Der Lütticher Appellationshof hat am Donnerstag das Urteil Erster Instanz im Prozess um Dr. Christoph Wagner grundsätzlich bestätigt. Während einer Operation im Eupener St. Nikolaus Hospital war es am 1. Juli 2016 zu Handgreiflichkeiten zwischen Dr. Wagner und dem diensttuenden Anästhesisten gekommen. Das Eupener Krankenhaus hat daraufhin den Arbeitsvertrag mit Dr. Wagner gekündigt und auslaufen lassen.
Konkret war der Anästhesist von einer Blinddarm-OP in den Operationssaal von Dr. Wagner gekommen, der schon dabei war, ein 16-jähriges Mädchen zu behandeln, die eine Rasierklinge verschluckt hatte. Das Mädchen war da bereits mit Propofol sediert worden.
Zentraler Streitpunkt was aber das Gerät zur visuellen und akustischen Überwachung des Herzschlags und des Sauerstoffs im Blut. Dr. Wagner, der angibt unter Tinnitus zu leiden, hatte eine Vereinbarung mit drei anderen Anästhesisten des Eupener Krankenhauses, dass dieses Gerät leise geschaltet wird. Der klagende Anästhesist hat aber auf die Standardüberwachung bestanden. Das hat dann zu der Rangelei geführt, bei der der Anästhesist aus den OP-Saal gedrängt worden ist.
Das Berufungsgericht urteilte, dass dem Anästhesisten nichts vorzuwerfen sei. Eine Tinnituserkrankung sei auch kein Grund, das Monitoringgerät bei einer Operation auszuschalten. Es liege also am Arzt, sein Gehör in solchen Fällen angemessen zu schützen.
Das Berufungsgericht sieht die Schuld von Dr. Wagner als erwiesen an. Er habe den Anästhesisten verletzt und sei auch nicht von ihm provoziert worden. Der Magen- und Darmspezialist wurde zu einer höheren Entschädigungszahlung von 500 Euro statt 250 Euro verurteilt.
In der Urteilsfindung des Berufungsgerichts wird aber auch die Unbescholtenheit eines Angeklagten berücksichtigt - der zudem durch die einseitige Kündigung des Krankenhauses auch schon auf eine gewisse Art bestraft worden war. Es blieb also bei der Aussetzung der Urteilsverkündung wie schon in Erster Instanz. Das heißt: Der Angeklagte behält strafrechtlich eine weiße Weste. Bei der Aussetzung der Urteilsverkündung befindet der Richter den Angeklagten zwar für schuldig, verkündet aber keine Strafe. Lässt sich der Verurteilte im Rahmen einer vom Richter im Urteil festgelegten Frist keine weiteren Straftaten zuschulden kommen, hat das Urteil keine weiteren Folgen. Bei einer Aussetzung gibt es keinen einsehbaren Eintrag ins Strafregister.
Leichtere Strafen für Kelleter und Halmes
Der andere Fall über den am Donnerstag neu geurteilt wurde, ist etwas komplizierter. Eine Stunde und drei Viertel hat die Urteilsverkündung und -begründung gedauert. Dabei ging es nicht nur um die ökologische Erwachsenenbildungsorganisation Die Raupe VOG, sondern auch um die Geschäftsführer von Energie 2030 und dem Regiomarché. Zwei Unternehmen, die ursprünglich Projekte der Raupe waren, aber dann als kommerzielle Unternehmen eine ganz andere Rechtsform und Dimension erhalten haben.
Die Geschäftsführer Patrick Kelleter und Nico Halmes waren in Erster Instanz wegen Sozialbetrugs zu Haftstrafen von jeweils sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Der Lütticher Appellationshof hat dies aber in eine Aussetzung des Urteils umgewandelt. Damit fällt auch die strafrechtliche Geldbuße weg.
Ihre Schuld sei im Grundsatz erwiesen, sagte der Richter. Sie hätten gewusst, dass man bezuschusstes Personal der V.O.G. Die Raupe nicht an die kommerziellen Gesellschaften ausleihen durfte - auch nicht für Kleinigkeiten. Es habe da eine Zweckentfremdung von Personal gegeben, bestätigte das Berufungsgericht. Es kann aber nicht behauptet werden, dass hier Zuschüsse erschummelt worden wären, wohl aber, dass Mitarbeiter falsch eingesetzt worden sind.
Auch die DG war als Zivilkläger an dem Prozess beteiligt. Und wie schon das Gericht Erster Instanz ist auch der Appellationshof zu dem Schluss gekommen, dass die Zivilklage der Deutschsprachigen Gemeinschaft begründet ist. Hier müssen die verurteilten Parteien einen sogenannten provisorischen Euro zahlen. Der DG wurde aufgetragen, ihren Schaden als Bezuschusser zu beziffern. Das heißt: Zivilrechtlich ist der Fall noch nicht abgeschlossen.
Patrick Kelleter will sich jedenfalls mit seinem Anwalt beraten, ob er am Kassationshof gegen das Urteil des Appellationshofes Einspruch einreichen wird. Er kündigte zudem an, ein Buch über die Ereignisse zu schreiben. "Ich schreibe ein Buch darüber, dass man für Sozialarbeit bestraft werden kann", so Kelleter. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit ist also noch nicht gesprochen.
Manuel Zimmermann