Die Banken wissen, dass die zunehmende Digitalisierung Senioren zu schaffen macht, aber zurzeit findet ein harter Wettlauf um den Kunden von morgen statt. Da will keine Bank den Anschluss verpassen. Denn wer nicht auf den digitalen Zug aufspringt, steht in Zukunft vielleicht ohne Kunden da.
Im Grunde sind Bankgeschäfte, die man auf dem Handy erledigt, auch viel einfacher, schneller und praktischer als am Bankschalter, wo man vielleicht erst mal einen Termin machen muss, bevor man hingehen kann. Junge Menschen regeln zum Beispiel ihren Hypothekenkredit vollständig über die Bankapp. Da ist kein Papier im Spiel, was vor zehn Jahren kaum denkbar war.
Für viele Senioren bleibt der persönliche Ansprechpartner der Bank aber wichtig. Das hat jedenfalls Irmgard Paulus bestätigt. Die bald 74-Jährige ist nicht nur Sprecherin der BRF-Rubrik "Wort in den Tag". Sie ist auch seit einigen Jahren Mitglied im Seniorenbeirat der Stadt Eupen und steht dadurch auch in Kontakt zu vielen Senioren.
Irmgard Paulus macht ihre Bankgeschäfte zu Hause am Computer. Aber eine Smartphone-App ist auch nicht ihr Ding. Mit zunehmenden Alter wachse die Angst, etwas Neues zu lernen, sagt sie. Man müsse zwar versuchen, diese Angst abzulegen, aber das sei leichter gesagt als getan, besonders wenn es um technische Dinge geht, mit denen man nicht aufgewachsen ist.
Das ist nachvollziehbar und den Banken ist dieses Problem auch bekannt. Fast alle belgische Banken haben in letzter Zeit oder werden demnächst Tarife für Bankgeschäfte erhöhen. Das betrifft im besonderen auch Geschäfte am Bankschalter. Zum Beispiel wird bei der Belfius-Bank der Tarif für manuelle Überweisungen teurer, und auch das Porto für Kontoauszüge wird steigen. Kunden ab 70 Jahren sind davon ausgenommen. Eine Sprecherin der Bank sagte zu diesem Thema: "Wir können Menschen über 70 Jahre nicht dazu zwingen, digital zu arbeiten."
Okra, die größte Seniorenorganisation Flanderns, lobte Belfius dafür, dass sie Über-70-Jährige von dieser Tariferhöhung für manuelle Bankdienstleistungen befreit. Okra hofft aber auch, dass andere Banken dem Beispiel folgen werden. Es sei ein Schritt in die richtige Richtung. Aber unterm Strich ist das eher der Tropfen auf dem heißen Stein. Okra weist darauf hin, dass immer mehr Bankfilialen und Geldautomaten verschwinden. Vor allem Senioren sind dann Opfer der Digitalisierung von Bankdienstleistungen.
Irmgard Paulus ermutigt Senioren, mehr Bezahlungen mit der Bankkarte zu verrichten. Sie bedauert aber, dass es bei den Banken immer weniger verständnisvolle Mitarbeiter gibt. In den letzten Monaten haben zwei große Bankinstitute beschlossen, die Kontoauszugsdrucker in ihren Filialen abzuschaffen. Das digitale Bankgeschäft drängt sich also auf.
Es gibt keinen Weg mehr zurück. Das bestätigte eine junge Bankangestellte. Aber es gibt auch Banken die versuchen, den Digitalisierungsprozess zu beschleunigen, indem sie Schulungen anbieten. Das macht die KBC zum Beispiel. Da gibt es im Norden und im Süden der Deutschsprachigen Gemeinschaft alle paar Monate einen Kurs, bei dem man den Senioren zeigt, wie das Onlinebankgeschäft funktioniert. Im Grunde ist das auch ein Ansatz, den Irmgard Paulus befürwortet.
Es muss auch nicht immer die Bank sein, sagt Irmgard Paulus. Schön ist, wenn es Vertrauenspersonen oder Familienmitglieder gibt, die helfen können. Sie möchte auf jeden Fall Mut machen, es auch noch im hohen Alter zu lernen.
Manuel Zimmermann