Am alten Bahnhof in St. Vith ist 1940 erstmals der Krieg in die Stadt gekommen. Es ist der Ausgangspunkt der Sonderführung zum Gedenken der Ardennenoffensive. "Beginnen werden wir die Stadtführung zur Ardennenoffensive immer hier, weil das der Platz war, wo die St. Vither als erstes gehört haben, dass sich etwas tat, dass also die Deutschen hier in die Ardennen einrückten", erklärt Joseph Spoden. "Morgens um vier Uhr sind die St. Vither geweckt worden durch einen großen Knall. Keiner wusste was los war. Als sie aus den Fenstern schauten, sahen sie an dieser Seite der Stadt eine große Rauchsäule und als sie hier hin kamen, sahen sie, dass die Brücke am Rosenhügel in die Luft gesprengt worden war."
Die Brücke am Rosenhügel war die Hauptachse zum Westen. Ein belgisches Sonderkommando hatte sie noch vor Einmarsch der Deutschen sprengen können. Doch auch ohne diese Brücke blieb St. Vith ein strategisch wichtiger Stützpunkt, denn durch die Stadt verlief einer der wichtigsten Knotenpunkte der damaligen Infrastruktur: die Kreuzung an den Linden, heute ein Kreisverkehr. "Diese Kreuzung besteht aus sechs wichtigen Zufahrtsstraßen: ins Landesinnere, in den südlichen Teil, nach Luxemburg, nach Deutschland und nach Norden Richtung Amel", weiß Stadtführer Pierre Benker.
"Als die Deutschen 1940 hier rein gekommen sind, war das eine sehr wichtige Kreuzung. Als die Amerikaner gekommen sind, war das eine wichtige Kreuzung und auch bei der Ardennenoffensive war hier wiederum der wichtigste Punkt im ganzen Abschnitt von Luxemburg bis rauf nach Monschau. Das war so ziemlich das Wichtigste, was die Deutschen einnehmen mussten", erklärt Benker.
Als die Alliierten über diese Kreuzung im September 1944 einmarschierten, bot sich ihnen ein Bild, das sie so noch nie gesehen hatten. Zum ersten Mal wurden sie nicht jubelnd empfangen. Die Stadt war wie leergefegt. Niemand traute sich beim Einmarsch der Amerikaner auf die Straße. "Ich würde mal sagen, dass so circa 250 bis 300 Leute den Treck mitgemacht haben. Man muss dazu wissen, dass gewisse Leute schon eher abgereist sind. Die Reichsdeutschen - also die Deutschen, die hier in St. Vith waren - haben schon nachmittags die Stadt mit dem Zug verlassen", weiß Benker. "Leute, die ein Auto hatten, haben es per Auto gemacht und die einheimische Bevölkerung, die eben nicht die Möglichkeiten hatte, hat man dann hier zusammengetrommelt und die ist dann zu Fuß mit den Viehwagen, mit Fahrrädern, mit Kinderwagen und dann ab Richtung Schönberg. Und das Ganze immer nachts."
Alle, die St. Vith im Herbst nicht verlassen hatten, erlebten im Dezember 1944 hautnah die Ardennenoffensive - ein am Ende gescheiterter Versuch der Deutschen, St. Vith zurückzuerobern. Das Resultat dieses letzten Angriffs war die beinah vollständige Zerstörung St. Viths durch einen Bombenhagel der Alliierten.
Am Büchelturm, der Endstation der Führung, ist dieses Ereignis besonders präsent. Hier erstreckt sich der Stadtpark, unter den Älteren besser bekannt als "Millionenberg". Nach dem Krieg ist der ganze Schutt hier hin gebaggert worden. Die St. Vither, die dann aus dem Krieg, vom Treck und den Dörfern zurückkamen, fanden ihre Stadt zerstört vor, teilweise schon weggebaggert, und ihr ganzes Vermögen war hier hin gebaggert worden. Dafür heißt das hier im Volksmund der Millionenberg", erklärt Benker.
Die Stadt musste quasi von Grund auf wieder aufgebaut werden. Da blieb keine Zeit für Trauer, keine Zeit, um über das nachzudenken, was geschehen war. Heute hat sich das Blatt gewendet. Es wird aktiv bedacht, es werden aktiv jene Orte aufgesucht, die vor 75 Jahren Schmerz und Schrecken verbreitet haben. "Für mich ist es aber auch wichtig, ein Denkmal zu besuchen, weil ein Denkmal soll ganz einfach daran erinnern: 'Denk mal!'", so Joseph Spoden. "Denk mal nach über das, was geschehen ist. Man sollte mit den Gästen, wenn sie hier sind, auch einmal daran denken lassen, dass das alles Männer waren. Es waren Väter, es waren Söhne, es waren Ehemänner, Brüder, die hier ihr Leben gelassen haben, damit wir von dieser Nazityrannei befreit wurden."
Zweiter Weihnachtstag
Die Stadtführung gibt es auch am 26. Dezember um 14 Uhr.
Sarah Dederichs