Anne Kever macht momentan Forschungsarbeiten an der Uniklinik in New York - oder besser gesagt für die Uniklinik: Denn arbeiten tun sie und ihr Mann seit einigen Wochen nur von zu Hause aus. Nur fürs Einkaufen und kurze Spaziergänge verlassen sie ihre Wohnung. Denn die Stadt befindet sich momentan im Ausnahmezustand: "Die Lage ist brenzliger geworden, wie man auch in den Medien sieht." Zwar sei die Metropole noch keine Geisterstadt. Doch vor allem die Touristen-Hotspots sind wie leer gefegt.
Die Vorsichtsmaßnahmen sind erst vor Kurzem strenger geworden: New Yorker Spielplätze wurden beispielsweise erst in den letzten Tagen geschlossen. Strenge Regeln für Supermärkte gibt es aber (noch) nicht. Die Prioritäten der Amerikaner und die der Europäer scheinen sich zu unterscheiden: "Der Bürgermeister hat erklärt, dass es für das medizinische Personal genug Schutzmaterial gibt. Dieser Schutz schien hier wichtiger gewesen zu sein, als Vorkehrungen für die gesamte Bevölkerung zu treffen." Die New Yorker nehmen die Lage aber ernst, auch wenn keine Panik herrscht. Die Bevölkerung halte Abstand voneinander, berichtet Anne Kever.
Das ist auch richtig so, denn die Lage in den Krankenhäusern ist kritisch. Das weiß die Ostbelgierin aus eigener Erfahrung: "Ich und die anderen Forscher der Universität haben einen Aufruf erhalten: Wer kann, soll sich im Krankenhaus um Patienten kümmern. Und das obwohl wir kein geschultes Personal für diese Aufgabe sind. Es haben sich viele Leute gemeldet: mehr als nötig waren. Daran merkt man, dass der Zusammenhalt groß ist."
Von New York aus ist Anne Kever mittwochabends übrigens telefonisch als psychologische Ansprechpartnerin für ostbelgische Anrufer zu erreichen: Zwischen 18 und 20 Uhr belgischer Zeit kann man sie bei Whatsapp ( +1 929 204 54 72) anrufen oder anschreiben. "Letzte Woche hatte ich drei Anrufer innerhalb dieser zwei Stunden und auch schriftlich haben einige Kontakt gesucht."
Todes- oder Krankheitsfälle gehörten dabei zum Glück nicht. Doch Anne Kever weiß, dass auch das zum Alltag von Corona gehört: Menschen, die ihre Angehörigen unbegleitet verlieren müssen. "Ich habe das auch schon bei Ärztekollegen mitbekommen. Sie sind im Kontakt mit den Patienten ja ganz vermummt. Und da geht natürlich auch ein menschlicher Aspekt verloren."
Die Situation in den amerikanischen Krankenhäusern wird sich wohl noch weiterhin verschärfen. Denn dort wird erst in den nächsten Wochen ein Peak bzw. Plateau erwartet. Dieses Plateau scheint in Belgien ja bereits erreicht zu sein: "Das nimmt den Leuten bestimmt die Sorge, aber ich glaube, auch das gute Wetter tut den Belgiern gut. Schließlich können vor allem die Ostbelgier bei Sonne raus, ohne dabei zu vielen Menschen zu begegnen. Hier in New York ist das anders."
Und nicht nur für Natur ist weniger Platz in New York. Auch die Wohnflächen fallen deutlich kleiner aus. "Deshalb vermissen wir auch gerade die Wälder und die Natur in Ostbelgien am meisten."
Raffaela Schaus