die sich die Pflegekräfte wenden können, um die Trauer oder ein mögliches Trauma zu verarbeiten."
Die Corona-Krise wird in der Gesellschaft tiefe Spuren hinterlassen, die Verarbeitung der Belastungen wird andauern. Darauf bereitet sich das BTZ jetzt schon vor - und warnt vor falscher Scheu. Wer Hilfe braucht, wird sie hier auch weiterhin finden.
Voraussichtlich ab dem 18. Mai wird man die Klienten dann wieder in den drei Niederlassungen des BTZ empfangen können. Die Rückkehr zum Normalbetrieb erfolgt allerdings nur schrittweise und unter strengen Sicherheitsauflagen. Das Tragen eines Mundschutzes in den Räumlichkeiten wird dann Pflicht sein, auch Plexiglas-Wände, Schutzvisiere und so weiter werden künftig bei den Gesprächen zum Einsatz kommen.
Außerdem müssen jetzt Zielgruppen definiert werden, denn Priorität haben erst einmal die Klienten, denen es am schlechtesten geht - für die Therapeuten eine schwierige ethische Entscheidung, weiß Olivier Warland: "Alle Einrichtungen sind geprägt von der Corona-Krise und müssen sich quasi neu erfinden. Mit dem gleichen Personal muss man die gleiche Arbeit leisten, aber unter anderen Voraussetzungen."
"Die Consulting-Maßnahmen, also Video - oder Telefonberatung, das ist auch für das BTZ eine neue Sache gewesen. Man ist ja gerade im therapeutischen Bereich darauf angewiesen, direkten Kontakt mit dem Klienten zu pflegen. Jetzt kommen noch die Masken hinzu, das heißt das Non-Verbale fällt ganz weg. Die Therapeuten müssen sich neu erfinden und überlegen, wie man die Therapie neu gestalten kann aufgrund der Maßnahmen."
Sich neu erfinden - eine schwierige Aufgabe, vor allem eben mit Blick auf die Sicherheitsbestimmungen. Wie soll beispielsweise eine logopädische Therapie mit Mundschutz möglich sein? Die Herausforderungen sind groß und zahlreich, aber im BTZ sieht man die Corona-Krise auch als Chance, sich weiterzuentwickeln und neu aufzustellen.
Melanie Ganser