Anwältinnen wie Elvira Heyen erleben gerade wie so viele auch eine Ausnahmesituation. Keine persönlichen Beratungsgespräche mehr mit Mandanten, keine Treffen mit der Kammer, dem Kollegium oder den Richtern. Kein Plädieren mehr vor Gericht. Vieles läuft gerade auf Sparflamme, doch als Präsidentin der Anwaltskammer hatte Elvira Heyen in den letzten Wochen alle Hände voll zu tun.
"Es ist jetzt mehr als einen Monat her, dass diese ganzen Maßnahmen auf uns zukamen. Wir wurden effektiv anfangs mit sehr vielen Mails, Stellungnahmen und auch Verordnungen bombadiert: Was ist in dem Gerichtsbezirk möglich? Wie wird das gehandhabt?", beschreibt Elvira Heyen.
"Also das musste dann wirklich allen Anwälten und vor allem dann unseren deutschsprachigen Anwälten mitgeteilt werden. Es musste dann festgelegt werden, was dringend ist, was auf jeden Fall in den nächsten Tagen geschehen musste und welche Prozeduren trotzdem noch anberaumt werden können."
Eine Prozedur stand jedoch bezirksübergreifend sofort fest. Und zwar müssen so viele Prozesse wie möglich über ein schriftliches Verfahren abgewickelt werden. Stark vereinfacht heißt das: Die beiden Parteien reichen beim Richter alle Dokumente und ihre Anträge ein, der Richter prüft das Ganze und fällt sein Urteil.
Prozesse, bei denen ein solches Verfahren nicht möglich ist, wurden bis auf Weiteres vertagt. Dabei sieht die Kammerpräsidentin auch während Corona für eine mündliche Verhandlung Möglichkeiten. "Wir haben da diesen großen Sitzungssaal, wo ja auch der Geschworenenprozess stattfinden sollte, und dadurch dort die Möglichkeit, geregelte und vielleicht sogar feste Uhrzeiten festzulegen für Angelegenheiten, die dann doch auch mündlich plädiert werden."
"Also der Mehrwert des Anwalts liegt doch auch im Plädoyer und es ist auch unser Privileg, den Mandanten vor Gericht zu vertreten. Und ich glaube auch, dass der Mandant das so sieht und meint, dass etwas verloren geht, wenn die Akte nur schriftlich vom Richter bearbeitet wird."
Wesentlicher Dienst
Und bei einer Gruppe Mandanten geht sogar eine ganze Menge durch den Ausfall von Gerichtsterminen verloren. Untersuchungshäftlinge werden aktuell nicht mehr vorgeführt, was ihr Verteidigungsrecht stark einschränkt. "Natürlich wird der Anwalt versuchen, hier seinen Mandanten zu verteidigen und auch auf seine Freilassung zu bestehen."
"Der Richter findet das auch nicht sehr angenehm, er sieht den Mandanten nicht, über den er jedoch zu entscheiden hat. Das sind ja doch oftmals freiheitseingrenzende Maßnahmen oder Urteile, die dann verkündet werden. Also da hoffen wir auf jeden Fall, dass die Sache sich demnächst wieder so regelt, dass die Häftlinge erscheinen können."
Ob der Mandant nun hinter Gittern sitzt oder nicht, der Kammerpräsidentin ist besonders eines wichtig: dass die Menschen wissen, dass Anwälte weiterhin für sie da sind. "Die Ausgangsbeschränkung gilt nicht für den Anwaltsberuf. Das war direkt im ersten königlichen Erlass vom 18. März so vorgesehen. Wir Anwälte sind ein wesentlicher Dienst, der weiter aufrechtzuerhalten ist."
Und das gilt auch für die kostenlosen Angebote wie den weiterführenden Rechtsbeistand. Über das Telefon kann sich also weiterhin jeder Rechtssuchende beraten lassen. Für Elvira Heyen ist jedoch klar: Der Anwaltsberuf lebt ganz einfach vom persönlichen Kontakt zu den Mandanten.
Kontakte für Rechtssuchende
- Kostenloser weiterführender Rechstbeistand (Pro Deo): Rechtsanwalt Thomas Lennertz, t.lennertz@avocat.be, 087/22.02.86
- ÖSHZs der Gemeinden
- Kostenlose juristische Sprechstunde: siehe Aushang am Justizhaus (Eupen) bzw. Haus der DG (St. Vith) mit der Rufnummer des diensthabenden Anwalts
Sarah Dederichs