Die Erinnerungen des damals zehnjährigen Reinhold Palm aus Hünningen bei Büllingen und des gleichaltrigen Alfred Habsch aus Honsfeld stehen stellvertretend für die Erfahrungen, die viele Einwohner von Dörfern nahe des Westwalls gemacht haben, nachdem sie Anfang Oktober evakuiert worden waren.
"Die zweite Besonderheit ist, die Geschichte aus den Augen von Zehnjährigen zu erzählen", sagt Buchautor Rainer Palm. Bisher habe man vor allem die Erinnerungen von Zeitzeugen dokumentiert, die zu jener Zeit erwachsen waren. "Da kommt dann auch das Politische zum Tragen," meint Rainer Palm, während ihm seine Zeitzeugen einen unverstellt-kindlichen Blick auf die Ereignisse von Oktober 1944 bis weit in die Nachkriegszeit hinein lieferten.
Anschauliche Darstellung
"Ich hatte auch das Glück, zwei Personen zu interviewen, die noch sehr viel aus dieser Zeit wissen und das auch sehr lebendig erzählen können." Das taten sie in ihrer Mundart, dem Eifeler Platt. Rainer Palm schnitt die Gespräch mit und brachte sie in Buchform. Bei der Buchvorstellung in seinem Heimatdorf Hünningen konnte er sehr anschaulich vermitteln, wie er dabei vorgegangen ist, untermalte den Vortrag mit Bild- und Tondokumenten.
Die beiden "Protagonisten", wie er sie nannte, genossen den Nachmittag sichtlich. Sein Onkel Reinhold Palm, der schon in den 1950er Jahren nach Brüssel gezogen war, kam mit der Familie eigens aus seinem Wohnort Vilvoorde in die alte Heimat - Alfred Habsch hatte es nicht weit aus dem Nachbardorf Honsfeld.
Keller & Granaten
Amüsiert verfolgten die beiden 85-jährigen Zeitzeugen vor allem die Abschnitte aus den Nachkriegsjahren, wo es um das haarsträubende und gefährliche Spiel der Jungs mit Munition und sonstigen Militärrückständen ging. Heute kann Reinhold Palm darüber schmunzeln: "Ich habe eben noch zu Alfred gesagt: 'Wir waren wohl Munitions-Spezialisten, dass wir dabei nicht umgekommen sind."
Auch Alfred Habsch kann nicht sagen, dass er als Zehn-, Elfjähriger nach dem Krieg Angst hatte: "Wir hatten unseren Spaß, mit der Munition zu spielen. Dass es gut ausgegangen ist, war mehr als glücklich."
Als beklemmender ruft er sich die Ereignisse während der Evakuierung und der Ardennenoffensive in Erinnerung, als er mit seiner Mutter und den Geschwistern bei der Verwandtschaft in Deidenberg untergekommen war: "Wir gingen ja manchmal aus dem Keller meines Onkels, wo wir auf Kohlen schliefen, um bei den Großeltern das Vieh zu füttern. Und wir waren so trainiert, dass wir, sobald wir das Pfeifen der Geschosse hörten, schon auf dem Boden lagen."
Der Teil des Buches, in dem die Erinnerungen von Alfred Habsch zusammengefasst sind, heißt nicht von ungefähr "Keller & Granaten".
Neun Leben
Bei Reinhold Palm sind es die sprichwörtlichen "Neun Leben", die ihn manche Gefahr während und nach der Ardennenoffensive überstehen ließen.
Aus den Schilderungen wird ersichtlich, dass die zehnjährigen Jungen in jener Zeit auch über eine erstaunliche Reife verfügten: "Mein Vater war im Krieg. Ich war das älteste von uns drei Kindern", erzählt Reinhold Palm. "Und meine Mutter hat mir immer alles anvertraut, bis hin zum Schwarzschlachten. Ich wusste mit zehn Jahren alles, was meine Mutter tat." Mit ihr zusammen überlebte er manche heikle Situation wie einen Fliegerangriff auf schneebedecktem Feld oder den Beschuss des Evakuierungskonvois von Faymonville nach Schoppen.
Sein Neffe Rainer Palm, der heute selbst einen Sohn in diesem Alter hat, will der jungen Generation mit der Kriegsschilderung aus Kinderaugen etwas mit auf den Weg geben: "Wir hören immer wieder vom Krieg in Syrien und anderswo, aber dass so etwas hier stattgefunden hat, wollte ich dokumentieren. Es wäre jetzt an den Schulen, das anhand solcher Geschichten aufzuarbeiten und lebendig werden zu lassen, um sich vor Augen zu führen, mit welchen Schicksalen alle unsere Familien konfrontiert wurden."
Das Buch mit den Kriegserinnerungen von Reinhold Palm und Alfred Habsch ist als Wendebuch konzipiert, also von zwei Seiten her zu lesen. Es ist zum Preis von 15 Euro an mehreren ausgesuchten Verkaufsstellen zu bekommen.
Stephan Pesch