Wer hierher kommt, ist auf der Suche - auf der Suche nach Spuren in der Vergangenheit - und das sind beileibe nicht nur Historiker. "Ich glaube, unsere Nutzer sind genau so bunt und vielschichtig, wie die Archivalien, die wir hier im Haus aufbewahren. Wir haben natürlich viele Menschen, die sich mit ihrer Familiengeschichte auseinandersetzen, Genealogen, aber auch insbesondere Studenten, die ihre Abschlussarbeit schreiben oder Forscher, die Bücher und Aufsätze zu bestimmten historischen Themen publizieren", erklärt Peter Quadflieg, Oberassistent am Staatsarchiv Eupen.
Aber erst müssen die Dokumente ja ins Staatsarchiv kommen: "Das ist mit unsere wichtigste Aufgabe: Wir betreuen die Behörden in der Deutschsprachigen Gemeinschaft, besuchen diese Behörden, geben ihnen Hilfestellung beim Umgang mit Akten und Dokumenten und suchen zusammen mit den Behörden die Unterlagen aus, die für Ewigkeiten im Archiv bleiben und aufbewahrt werden sollen", so Peter Quadflieg.
Darunter sind Gerichtsakten, Unterlagen des Finanzministeriums, notarielle Akte, aber auch das, was in den Gemeinden dokumentiert wird, in Pfarren, einigen ÖSHZ Und im Fall des Staatsarchivs Eupen auch die Deutschsprachige Gemeinschaft und ihre Einrichtungen. Denn im Unterschied zu den anderen Regionen und Gemeinschaften in Belgien verzichtet sie darauf, ihr eigenes Archiv aufzubauen.
Umgekehrt hätte es ohne die Autonomie wohl nie ein Staatsarchiv in Eupen gegeben, sagt die leitende Staatsarchivarin Els Herrebout: "Unsere Akten lagen vorher in Lüttich. Damals sind 300 laufende Meter an Archivmaterial rübergekommen, mittlerweile haben wir 2,4 Kilometer reine Archivalien." Da sind die Kartenschränke, Fotobestände oder Glasplatten noch gar nicht mitgerechnet. Und auch nicht die sehr geräumige Bibliothek im Obergeschoss.
Mit Tagungen, Ausstellungen oder Buchvorstellungen wendet sich das Staatsarchiv auch an ein breiteres Publikum. In diesem Jahr ist es zum ersten Mal bei der Veranstaltung "Seitenstraße - Lesen hinterm Tresen" dabei. Ein erfolgreiches Konzept ist der "Collection Day" in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für ostbelgische Geschichte (ZOG) und dem Geschichtsverein: Die Leute können vorbeibringen, was sie an historisch interessanten Dokumenten in einem Nachlass oder vielleicht auf dem Speicher gefunden haben.
Grundsätzlich stehen alle Akten, die älter sind als 30 Jahre, also vor 1989 geschlossen wurden, für die Nutzung im Staatsarchiv offen. Allerdings sind Unterlagen, die Personalangelegenheiten oder andere besondere Schutzrechte betreffen, insgesamt 100 Jahre für die Nutzung gesperrt.
"Das Staatsarchiv in Eupen ist das Gedächtnis der Deutschsprachigen Gemeinschaft. Das hört sich pompös an, aber es trifft den Kern der Sache", so Els Herrebout. Als das Staatsarchiv vor 30 Jahren im damaligen Collège Patronné eingerichtet wurde, sollte das ein Provisorium sein. Es wurde ein Dauerzustand. "Papier ist zwar geduldig", aber der geplante Umzug, ein paar Meter weiter, ins frühere Parlamentsgebäude lässt doch schon lange auf sich warten.
Im nächsten Jahr stehen nun die Um- und Ausbauarbeiten an, spätestens 2023 soll es dann endlich so weit sein. "Wir brauchen in der Tat viel Platz, weil für die nächsten Jahre noch größere Abgaben vorgesehen sind, zum Beispiel Finanzministerium noch 300 Meter, Gericht 50 Meter - dafür brauchen wir wirklich viel Platz, aber das ist jetzt gesichert für die Zukunft", erklärt Els Herrebout.
Am kommenden Mittwoch, dem 27. November, feiert das Staatsarchiv mit einem Festakt im Kloster Heidberg sein 30-jähriges Bestehen.
Stephan Pesch