In den 60er Jahren gab es in der Provinz Lüttich noch mehr als 50 Sirupproduzenten. Heute kann man sie an einer Hand abzählen.
Die Familie Charlier aus Henri-Chapelle betreibt das Handwerk jedenfalls weiterhin nach traditioneller Art. Im September und Oktober werden dort täglich 2.500 Kilo Äpfel und Birnen verarbeitet - ohne Zugabe von Zucker und künstlichen Zusatzstoffen.
"Der erste Schritt ist das Kochen der Früchte. Das geschieht nachts und dauert etwa zwölf Stunden. Wir benutzen drei Viertel Birnen und ein Viertel Äpfel. Der zweite Schritt ist das Pressen des Obstes", erklärt Eric Charlier.
"Der gekochte und gepresste Obstsaft kommt dann wieder in die Kessel. Dann wird zum zweiten Mal gekocht." Das geschieht tagsüber und dauert dann nochmal rund sechs Stunden. Eigentlich eine einfache Prozedur, sagt Charlier. Trotzdem ist höchste Aufmerksamkeit gefordert, damit nichts anbrennt oder überkocht.
"Es ist eine Familientradition. Ich mache das schon rund 20 Jahre zusammen mit meiner Frau. Davor haben mein Vater und Großvater Sirup hergestellt. Und ich möchte es weiter nach traditioneller Art machen."
Nach vielen Stunden ist der Saft endlich eingedickt. Jetzt muss der Kupferkessel geleert werden, damit der heiße Sirup auch verpackt werden kann. Zum Abfüllen kommt er in eine kleine Kupferwanne. Nach etwa einer Stunde kann der noch warme Sirup von Caroline Charlier in kleine Portionen abgefüllt werden. Auch die Etikettierung geschieht per Hand und nicht durch eine Maschine.
"Wir stellen fest, dass immer mehr Menschen Produkte wollen, die aus der Region kommen und nicht den halben Planeten umkreist haben. Zudem produzieren wir keinen Abfall. Selbst die gepressten Obstreste verfüttern wir an unsere Kühe und Schweine. Die Leute können uns auch ihre eigene Obsternte bringen. Wir machen dann Sirup für sie. Das ist gerade sehr populär."
Der Verbraucher erhält jedenfalls ein Produkt, das sich lange hält. Das liegt am hohen Brixwert von Sirup. Viel Fruchtzucker, kaum Wasser. Kein guter Ort für Bakterien. "Das Verfallsdatum ist lang. Wir sagen zehn Jahre, weil wir ein Datum drauf schreiben müssen. Aber man könnte es sogar 30 bis 40 Jahre aufbewahren."
Im Hofladen der Familie Charlier kann man dann entscheiden, wie viel Sirup man kaufen möchte. Und ob er eher süß oder bitterer schmecken soll. Kenner entscheiden sich für die bitterere Variante, weil der Obstgeschmack intensiver ist, sagt Eric Charlier.
Je süßer das Obst, umso süßer der Sirup. Eric Charlier arbeitet vor allem mit der Birnensorte "Köstliche aus Charneux", in Norddeutschland "Bürgermeisterbirne" genannt. Zur Sirupherstellung können aber alle Birnen- und Apfelsorten verkocht werden. Aus 100 Kilo Äpfel und Birnen werden zwölf bis 14 Kilo Sirup hergestellt.
Manuel Zimmermann