Die Ursprünge des heutigen Belgischen Rundfunk- und Fernsehzentrums der Deutschsprachigen Gemeinschaft (BRF) reichen in die unmittelbare Nachkriegszeit zurück. Bereits am 1. Oktober 1945 wurde die erste "Sendung in deutscher Sprache" der damals noch nationalen belgischen Rundfunkanstalt in Brüssel ausgestrahlt. Die Anfänge waren bescheiden. Nur wenige Mitarbeiter produzierten vor allen Dingen Nachrichten in deutscher Sprache. Ab 1952 und besonders mit dem Einsetzen der Föderalisierungspolitik ab den 1960er-Jahren professionalisierte sich das deutschsprachige Programm des nationalen Radioinstituts jedoch zusehends. Der Personalstamm wuchs und mit ihm der Umfang und die Vielfalt des Programms, das zunehmend auch vor Ort in den sogenannten Ostkantonen aufgezeichnet wurde.
75 Jahre nach der Ausstrahlung der ersten deutschsprachigen Sendungen stehen nun der interessierten Öffentlichkeit 22 laufende Meter Archivmaterial zur Verfügung, die die bewegte Geschichte des belgischen Radios in deutscher Sprache lebendig werden lassen. Es handelt sich dabei um Aktenmaterial, das das Staatsarchiv in Eupen seit 2017 an den drei Standorten des BRF in Eupen, Brüssel und Sankt Vith gesichtet, bewertet und übernommen hat. Die Unterlagen wurden dann im Staatsarchiv unter Aufsicht von Dr. Peter Quadflieg, Archivar und Oberassistent beim Staatsarchiv, in einem 127 Seiten starken Inventar erschlossen.
"Der so entstandene Bestand 3-134 Belgischer Rundfunk (BRF) des Staatsarchivs ist so bunt und abwechslungsreich wie die Geschichte des BRF", sagt Peter Quadflieg. "Die großen Entwicklungen lassen sich beispielsweise durch die vollständigen Protokolle der Verwaltungsgremien des Senders seit seiner organisatorischen Unabhängigkeit 1977 nachzeichnen. Gleichzeitig finden sich jedoch auch die vielen kleinen Geschichten rund um den Sender wieder, etwa in der Zuhörerpost, in den Hausmitteilungen oder in Akten zu einzelnen Veranstaltungen oder Sendungskonzepten. Auch politische Auseinandersetzungen oder kontroverse Diskurse, etwa über einzelne Sendungen, haben ihren Niederschlag in den Akten gefunden. Neben klassischen Akten enthält der Bestand auch eine Fotoserie, Werbematerialien und Druckschriften, wie beispielsweise die Jahresberichte und die Hörerstudien, die der BRF in Auftrag gegeben hat."
Insgesamt umfasst das Inventar nicht weniger als 1.438 einzeln beschriebene Archivalieneinheiten, die neben dem Sendebetrieb und der Organisation auch die Personalangelegenheiten, die Finanzplanung, die Geschichte der Immobilien und die technische Entwicklung des BRF dokumentieren. Hinzu kommen hunderte Sendemanuskripte zu den verschiedenen Sendungen, die in einer Auswahl ins Staatsarchiv übernommen wurden.
"Neben den Anfängen des BRF sind so auch die technischen Innovationen, wie die ersten TV-Produktionen, das Aufkommen der Rundfunkwerbung oder auch die Ausweitung des Sendebetriebs auf die zwei Kanäle BRF1 und BRF2 sowie die internationalen Kooperationen des Senders greifbar", sagt Els Herrebout, Leiterin des Staatsarchivs in Eupen. "Es freut uns sehr, diesen Bestand nun im Staatsarchiv den Benutzern vorlegen zu können", so die Archivleiterin weiter, "spiegelt doch die Geschichte des BRF auch immer die allgemeine Geschichte Ostbelgiens und insbesondere die Entwicklung der Autonomie wider."
Der BRF beschäftigt sich seit 2014 konsequent mit der Sicherung seines Archivmaterials, vor allem mit der Digitalisierung seiner umfangreichen Ton- und Videomaterialien. Dank der intensiven Unterstützung des Staatsarchivs konnte so wertvolles Quellenmaterial katalogisiert und zugänglich gemacht werden. "Damit wurde ein wichtiges Kapitel der ostbelgischen Mediengeschichte für die wissenschaftliche Recherche und Analyse erschlossen", so BRF-Direktor Toni Wimmer.
Grundsätzlich stehen alle Akten, die älter sind als 30 Jahre, also vor 1989 geschlossen wurden, für die Nutzung im Staatsarchiv offen. Allerdings sind Unterlagen, die Personalangelegenheiten oder andere besondere Schutzrechte betreffen, insgesamt 100 Jahre für die Nutzung gesperrt. "Diese Schutzfristen dienen dem Datenschutz und sind gesetzlich geregelt", erklärt Peter Quadflieg. "Aber auch mit den schon jetzt einsehbaren Dokumenten lassen sich eine Vielzahl neuer und spannender historischer Fragen rund um die Mediengeschichte des deutschsprachigen Belgiens aber auch zur Mentalität und politischen Entwicklung Ostbelgiens allgemein beantworten." Das Inventar kann kostenlos auf der Suchseite des belgischen Staatsarchivs (search.arch.be) eingesehen werden. Die Archivalien sind nach einer Voranmeldung (am besten per Email an staatsarchiv.eupen@arch.be) während der Öffnungszeiten des Staatsarchivs einsehbar.