In einem Tondokument aus dem Monat Dezember 1984 erzählt Margarete Doepgen, die 2012 im Alter von 91 Jahren starb, dem damaligen BRF-Chefredakteur Peter Thomas sehr bewegend und anschaulich über die Bombardierung.
"Das ist ein Weihnachtsfest, das ich nie vergessen werde. Die Erinnerung daran ist so stark, als ob es gestern gewesen sei", erzählt Margarete Doepgen. Ihr Mann war in Gefangenschaft, wie ihre Mutter und Tanten war sie mit ihren beiden Kindern, einem zweijährigen Mädchen und einem zehn Monate alten Jungen, in St. Vith geblieben.
"Wir wohnten damals in der Klosterstraße, sind aber nach dem Weggang der Amerikaner am 16. Dezember ins Kloster geflüchtet. Dort kamen aber durch die Offensive so viele Verwundete an, dass wir als Zivilisten nicht mehr dableiben konnten."
Sie wurden in den Keller unter der Klosterkapelle geschickt. "Dort wollte ich nicht hin, denn man hatte mir empfohlen: 'Geh niemals in diesen Keller. Wenn da Bomben drauffallen, die schlagen von oben bis unten durch.' Meine Mutter und ich haben dann die Kinder in den Kinderwagen gepackt, Koffer und Decken obendrauf, und wir sind durch St. Vith, das mit Granaten beschossen wurde, zu meiner Tante in die Rathausstraße geflüchtet."
In dem Gewölbekeller fand die Familie die nächsten Tage Unterschlupf. "Es waren Öfen da, wir hatten die Betten runtergestellt. Aber wir hatten zur Verpflegung nur noch Kartoffeln. Wir aßen täglich Pellkartoffeln."
Morgen sind wir dran
Auch den Angriff auf St. Vith am ersten Weihnachtstag erlebte Margarete Doepgen in diesem Keller. "Die Nachbarn aus der Rathausstraße haben sich bei uns versammelt, die Keller waren ja alle verbunden. Jeder suchte die Nähe des anderen." Der erste Angriff traf den oberen Teil der Stadt, die Rathausstraße lag im unteren Teil.
"Wir haben uns gefragt, ob wir verschont bleiben. Aber Herr Bous, einer der Nachbarn, meinte: 'Das glaube ich nicht. Die werden wiederkommen. Morgen sind wir dran.' Es kam aber keiner auf den Gedanken, dass wir weggehen sollten - aufs Dorf, aufs Land. Wir sind alle geblieben und haben das Beste gehofft."
Wie ein Erdbeben
Er sollte Recht behalten, denn am zweiten Weihnachtstag gegen 15 Uhr folgte der nächste Angriff. Erneut versammelten sich die Nachbarn im Gewölbekeller. "Dann fing diese Bombardierung an. Wir standen zu 20 Personen dicht gedrängt in diesem kleinen Keller und erlebten das Beben der Erde. Es war wirklich wie ein Erdbeben, die Steine flogen um uns herum. Wir glaubten zu ersticken, weil der Kamin und der Ofen geplatzt waren", schildert Margarete Doepgen.
"Wir bekamen keine Luft mehr, alles schrie durcheinander. Ich hatte das Bébé auf dem Arm, das rutschte mir bald herunter. Ich hätte es nicht mehr aufheben können. Meine Mutter half mir. Auch Frau Sonkes-Thyssen hatte ihr kleines Mädchen auf dem Arm. Die Kinder schrien, es war ganz fürchterlich. Wie lange es gedauert hat, kann ich nicht mehr sagen. Aber es muss 30 Minuten oder länger gedauert haben."
"Dann fielen wieder neue Bomben, die Decke über uns wurde aufgerissen und es kam frische Luft herein, so dass wir wieder atmen konnten. Kurz danach, als es aufhörte, hörten wir Stimmen von draußen. Wir kamen aber nicht hinaus, denn die Öffnung war an der Decke und wir hatten keinerlei Leitern. Aber wir hörten Stimmen: 'Sind hier noch Menschen? Sind hier noch Überlebende?' Da waren wir gerettet. Es waren deutsche Soldaten, die die Bombardierung von Hünningen aus miterlebt hatten. Die haben uns aus dem Keller herausgezogen."
St. Vith brannte
"Als wir sahen, was angerichtet war, das war ganz schlimm. Wir haben geschrien und geweint. St. Vith brannte. Der Phosphor lief schon in den Keller herein." Margarete Doepgen überredete einen der Soldaten, den Kinderwagen aus dem Keller zu holen. "Wir mussten uns beeilen, aus dem Feuermeer herauszukommen. Das Amtsgericht und die Häuser gegenüber fielen bald zusammen. Dann hätte es keinen Ausweg mehr gegeben."
Unter Fliegerangriffen flüchtete die Gruppe über die Ameler Straße (Aachener Straße) bis zur Walleroder Brücke. Dort standen Sanitätswagen des Roten Kreuzes, die Margarete Doepgen, ihre Kinder und die anderen Verwandten und Bekannten nach Wallerode brachten. "Dort kehrten wir im Hause Jenniges ein. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Das brennende Weihnachtsbäumchen stand in einer Ecke, es waren viele Soldaten und Offiziere dort und feierten Weihnachten. Aber Wallerode stand auch unter Granatenbeschuss."
"Man hat uns gut verpflegt, man hat uns alles gegeben was man nur konnte. Aber es wurde uns auch gesagt: Hier könnt ihr nicht bleiben, hier ist die Front. Wir müssen euch weitertransportieren." In der Nacht wurde die Familie per LKW evakuiert. Nach einigen Tagen kam sie in Bad Godesberg in der Nähe von Bonn unter.
sp/km