Ministerpräsident Oliver Paasch hatte bei der PDG-Sitzung eine Woche zuvor die zweite Umsetzungsphase des REK bilanziert. Gleichzeitig machte er Vorschläge für eine dritte Phase bis 2025.
Die Wertung der Fraktionen fiel, wie zu erwarten, unterschiedlich aus, je nachdem ob sie der Mehrheit oder Opposition angehören.
CSP: Tabus und Strukturen aufbrechen
Für die CSP nannte Jérôme Franssen neben der alternden Gesellschaft, der Digitalisierung, dem Klimawandel und der Umweltverschmutzung vor allem den Fachkräftemangel als Herausforderung.
Sein Fraktionskollege Robert Nelles, der auch Direktor des Arbeitsamtes der DG ist, verlangte, „Tabus zu überwinden“ und „verkrustete Strukturen“ aufzubrechen, wenn es um die Integration auf dem Arbeitsmarkt oder die berufliche Bildung geht.
Unter Verweis auf den von der Regierung häufig benutzten Begriff der Modellregion warnte Nelles vor Nabelschau und empfahl, „Bescheidenheit als Bestandteil des Standortmarketings zu begreifen“.
ProDG: „Regierung transparent wie nie“
Für Freddy Cremer (ProDG) beinhaltet das Regionale Entwicklungskonzept „einerseits eine klare Vision für die DG“ und ist „andererseits der Garant für politische Kontinuität.“ Er behauptete, „dass in der noch jungen Geschichte unserer Gemeinschaft das Regierungshandeln nie transparenter dargelegt wurde.“
Die Ausarbeitung und Umsetzung des REK seien „Paradebeispiele für aktive Bürgerbeteiligung“ - noch vor der Entscheidung, ab September 2019 einen ständigen Bürgerdialog einzurichten. ProDG sei überzeugt vom Mehrwert einer dritten REK-Umsetzungsphase und von einer zweiten Ostbelgienstrategie für das Jahr 2040.
Vivant: Wirklichkeit statt Werbepapier
Michael Balter (Vivant) beschlich beim REK das Gefühl, „dass man mit einem Werbepapier zu tun hat“. Dabei gehöre vieles selbstverständlich zum Auftrag der Regierung.
Der selbständige Unternehmer beschrieb "anhand von einfachen Aussagen von Bürgern" alltägliche Lebenserfahrungen und schloss auf Verbesserungsbedarf etwa in der Familienpolitik, in der Pflege oder in der Berufsausbildung: „Wir haben einen Akademisierungswahn und beschweren uns über einen Fachkräftemangel, insbesondere im Handwerk“, so Balter.
SP: REK als Vorlage für neue Legislatur
Karl-Heinz Lambertz (SP) ließ die Attacken von Vivant so nicht stehen, auch wenn ihnen „ein gewisser Unterhaltungswert“ nicht abzusprechen sei. Später sollte er seinen Humor und die Contenance verlieren: Nach einer Replik, in der Balter an sozialistischer Politik kein gutes Haar gelassen hatte, vergriff sich Lambertz im Wortschatz und wurde in einer für diesen Rahmen unzulässigen Weise persönlich.
Vorher hatte der frühere Ministerpräsident, der das alles „hautnah miterlebt“ habe, drei wesentliche Instrumente genannt, die seit Anfang der 2000er Jahre die Regierungsarbeit professionalisiert hätten: Neben dem Regionalen Entwicklungskonzept waren das die langfristige Finanzsimulation und der Infrastrukturplan.
Etwas Vergleichbares habe es bis dahin nicht gegeben. Nachdem Kinderkrankheiten überwunden werden konnten, hätten sich diese Instrumente als erfolgreich bewährt. Mit Blick auf den Entwurf für das REK III dankte Lambertz der Regierung „für eine hervorragende Vorlage für die kommende Legislaturperiode.“
Ecolo: DG in Sachen Energie in der Pflicht
Für Ecolo zog Freddy Mockel „eine sehr gemischte Bilanz“ der zweiten Umsetzungsphase des REK. In Sachen Energie sei definitiv zu wenig geschehen. Hier stehe die Deutschsprachige Gemeinschaft in der Pflicht: „Mit ein paar Energieaudits wird es nicht getan sein. Da muss schon flächendeckend ein Ruck durch die DG gehen“, forderte Mockel.
Für die dritte Umsetzungsphase und die folgenden Jahre dürfe aber „gerne eine neue Zeit der Bescheidenheit anbrechen“, indem der Kommunikationsaufwand entpolitisiert und auf ein gesundes Maß zurückgeschraubt werde.
PFF: „Richtungsweisender Kompass“
Christoph Gentges (PFF) sprach beim REK von einem „richtungsweisenden Kompass“, der geholfen habe, einen Kurs einzuschlagen, den die Liberalen konsequent verfolgt hätten. Er ging bei seiner letzten Plenarsitzung auf die Punkte Ehrenamt und Jugend ein.
Gentges, der sich vorher mit Michael Balter einen wortreichen Schlagabtausch geliefert hatte, legte aus seiner Sicht als mittelständischer Ausbilder auch Wert darauf, klarzustellen, dass es sehr wohl eine Kommunikation zwischen betrieblicher Ausbildung und Fachkundeunterricht gebe.
Seine PFF-Fraktionskollegin Evelyn Jadin sprach das Thema Inklusion an, das sich wie ein roter Faden durch das REK ziehe. Inklusion sei als große Chance zu verstehen. Darüber hinaus wies sie auf die Fortschritte in der Sozial-, Familien- und Gesundheitspolitik hin. Sie hoffe, dass die künftige Regierung weiterhin „Mut für Neues“ aufbringe.
Resolution zur Entwicklung der Autonomie
Auf seiner letzten Sitzung in dieser Legislaturperiode verabschiedete das PDG auch eine Resolution zur Entwicklung der Autonomie der Deutschsprachigen Gemeinschaft.
Während annähernd vier Jahren hatte sich der Parlamentsausschuss I mit diesem Thema sowie mit der garantierten Vertretung und mit der Stellung der deutschen Sprache in Belgien auseinandergesetzt. Die Resolution zur Autonomie war die dritte in dieser Reihe.
"Wir dürfen nicht abwarten und Tee trinken", formulierte PDG-Präsident Alexander Miesen (PFF) das Bemühen, auf „alle Eventualitäten“ vorbereitet zu sein, denn dass eine nächste Staatsreform komme, dafür lege er seine Hand ins Feuer. Es gehe darum, zu vereinfachen, denn zurzeit habe ein deutschsprachiger Belgier mit fünf Verwaltungsebenen zu tun, von denen zwei überflüssig seien.
"Bereit, gewillt und in der Lage"
Parallel und alternativ zu einer möglichen weiteren Staatsreform ist laut Resolution der schrittweise Ausbau der Autonomie durch Übernahme weiterer Zuständigkeiten „voranzutreiben“.
So drängt das PDG ausdrücklich auf die Übernahme der Provinzzuständigkeiten und der dazugehörigen Mittel - eine "Never-ending-story", wie es Freddy Mockel formulierte, der unbedingte Transparenz einforderte und die Einsicht, dass man auch mit den neuen Zuständigkeiten nicht alles alleine machen müsse.
Schon in seiner Grundsatzerklärung vom 27. Juni 2011 hatte das Parlament bestätigt, dass die Deutschsprachige Gemeinschaft „bereit, gewillt und in der Lage“ sei, „mit jeweils angemessenen Finanzmitteln oder Finanzierungsmöglichkeiten alle Zuständigkeiten wahrzunehmen, die den belgischen Gliedstaaten im Rahmen der Staatsreform bisher übertragen wurden oder in Zukunft übertragen werden.“
Übermut oder einzigartige Chance?
Michael Balter sah darin kein gesundes Selbstvertrauen, sondern hielt das für „übermutig“. Er schlug vor, in einer so grundsätzlichen Frage die Bürger bei einer Volksbefragung um ihre Meinung zu bitten.
Karl-Heinz Lambertz wollte darauf nicht näher eingehen, unterstrich aber, die Autonomie sei „kein Selbstzweck, sondern ein Mittel, um die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.“ Daraus sei eine in Europa einzigartige Erfolgsgeschichte geworden, wie sie auch andere Redner in ihrer Entwicklung und in ihrem Mehrwert skizzierten.
Alfons Velz (ProDG) beschrieb die Denkmuster, die unterschiedliche Generationen in Ostbelgien mit der Autonomie verbinden - er warnte vor Denkmustern, „die Fakten verdrehen und die Realität verzerrt darstellen.“
Paasch: "Nettozahler" DG
„Wir wollen keine Geschenke, aber wir wollen angemessen finanziert werden“, entgegnete Ministerpräsident Paasch und sprach in doppelter Hinsicht von der DG als „Nettozahler“: im Verhältnis zur Provinz Lüttich und angesichts der Tatsache, dass die Wallonische Region die Französische Gemeinschaft in einer Größenordnung von einer Milliarde Euro refinanziert habe, während die Deutschsprachige Gemeinschaft nur einen „homöopathischen Ausgleich“ erhalte.
Die DG-Regierung nehme den in der Resolution auch an ihre Adresse gerichteten Auftrag des Parlaments gerne an und habe schon damit begonnen, ihn umzusetzen.
DG muss Einnahmen revidieren
Gegen die Stimmen der Opposition aus CSP, Ecolo und Vivant genehmigte das PDG eine erste Anpassung des laufenden Haushalts. Als einzige Gemeinschaft des Landes lege sie diese Anpassung noch vor den Wahlen vor, sagte Ministerpräsident Oliver Paasch.
Aufgrund der schlechteren Wirtschaftsparameter muss die DG mit weniger Einnahmen haushalten als erwartet. Darauf hinzuweisen sei eine Frage der Redlichkeit und der Glaubwürdigkeit, so Paasch.
Schwarze oder grüne Null
Die an und für sich „unspektakuläre Haushaltsanpassung“ (Antonios Antoniadis) bot der Mehrheit die Gelegenheit, auf den weiterhin (wenn auch knapp) ausgeglichenen Haushalt hinzuweisen.
Dabei gehe es nicht darum, „einen Schwarze-Null-Fetischismus zu betreiben“, so Karl-Heinz Lambertz, sondern Handlungsspielräume zu behalten.
Die Welt brauche vielmehr eine „grüne Null“ im Sinne einer ausgeglichenen CO2-Bilanz, meinte Freddy Mockel aus Sicht von Ecolo.
Ansonsten bot die Anpassung vor allem Anlass, über den aktuellen Schuldenstand der Deutschsprachigen Gemeinschaft (in Höhe von knapp 400 Millionen Euro) und den Investitionsgegenwert zu debattieren.
Abschied aus dem PDG
Für einige Mandatare war es unabhängig vom Ausgang der Wahlen bis auf Weiteres die letzte PDG-Sitzung: Christoph Gentges (PFF), Marc Niessen (Ecolo) und Wolfgang Reuter (ProDG) treten bei den Wahlen am 26. Mai nicht wieder an.
Stephan Pesch
Sehr geehrter Herr Pesch,
wenn der Herr Balter, und das nicht erst seit gestern, ständig Gift versprüht in seinen Aussagen, Lügen verbreitet, eine Partei total runtermacht ist das für sie scheinbar ok.
Wenn man diesem ungehobelten Menschen jedoch mal den Spiegel vorhält, nennen sie das "Contenance verlieren und sich im Wortschatz vergreifen".
Ich bin der Meinung dass wir als DG jetzt so kurz vor den Wahlen und auch sonst alle an einem Strang ziehen sollten. Anstatt sich gegenseitig den Ball zuzuwerfen wer was gesagt hat liegt es an uns allen, die Probleme gemeinsam anzugehen. Das gilt für uns als das Volk der Straße als auch die unterschiedlichen politischen Richtungen im PDG.
Wir die DG haben viele Fortschritte erzielt und einen gesicherten Wohlstand, Frieden und saubere Luft was beileibe alles andere als selbstverständlich heutzutage ist. Wir sollten als pluralistische Gesellschaft alles dafür tun, dass das so bleibt und Menschen, die zur Zeit von der Gesellschaft abgekoppelt sind wegen Krankheit oder anderen Problemen, keine Angst um ihre Existenz haben brauchen.
Herrn Balther und Herrn Lambertz bitte ich als ganz normaler Bürger unserer DG, alle Konflikte durch beste Kompromißbereitschaft diplomatisch zu überwinden. Damit wir gemeinsam stark sind für eine soziale und sichere DG mit Wohlstand für alle!