Bei dem Euregio-Atlas handelt es sich nicht um ein Kunstwerk, auch wenn es im Ikob vorgestellt worden ist. Es ist auch kein Reiseführer für die angelsächsische Welt, sondern eine Studie, die vom Dreiländerpark in Auftrag gegeben worden ist.
Was ist der Dreiländerpark? Im Grunde das grüne Herz der Euregio Maas-Rhein. Ein Gebiet, das gehegt und gepflegt wird, mit Unterstützung - also Geld - der Europäischen Union. Nun wissen die Partnerorganisationen des Dreiländerparks aus Belgien, Deutschland und den Niederlanden sehr gut, welche touristischen Natur-Attraktionen es in der Euregio gibt. Sie wissen aber nicht, wie die Menschen, die hier leben, ihre eigene Landschaft wahrnehmen.
Was haben sie gemacht? Sie haben die Dear Hunter damit beauftragt, sich dem Thema anzunehmen. Das ist das Studienbüro, das sich längere Zeit in einem Container auf dem Eupener Werthplatz eingenistet und beobachtet hatte, welche Bedeutung dieser Platz für die Menschen hat.
Die Dear Hunter jagen Geschichten von Menschen in ihrer Heimat. Und das haben sie auch viele Monate in Visé, Vaals, Heers, Sourbrodt, Bocholt und Walheim zu Aachen gemacht. Dabei sind auch über 200 Anekdoten zusammengetragen worden. So gibt es beispielsweise einen verlassenen Friedhof, den kaum noch jemand besucht, dafür aber ein wichtiger Treffpunkt für die jungen Verliebten ist. Oder es gibt auch eine Kuhtreppe, die ein Anwohner als den schönsten Ort der Welt beschreibt. Es geht also um Orte und Landschaften, die Touristen meist komplett links liegen lassen, die aber für die Menschen eine Bedeutung haben.
Für die Behörden, die sich um die Landschaft kümmern, ist der Euregio-Atlas natürlich interessantes Material - in dem Sinne, dass man nicht nur die bekannten Karten hat, die uns sagen, wo ein Weg, ein See oder ein Hügel ist, sondern Material, das auflistet, wo es den Menschen gefällt.
In der Praxis kann das hilfreich sein, diese Plätze zu kennen und zu schauen, ob die auch für Menschen erreichbar sind, die nicht über einen Zaun klettern können oder durch eine Heckenschleuse kommen. Es geht also um leichte Veränderungen für die Anwohner. Es geht nicht darum, neue Parkplätze oder riesige Betonwege anzulegen.
Die Buchvorstellung wurde von dem renommierten belgischen Umwelt- und Naturschützer Ignace Schops eingeleitet. Der hatte schon 2008 den sogenannten grünen Nobelpreis erhalten. Er sagte, die Schönheit einer Landschaft sei überall zu entdecken. Da muss auch kein historisches Gebäude drauf stehen. Und eigentlich hätten wir Menschen auch den Wert von Landschaft und Natur begriffen. Aber es gebe noch viel zu tun. Zwar habe der Mensch in den letzten 150 Jahren immer mehr Naturparks geschaffen, aber dennoch nimmt die Biodiversität ab. Für ihn kein Paradox, sondern ein weiteres Zeichen für den Klimawandel. Der müsse unbedingt gestoppt werden - und das schnell, da uns die Zeit davonlaufe.
Schops ist aber zuversichtlich, dass wir Menschen das schaffen. Der Aufruf John F. Kennedys innerhalb einer Dekade zum Mond zu fliegen, hätten die Menschen auch realisiert. Warum sollten wir es nicht auch schaffen, die Klimaziele zu erreichen, so Schops. Und zur Wertschätzung der Landschaft schlägt er auch vor, einfach mehr in der Natur zu machen. Eine Versammlung müsse ja nicht immer in einem Büroraum stattfinden. Dass kann man auch mal in einer schönen Landschaft machen. Und wenn es stimmt, dass Landschaft Identität prägt, ist das wohl eine gute Art, sich zu zeigen.
Manuel Zimmermann