Siegfried Hentschel ist Fahrlehrer in Eupen. Schülern zum Führerschein zu verhelfen, ist sein alltäglicher Job. Fast genauso alltäglich ist aber auch ein anderes Phänomen in seiner Fahrschule. "Jeden zweiten Tag habe ich Anrufe aus dem benachbarten Ausland, speziell von Deutschen, die versuchen, den Führerschein in Belgien zu machen", erklärt Hentschel. "Aber in der Praxis funktioniert das nicht, wie die Leute sich das vorstellen. Reine Briefkastenadressen funktionieren hier auch nicht."
Sich einfach mal in Belgien anmelden, um in Eupen die Fahrprüfung zu absolvieren - ein verlockender Gedanke, wenn man bedenkt, wie teuer so ein Führerschein im Ausland werden kann. "Führerscheine in Deutschland sind je nach Region unterschiedlich teuer", weiß Hentschel. "In einigen Regionen kommen wir in den fünfstelligen Bereich, während wir hier auf 2.000 Euro kommen für einen Berufskraftfahrerschein für LKW und Anhänger. Da schwebt den Leuten vor, kleine Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen, aber so klein sind die nicht. Man muss seinen Lebensmittelpunkt verlegen."
Ähnlich sieht es bei dem Pkw-Führerschein aus. Auch der ist in Belgien billiger als in Deutschland. Doch um den Führerschein hier tatsächlich machen zu dürfen, müssen ein paar Voraussetzungen erfüllt werden, wie Sigfried Hentschel erklärt. "Ich muss eine Nationalregisternummer haben. Um die Nationalregisternummer zu erhalten, muss ich in Belgien regulär angemeldet sein. Und die Polizei kommt kontrollieren, ob man wirklich da wohnt. Dementsprechend können die Leute das nicht so durchführen. Sie müssten ja auch Steuern zahlen und eine Krankenversicherung haben. Das bedenken die Leute nicht", so Hentschel. "Deswegen ist es eher eine Wunschvorstellung, auszunutzen, dass der Führerschein in Belgien erheblich billiger ist, sowohl für Pkw als auch Lkw. Ohne Wohnsitz ist das nicht zu machen."
Ein Interessent wollte sogar, dass Hentschel ihm eine Wohnung besorgt. Erst wenn der Fahrlehrer erklärt, dass sich der Aufwand auch finanziell kaum lohnt, geben die meisten ihren Traum vom belgischen Führerschein auf. "Der finanzielle Vorteil reduziert sich um Miete etc." Die Anzahl der tatsächlichen Führerschein-Touristen ist daher gering.
Neben dem Geld gibt es aber noch andere Beweggründe für den sogenannten Führerschein-Tourismus. Siegfried Hentschel hatte auch schon Fahrschüler, die einem Führerschein-Entzug in Deutschland aus dem Weg gehen wollten. Einige von ihnen sind tatsächlich nach Belgien gezogen, arbeiten hier und wollen nach der Prüfung zurück ins Heimatland.
Egal aus welchem Grund man als Ausländer den Führerschein in Belgien macht, kompliziert ist dieser Umweg allemal. Erst recht seit der Führerschein-Reform im letzten Jahr, die auch Fahrlehrer Siegfried Hentschel teilweise kritisch sieht. "Nach der Reform im letzten Jahr fallen auch hier in Belgien mehr Anwärter bei der theoretischen Prüfung durch", erklärt Hentschel. "Es müsste zumindest angegeben werden, wo der Fehler war."
Einige Aspekte der Reform begrüßt Hentschel aber auch, wie beispielsweise die Regeln für praktische Stunden. Allerdings hätte sich der Fahrlehrer eher eine belgienweite Regelung gewünscht. "Jetzt haben wir drei verschiedene Regeln für drei verschiedene Regionen. Es wäre transparenter, wenn wir einheitliche Bedingungen hätten. Speziell für Deutschsprachige hat man das Problem, das nicht alles auf deutsch erklärt ist."
Es ist also in der Tat kompliziert, den Führerschein in Belgien zu machen. Potentielle Führerschein-Touristen sollten sich gut überlegen, ob der Aufwand sich lohnt, nach Belgien umzuziehen. Denn der Traum vom billigen Führerschein bleibt für die meisten eben genau das: ein Traum.
Raffaela Schaus