Der Wunsch, die Raumordnung zu übertragen, reicht bis in die 1990er Jahre zurück. Im Laufe der Jahre wurden mögliche Gestaltungsräume sondiert. Konkret ergab sich aber erst mit dem Regierungswechsel in Namur die Bereitschaft, die Übertragung vor allem der Raumordnung auszuhandeln.
Im Laufe der PDG-Debatte legten die Redner der verschiedenen Parteien großen Wert darauf, den Anteil und die Leistung der eigenen Partei herauszustreichen.
CSP: "Nicht auf dem Balkon"
Auch die CSP betonte, sie habe "nicht vom Balkon aus zugesehen, sondern in Namur aktiv an der Übertragung mitgewirkt", wie es Jérome Franssen ausdrückte - was im Plenum für Schmunzeln sorgte, angesichts von Aussagen des wallonischen Raumordnungsministers Carlo Di Antonio, der aus seinen Vorbehalten gegenüber dem Transfer dieser Zuständigkeit kein Geheimnis gemacht hatte.
Die ostbelgischen Christlich-Sozialen haben die Übertragung der Raumordnung und des Wohnungswesens aber immer nachweislich gefordert und stimmten den Dekreten konsequenterweise zu. Sie drängte aber auch auf "eine kohärente Politikgestaltung, die die Kooperation vieler Partner innerhalb und außerhalb der Gemeinschaft erforderlich" mache.
ProDG: Großes Gestaltungspotenzial
Für ProDG sah auch Lydia Klinkenberg die Notwendigkeit, einen breiten Konsultationsprozess einzurichten.
Ihr Fraktionskollege Freddy Cremer sprach von einem "kompakten Befugnispaket mit einem ungeheuer großen Gestaltungspotenzial".
Mit dem Infrafttreten am 1. Januar 2020 beginne (nach der seit vielen Jahren geleisteten Vorarbeit) die eigentliche Arbeit, nämlich "das fundamentale Steuerungsinstrument der Raumordnung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft zu verankern und passgenau anzupassen."
Vivant: Zweifel an Kosten und Mehrwert
Für Vivant äußerte Michael Balter deutliche Zweifel an einer einseitig positiven Darstellung der Übertragung. Neue Zuständigkeiten seien nur zu verantworten, "wenn sie volkswirtschaftlich nicht zu Mehrkosten führen". Und wenn sie mit einem erkennbaren Mehrwert für die Bürger einhergingen.
"Selbst eine vierte Region" wäre denkbar", so Balter, "wenn statt Parteiengeklüngel und Machtausbau der Dienst am Bürger im Vordergrund stehen würde."
SP: Verantwortung der Gemeinden
Für die SP forderte Karl-Heinz Lambertz ausdrücklich, die Gemeinden in die Verantwortung zu nehmen. Dabei lasse sich der von Vivant unterstellte "Klüngel" ausschließen. Dazu könne das PDG "klare deutliche Regeln festlegen, mit einem Berufungsverfahren, das gut funktioniert". Dann lasse sich vor Ort entscheiden, wie es mit den vielzitierten Dachgauben weitergehe.
Sein Fraktionskollege Charles Servaty, Schöffe in der Gemeinde Bügenbach, bestätigte, dass "wir auch als Raumordnungsbehörde DG künftig nur mit Wasser kochen können - und auch sollten." Allgemeinwohl gehe vor Eigenwohl, so Servaty.
Ecolo: "Weder Kafka noch Klüngel"
"Mit Bauchschmerzen" stimmte Ecolo den drei Dekreten zu. Freddy Mockel zeigte sich nicht überzeugt, dass die ausgehandelten Mittel ausreichen, "um ambitioniert den Nachholbedarf im sozialen Wohnungsbau und in der energetischen Sanierung abzudecken" - bei rund 10.000 Wohneinheiten, die als "sehr energiefressend" eingestuft seien.
Vor allem in der Übernahme der Raumordnung sah Mockel eine "Nagelprobe", denn die Deutschsprachige Gemeinschaft müsse "den Spagat schaffen zwischen zwei Dingen: einerseits ein riesiges, gerade erst reformiertes Regelwerk den örtlichen Gegebenheiten anpassen - mit weniger Bürokratie. Andererseits dürften die Politik und die Verwaltung weder bei Raumordnungsfragen noch bei einzelnen Baugenehmigungen in Gefälligkeiten verfallen." Umso wichtiger seien Transparenz und klare Prozeduren - und Exekutivmandate in den Gemeinden (also auch Schöffenmandate) mit einem Sitz im PDG unvereinbar.
PFF: "Erfolg hat viele Väter"
Klare, transparente Regeln brauche es auch im sozialen Wohnungsbau, ergänzte Evelyn Jadin. Sie erkannte die Übertragung der neuen Zuständigkeiten "mehreren Vätern" zu, die ihr Fraktionskollege Christoph Gentges - wie vorher schon Ministerin Isabelle Weykmans, vor allen in den liberalen Reihen ausmachte. "Wir schreiben heute Geschichte", meinte Evelyn Jadin.
Nach der erfolgten Abstimmung mit 21 Stimmen für die Übertragung der drei Zuständigkeiten (gegen die beiden Stimmen von Vivant) sprach auch PDG-Präsident Alexander Miesen - unter Vorbehalt der Zustimmung des wallonischen Parlaments - von einem "großen Moment" für die Erweiterung unserer Autonomie.
Regionales Entwicklungskonzept
Ein weiteres Thema im PDG war das Regionale Entwicklungskonzept (REK). Ministerpräsident Oliver Paasch verlas eine 45-seitige Regierungserklärung zur zweiten Umsetzungsphase von 2014 bis 2019. Sie umfasste 24 Zukunftsprojekte, so zum Beispiel um das Ehrenamt zu fördern, die Medienkompetenz zu stärken oder die Mehrsprachigkeit zu verbessern. Hinzu kamen drei Querschnittsaufgaben in den Bereichen Inklusion, Jugend und Standortmarketing Ostbelgien.
Für eine dritte und letzte Umsetzungsphase bis 2025 schlägt die Regierung mehr als 30 weitere Projekte vor. Die Entscheidung darüber habe aber die kommende Regierungskoalition zu treffen, so Ministerpräsident Paasch im PDG.
Aufwertung für nichtkommerziellen Sektor
In diesem Rahmen teilte er dem Plenum auch mit, dass die Regierung sich am Montagmorgen mit den Sozialpartnern auf ein neues Rahmenabkommen für den nichtkommerziellen Sektor für die Jahre 2020 bis 2024 geeinigt habe. Dabei gehe es um die Aufwertung des Sektors, zu dem etwa die Kleinkindbetreuung und die häusliche Hilfe gehören, aber auch die Erwachsenenbildung und die Pflegeberufe.
So sei eine Einigung über Gehaltserhöhungen für die Beschäftigten in den Alten- und Pflegeheimen erzielt worden. Das neue Abkommen soll an diesem Donnerstag unterzeichnet werden.
Am kommenden Montag folgt im PDG die Debatte über die Regierungserklärung zum REK.
Stephan Pesch