Was läuft gut in den ostbelgischen Schulen? Was muss verbessert werden? Wie könnte man den Unterricht anders gestalten? Das will die Regierung der Deutschsprachigen Gemeinschaft von den Bürgern wissen und fordert sie auf, dem Unterrichtswesen ein Zeugnis auszustellen. Dabei legt Bildungsminster Harald Mollers wert darauf, dass die ganze Bevölkerung einbezogen wird. "Auf politischer Ebene haben wir unsere Sicht der Dinge. Das muss nicht übereinstimmen mit dem, was die Bevölkerung denkt", erklärt Mollers.
"Bildung betrifft jeden. Jeder hat das Recht mitzusprechen. Das gilt natürlich auch für die Schlüsselakteure aus dem schulischen Bereich, die selbstverständlich auch ihr fachliche Meinung kundtun werden. Aber wir wollen breiter in die Öffentlichkeit gehen und jeden bitten, insbesondere Schüler und Eltern, uns ihre Feststellung, ihre Diagnose mitzuteilen."
Die Durchführung der Online-Umfrage übernimmt die VDI Technologiezentrum GmbH, ein Beratungsunternehmen für öffentliche Einrichtungen, das Erfahrungen mit solchen Prozessen hat. Silke Stahl-Rolf und ihr Team haben bereits im Vorfeld Kontakt zu den Einrichtungen des ostbelgischen Bildungssystems gesucht und dann ein Konzept für eine Online-Umfrage ausgearbeitet. "Wir wollen den Bürgern die Möglichkeit geben, ihre Ideen und Vorschläge zum Bildungssystem in Ostbelgien zu kommunizieren. Wir fragen nicht nur ab, nach ja und nein, sondern fragen, wo sind Ihre Lösungsvorschläge, wo drückt der Schuh und was läuft gut?"
Die Umfrage läuft anonym ab. Die Teilnehmer sollen die Möglichkeit haben, frei und ungezwungen ihre Meinung zu äußern - unter strengem Datenschutz, versichert Silke Stahl-Rolf. Filterfragen am Anfang gewährleisten, dass zum Beispiel Lehrer fachspezifische Fragen erhalten - anders als Eltern und Schüler, denen andere Themen wichtiger sind. "Das sind die Dinge, an die wir uns auch aus unserer Schulzeit erinnern. Fragen wie: Wie praxisnah ist, was ich lerne? Wie gut kann ich es für den Beruf nutzen? Wie lang ist der Schultag, wie lang sind die Hausaufgaben, wie ist die Ferientaktung? Das sind Fragen, die Eltern und Schüler am ehesten unter den Nägeln brennen", erklärt Silke Stahl-Rolf.
Die Gesellschaft verändert sich, und so müsse auch das Bildungssystem an die neuen Gegebenheiten angepasst werden. Silke Stahl-Rolf nennt ein Beispiel. "Das Thema Digitalisierung wird die Bildung verändern. Wenn man digitale Medien nutzt, werden beispielsweise Routineaufgaben für Lehrer weniger werden. Den Vokabel- oder Mathetest kann man wunderbar mit digitaler Unterstützung durchführen. Dann bleibt mehr Zeit für eigentliche pädagogische Aufgaben. Da muss sich etwas ändern, damit Lehrer wissen, in welchem Rahmen sie agieren können, sollen und dürfen."
Die Ergebnisse der Umfrage sollen im Herbst im Rahmen von zwei Großveranstaltungen öffentlich diskutiert werden. Bildungsminister Mollers hofft, dass sich möglichst viele Bürger beteiligen, um ein repräsentatives Bild zu erhalten und "dass wir wirklich eine langfristige Vision entwickeln und unser Bildungssystem so aufstellen, dass egal wer in der Regierung ist und die Verantwortung als Bildungsminister trägt, das Ganze auch tragfähig ist und umgesetzt werden kann, weil es auf einem breiten gesellschaftlichen Konsens fußt."
Die Online-Umfrage läuft bis zum 22. September und ist zu finden unter gesamtvision.be.
Michaela Brück